Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Pickfiester bezeichnet; der Kleidermacher und maeitre tailleur wird zum Ziegenbock oder kurz und gut Bock, der Bäcker heisst Deigap (Teigaffe), der Müller Mattendeiw (Metzendieb), der Maurer Swälk (Schwalbe). Der Apotheker wird Pillendreher, der Zahnarzt Gagelrath, der Krämer Dütendreher, ein Kaufmannslehrling oder Gehülfe Ladenschwengel oder Schwung, der Bauer oder Landmann Klutenperrer (Schollentreter), die Ackerbaubeflissenen ein Strom (Stromus vulgaris campester wasserstiefelensis) genannt. Der Förster führt bei den Plattdeutschen drei Bezeichnungen: er heisst Telgenvagt, Fossschinner und Bültenspringer, wie die geheimen Polizisten in Wien bald Spitzel, bald Naderer, bald Vertrauter genannt werden. In Norddeutschland heisst ein Polizeidiener Vagel Greip (Vogel Greif). Der Postillon ist als Schwager, der Matrose als Theerjacke allgemein bekannt; der Geistliche wird als Leichenbegleiter Paradieskutscher, als Wächter des Sonntagsgesetzes schwarzer Gensdarm genannt, der Küster Hinterviertel der Geistlichkeit, wie Sakristeibüttel, der Hauslehrer Arschpauker, der Schulmeister Bildhauer, der Seminarist als solcher Semmelchrist, als Hauslehrer Lesebengel. Der Mönch muss sich Nonnerich nennen lassen. In Frankreich wurden die Nonnen vom Orden des heiligen Bernhard wegen ihrer schwarzweissen Tracht Elstern genannt. Die Hebamme, welche im Hochdeutschen "weise Frau" genannt wird, verwandelt der Niederdeutsche in eine "Mutter Griepsch". Sogar für die Frommen von Fach gibt es eine Menge Spitznamen, als Betbrüder und Betschwestern, Dunkelmänner, Mucker, Mystiker, Pietisten, Stille im Lande, Zionswächter. Es wird häufig angenommen, der Name Mucker sei in den dreissiger Jahren zu Königsberg in Preussen aufgekommen, als die dortigen Prediger Ebel und Diestel einen Verein beiderlei Geschlechts zu Wiederherstellung paradiesischer Unschuld und zu Erzielung eines neuen Messias gegründet hatten (vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, S. 80); es ist dies aber irrig, da er nur aufs neue zur Anwendung gebracht worden ist, denn der Ausdruck findet sich bereits in dem Sinne von scheinheiliger Frömmler 1777 in Adelung's Wb., III, 594. Dafür aber, dass das Wort eigentlich einen Kaninchenbock bezeichnen soll, habe ich nirgends eine Beweisstelle oder Quelle finden können. Auch in höhern Kreisen findet sich die Neigung für Beinamen. In dem geheimen, zwölf auserlesene Mitglieder zählenden Ritterbunde, welchen der preussische Kronprinz Friedrich in Reinsberg gründete, führte jedes Mitglied seinen besondern Namen. Friedrich selbst hiess Le Constant, Suhm Diahane (der Offenherzige), Jordan Hephaestion, von Kayserling Caesarion. Im Mittelalter glänzten schon die Scholastiker mit Erfindung von Beinamen. Da gab es einen Doctor irrefragabilis, einen Doctor seraphicus, angelicus, fundatissimus. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, wie Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.)


Pickholz.

* Er is a Pickholz. (Jüd.-deutsch. Brody.)

D. h. ein Plagegeist.


Piedestal.

Je schöner das Piedestal ist, desto schöner soll die Säule (Statue) sein.


Piek.

* Dat woll emme äwwer wall an den Piek teihen (auch: teuhen). (Lippe.)

Das wollte ihm aber wol ans Mark ziehen, d. h. ihm nahe gehen, schwer fallen, empfindlich treffen. Piek heisst das Mark in den Röhrknochen, besonders der Menschen.


Piemont.

Er ist ge Piemunt, wo ken Hund meh ume chunnt. - Sutermeister, 86.

Wenn sich jemand aus dem Staube gemacht hat, wofür auch folgende Redensarten zur Anwendung kommen: Er ist mit dem Schelm dervo. Er ist gsii wie-n-e Chaz dur e Baum uf. Er hat der Dewang gno. (S. Laufenburg, wo beim Citat Sutermeister, 86 statt 21 zu lesen ist.)


Piemontese.

Unter zehn Piemontesen ist nur Ein ehrlicher Mann, unter zehn Savoyarden nur Ein Schuft. - Deutsche Romanzeitung, III, 45, 711.


Piepel.

So e Piepel öss kein Klapper. (Ostpreuss.)


Piepen.

1 Bat dervüören es en Pipen1 un Packen, dat git derna en Biten un Krassen. (Grafschaft Mark.) - Woeste, 75, 239.

1) Küssen. - Erst (vor der Hochzeit) küssen und umarmen, dann beissen und kratzen.

2 Lat pipen, lat pipen, säd de Knecht, als man ihn früh damit weckte, dass die Vöglein schon pipten, die Vögelken hefen kleine Häuptken, hefen bald vtgeschlapen; aber mein Häuptken is gar grot, jhm thut mehr schlapen not. - Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 136.

[Spaltenumbruch] 3 Magst piepen, wat du piepst, hest Für raken, moest'r hennin, se de Feling, und verschlang den Frosch.

Zur Erklärung dient folgender Schwank: Ein Felnk hatte in Emden Roggen verkauft und sah am Delft ein Stintschiff liegen. Er trat heran und wunderte sich höchlich über "de lüttken Fisken" und fragte: "Wat sünt dat denn vör lüttke Springers?" - "Stint", antwortete man. "Kann man de ok eten?" - "Jawol!" "Hebbet se denn ok völ Für nödig?" - "Ne, wenn s' man Für ruken." Der Feling kauft eine Menge, wirft sie auf seinen Leiterwagen und fährt damit froh nach Hause. Als er bei Halte über die Ems fährt, wird oben im Fährhause Licht angezündet. Er erinnert sich an seine Stinte, und meint, es sei Zeit, dass sie Feuer riechen möchten. Er zieht einen heraus, hält ihn dem Lichtschein entgegen, und will ihn zum Munde führen. Da stösst die Fährpünte ans Ufer; der Felnk stolpert und lässt den Fisch fallen. Er bückt sich, um denselben wieder aufzuheben, ergreift statt dessen aber in der Dunkelheit einen Frosch am Ufer im Grase, den er ruhig in den Mund steckt. Das Thier wehrt sich und pfeift vor Angst; aber der Feling hält seine Beute fest und schlingt sie mit Gewalt hinunter, indem er sagt: "Magst piepen, wat du piepst u. s. w." (Ostfries. Jahrbuch, I, 51.)

4 Pipen geit vör Danssen. - Bueren, 309.

5 Von peipen upr Lippen kumpt Frundschoft unner de Schlippen. - Eichwald, Cumpelmenteerbook von 1572 (Bremen 1869), S. 8; Demokritos, II, 381.

Wer Küsse erlaubt, erlaubt bald auch noch mehr. (Vgl. Brem. Wb., III, 21.)

*6 He piept ut dem lästen Locke. (Lippe.) - Für Holstein: Schütze, IV, 208.

Er geht zu Ende mit Geschäft oder Leben.

*7 He peipt (klagt) all, wenn he man'n Wind dwass vör de Ners sitten hett. - Kern, 519.

Von verzärtelten Leuten, die wegen jeder Kleinigkeit klagen.


Pieper.

* Pieper, pack em. - Frischbier2, 2937.

Pieper, ein bekannter Fleischermeister in Fischhausen soll als Abgeordneter zur ersten preussischen Nationalversammlung (1848) die obige Redensart in seiner berühmten Kammerrede gebraucht haben, wodurch sie sprichwörtlich geworden ist.


Piepmeier (s. Eselsfresser, Pickfiester, Rundkopf und Uncle Sam).

* Es ist ein Piepmeier.

Wie Personen, Ortschaften, Völker ihren Spitznamen führen (s. Eselsfresser und Oesterreicher 2), so haben sich auch die politischen Parteien gegenseitig mit dergleichen belegt. Ich erinnere nur an die "Wühler" (Fortschritt) und "Heuler" (Reactionäre) aus dem Jahre 1848, während für die Mittelpartei die Bezeichnung "Piepmeier" in Gebrauch kam. Der Niederdeutsche erfand damals für die sogenannte Verfassungspartei (Constitutionellen) den Ausdruck Putscheneller (Policinelli). Zehn Jahre früher standen in der Schweiz die "Hörner" (Conservative) und "Klauen" (Fortschrittsmänner) im erbitterten Kampf widereinander. Im frankfurter Parlament gab es einen Reichscanarienvogel (Rösler von Oels), einen Reichsgestaltenseher (Bassermann), ein Reichswiesel (Wuttke), in dem Göttinger Waitz, der von der Tribüne mit geschlossenen Augen zu sprechen liebte, eine Reichsblindschleiche, und eine Reichsthräne (Venedey), wie in Lichnowsky den Ritter Schnapphansky und in Grumbrecht den Mirabeau der Lüneburger Heide. In neuerer Zeit hat der berliner Witz die Tulpensoireen des Reichskanzlers parlamentarische Mäusefallen getauft. Die czechische Politik nennt das Neue Fremdenblatt (warum?) Pomeisl. Dr. Strousberg in Berlin führt den Namen Eisenbahnkönig; Napoleon III. hiess Er, Palmerston abgekürzt "Pam", Prinz Jerome heisst "Plon-Plon". Als im Jahre 1839 Dr. David Strauss an die züricher Hochschule berufen wurde, geriethen Stadt und Canton in eine giftige Spaltung. Die Anhänger des Dr. Strauss wurden die "Straussen" genannt. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, und Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.)


Piepsack.

* Er ist ein wahrer Piepsack. - Frischbier2, 2938.

Ein fast täglich über Kleinigkeiten klagender Mensch.


Piepsgessel.

* Er ist ein rechter Piepsgessel. - Frischbier2, 2938.

Ein Mensch, der oft kränkelt.


Pieptrurig.

* Hei kömmt ut Pieptrurig. - Frischbier2, 2939.

Nämlich aus dem Dorfe Draupchen bei Insterburg, das obige Bezeichnung als Spottnamen führt. Die Redensart wird angewandt, um die Bewohner von Draupchen zu necken, aber auch um einen Betrübten zu bezeichnen.


[Spaltenumbruch] Pickfiester bezeichnet; der Kleidermacher und maître tailleur wird zum Ziegenbock oder kurz und gut Bock, der Bäcker heisst Deigap (Teigaffe), der Müller Mattendeiw (Metzendieb), der Maurer Swälk (Schwalbe). Der Apotheker wird Pillendreher, der Zahnarzt Gagelrath, der Krämer Dütendreher, ein Kaufmannslehrling oder Gehülfe Ladenschwengel oder Schwung, der Bauer oder Landmann Klutenperrer (Schollentreter), die Ackerbaubeflissenen ein Strom (Stromus vulgaris campester wasserstiefelensis) genannt. Der Förster führt bei den Plattdeutschen drei Bezeichnungen: er heisst Telgenvagt, Fossschinner und Bültenspringer, wie die geheimen Polizisten in Wien bald Spitzel, bald Naderer, bald Vertrauter genannt werden. In Norddeutschland heisst ein Polizeidiener Vagel Grîp (Vogel Greif). Der Postillon ist als Schwager, der Matrose als Theerjacke allgemein bekannt; der Geistliche wird als Leichenbegleiter Paradieskutscher, als Wächter des Sonntagsgesetzes schwarzer Gensdarm genannt, der Küster Hinterviertel der Geistlichkeit, wie Sakristeibüttel, der Hauslehrer Arschpauker, der Schulmeister Bildhauer, der Seminarist als solcher Semmelchrist, als Hauslehrer Lesebengel. Der Mönch muss sich Nonnerich nennen lassen. In Frankreich wurden die Nonnen vom Orden des heiligen Bernhard wegen ihrer schwarzweissen Tracht Elstern genannt. Die Hebamme, welche im Hochdeutschen „weise Frau“ genannt wird, verwandelt der Niederdeutsche in eine „Mutter Griepsch“. Sogar für die Frommen von Fach gibt es eine Menge Spitznamen, als Betbrüder und Betschwestern, Dunkelmänner, Mucker, Mystiker, Pietisten, Stille im Lande, Zionswächter. Es wird häufig angenommen, der Name Mucker sei in den dreissiger Jahren zu Königsberg in Preussen aufgekommen, als die dortigen Prediger Ebel und Diestel einen Verein beiderlei Geschlechts zu Wiederherstellung paradiesischer Unschuld und zu Erzielung eines neuen Messias gegründet hatten (vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, S. 80); es ist dies aber irrig, da er nur aufs neue zur Anwendung gebracht worden ist, denn der Ausdruck findet sich bereits in dem Sinne von scheinheiliger Frömmler 1777 in Adelung's Wb., III, 594. Dafür aber, dass das Wort eigentlich einen Kaninchenbock bezeichnen soll, habe ich nirgends eine Beweisstelle oder Quelle finden können. Auch in höhern Kreisen findet sich die Neigung für Beinamen. In dem geheimen, zwölf auserlesene Mitglieder zählenden Ritterbunde, welchen der preussische Kronprinz Friedrich in Reinsberg gründete, führte jedes Mitglied seinen besondern Namen. Friedrich selbst hiess Le Constant, Suhm Diahane (der Offenherzige), Jordan Hephaestion, von Kayserling Caesarion. Im Mittelalter glänzten schon die Scholastiker mit Erfindung von Beinamen. Da gab es einen Doctor irrefragabilis, einen Doctor seraphicus, angelicus, fundatissimus. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, wie Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.)


Pickholz.

* Er is a Pickholz. (Jüd.-deutsch. Brody.)

D. h. ein Plagegeist.


Piedestal.

Je schöner das Piedestal ist, desto schöner soll die Säule (Statue) sein.


Piek.

* Dat woll emme äwwer wall an den Piek teihen (auch: teuhen). (Lippe.)

Das wollte ihm aber wol ans Mark ziehen, d. h. ihm nahe gehen, schwer fallen, empfindlich treffen. Piek heisst das Mark in den Röhrknochen, besonders der Menschen.


Piemont.

Er ist ge Piemunt, wo ken Hund meh ume chunnt.Sutermeister, 86.

Wenn sich jemand aus dem Staube gemacht hat, wofür auch folgende Redensarten zur Anwendung kommen: Er ist mit dem Schelm dervo. Er ist gsii wie-n-e Chaz dur e Baum uf. Er hat der Dewang gno. (S. Laufenburg, wo beim Citat Sutermeister, 86 statt 21 zu lesen ist.)


Piemontese.

Unter zehn Piemontesen ist nur Ein ehrlicher Mann, unter zehn Savoyarden nur Ein Schuft.Deutsche Romanzeitung, III, 45, 711.


Piepel.

So e Piepel öss kein Klapper. (Ostpreuss.)


Piepen.

1 Bat dervüören es en Pipen1 un Packen, dat git derna en Biten un Krassen. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 75, 239.

1) Küssen. – Erst (vor der Hochzeit) küssen und umarmen, dann beissen und kratzen.

2 Lat pipen, lat pipen, säd de Knecht, als man ihn früh damit weckte, dass die Vöglein schon pipten, die Vögelken hefen kleine Häuptken, hefen bald vtgeschlapen; aber mein Häuptken is gar grot, jhm thut mehr schlapen not.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 136.

[Spaltenumbruch] 3 Magst piepen, wat du piepst, hest Für raken, moest'r hennin, se de Feling, und verschlang den Frosch.

Zur Erklärung dient folgender Schwank: Ein Felnk hatte in Emden Roggen verkauft und sah am Delft ein Stintschiff liegen. Er trat heran und wunderte sich höchlich über „de lüttken Fisken“ und fragte: „Wat sünt dat denn vör lüttke Springers?“ – „Stint“, antwortete man. „Kann man de ôk êten?“ – „Jawol!“ „Hebbet se denn ok völ Für nödig?“ – „Nê, wenn s' man Für ruken.“ Der Feling kauft eine Menge, wirft sie auf seinen Leiterwagen und fährt damit froh nach Hause. Als er bei Halte über die Ems fährt, wird oben im Fährhause Licht angezündet. Er erinnert sich an seine Stinte, und meint, es sei Zeit, dass sie Feuer riechen möchten. Er zieht einen heraus, hält ihn dem Lichtschein entgegen, und will ihn zum Munde führen. Da stösst die Fährpünte ans Ufer; der Felnk stolpert und lässt den Fisch fallen. Er bückt sich, um denselben wieder aufzuheben, ergreift statt dessen aber in der Dunkelheit einen Frosch am Ufer im Grase, den er ruhig in den Mund steckt. Das Thier wehrt sich und pfeift vor Angst; aber der Feling hält seine Beute fest und schlingt sie mit Gewalt hinunter, indem er sagt: „Magst piepen, wat du piepst u. s. w.“ (Ostfries. Jahrbuch, I, 51.)

4 Pipen geit vör Danssen.Bueren, 309.

5 Von pîpen upr Lippen kumpt Frundschoft unner de Schlippen.Eichwald, Cumpelmenteerbook von 1572 (Bremen 1869), S. 8; Demokritos, II, 381.

Wer Küsse erlaubt, erlaubt bald auch noch mehr. (Vgl. Brem. Wb., III, 21.)

*6 He piept ut dem lästen Locke. (Lippe.) – Für Holstein: Schütze, IV, 208.

Er geht zu Ende mit Geschäft oder Leben.

*7 He pîpt (klagt) all, wenn he man'n Wind dwass vör de Nêrs sitten hett.Kern, 519.

Von verzärtelten Leuten, die wegen jeder Kleinigkeit klagen.


Pieper.

* Pieper, pack em.Frischbier2, 2937.

Pieper, ein bekannter Fleischermeister in Fischhausen soll als Abgeordneter zur ersten preussischen Nationalversammlung (1848) die obige Redensart in seiner berühmten Kammerrede gebraucht haben, wodurch sie sprichwörtlich geworden ist.


Piepmeier (s. Eselsfresser, Pickfiester, Rundkopf und Uncle Sam).

* Es ist ein Piepmeier.

Wie Personen, Ortschaften, Völker ihren Spitznamen führen (s. Eselsfresser und Oesterreicher 2), so haben sich auch die politischen Parteien gegenseitig mit dergleichen belegt. Ich erinnere nur an die „Wühler“ (Fortschritt) und „Heuler“ (Reactionäre) aus dem Jahre 1848, während für die Mittelpartei die Bezeichnung „Piepmeier“ in Gebrauch kam. Der Niederdeutsche erfand damals für die sogenannte Verfassungspartei (Constitutionellen) den Ausdruck Putscheneller (Policinelli). Zehn Jahre früher standen in der Schweiz die „Hörner“ (Conservative) und „Klauen“ (Fortschrittsmänner) im erbitterten Kampf widereinander. Im frankfurter Parlament gab es einen Reichscanarienvogel (Rösler von Oels), einen Reichsgestaltenseher (Bassermann), ein Reichswiesel (Wuttke), in dem Göttinger Waitz, der von der Tribüne mit geschlossenen Augen zu sprechen liebte, eine Reichsblindschleiche, und eine Reichsthräne (Venedey), wie in Lichnowsky den Ritter Schnapphansky und in Grumbrecht den Mirabeau der Lüneburger Heide. In neuerer Zeit hat der berliner Witz die Tulpensoiréen des Reichskanzlers parlamentarische Mäusefallen getauft. Die czechische Politik nennt das Neue Fremdenblatt (warum?) Pomeisl. Dr. Strousberg in Berlin führt den Namen Eisenbahnkönig; Napoleon III. hiess Er, Palmerston abgekürzt „Pam“, Prinz Jerôme heisst „Plon-Plon“. Als im Jahre 1839 Dr. David Strauss an die züricher Hochschule berufen wurde, geriethen Stadt und Canton in eine giftige Spaltung. Die Anhänger des Dr. Strauss wurden die „Straussen“ genannt. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, und Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.)


Piepsack.

* Er ist ein wahrer Piepsack.Frischbier2, 2938.

Ein fast täglich über Kleinigkeiten klagender Mensch.


Piepsgessel.

* Er ist ein rechter Piepsgessel.Frischbier2, 2938.

Ein Mensch, der oft kränkelt.


Pieptrurig.

* Hei kömmt ut Pieptrurig.Frischbier2, 2939.

Nämlich aus dem Dorfe Draupchen bei Insterburg, das obige Bezeichnung als Spottnamen führt. Die Redensart wird angewandt, um die Bewohner von Draupchen zu necken, aber auch um einen Betrübten zu bezeichnen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p rendition="#et"><pb facs="#f0686" n="[672]"/><cb n="1343"/>
Pickfiester bezeichnet; der Kleidermacher und maître tailleur wird zum Ziegenbock oder kurz und gut Bock, der Bäcker heisst Deigap (Teigaffe), der Müller Mattendeiw (Metzendieb), der Maurer Swälk (Schwalbe). Der Apotheker wird Pillendreher, der Zahnarzt Gagelrath, der Krämer Dütendreher, ein Kaufmannslehrling oder Gehülfe Ladenschwengel oder Schwung, der Bauer oder Landmann Klutenperrer (Schollentreter), die Ackerbaubeflissenen ein Strom (Stromus vulgaris campester wasserstiefelensis) genannt. Der Förster führt bei den Plattdeutschen drei Bezeichnungen: er heisst Telgenvagt, Fossschinner und Bültenspringer, wie die geheimen Polizisten in Wien bald Spitzel, bald Naderer, bald Vertrauter genannt werden. In Norddeutschland heisst ein Polizeidiener Vagel Grîp (Vogel Greif). Der Postillon ist als Schwager, der Matrose als Theerjacke allgemein bekannt; der Geistliche wird als Leichenbegleiter Paradieskutscher, als Wächter des Sonntagsgesetzes schwarzer Gensdarm genannt, der Küster Hinterviertel der Geistlichkeit, wie Sakristeibüttel, der Hauslehrer Arschpauker, der Schulmeister Bildhauer, der Seminarist als solcher Semmelchrist, als Hauslehrer Lesebengel. Der Mönch muss sich Nonnerich nennen lassen. In Frankreich wurden die Nonnen vom Orden des heiligen Bernhard wegen ihrer schwarzweissen Tracht Elstern genannt. Die Hebamme, welche im Hochdeutschen &#x201E;weise Frau&#x201C; genannt wird, verwandelt der Niederdeutsche in eine &#x201E;Mutter Griepsch&#x201C;. Sogar für die Frommen von Fach gibt es eine Menge Spitznamen, als Betbrüder und Betschwestern, Dunkelmänner, Mucker, Mystiker, Pietisten, Stille im Lande, Zionswächter. Es wird häufig angenommen, der Name Mucker sei in den dreissiger Jahren zu Königsberg in Preussen aufgekommen, als die dortigen Prediger Ebel und Diestel einen Verein beiderlei Geschlechts zu Wiederherstellung paradiesischer Unschuld und zu Erzielung eines neuen Messias gegründet hatten (vgl. <hi rendition="#i">Buch der Welt, Stuttgart 1872, S. 80</hi>); es ist dies aber irrig, da er nur aufs neue zur Anwendung gebracht worden ist, denn der Ausdruck findet sich bereits in dem Sinne von scheinheiliger Frömmler 1777 in <hi rendition="#i">Adelung's Wb., III,</hi> 594. Dafür aber, dass das Wort eigentlich einen Kaninchenbock bezeichnen soll, habe ich nirgends eine Beweisstelle oder Quelle finden können. Auch in höhern Kreisen findet sich die Neigung für Beinamen. In dem geheimen, zwölf auserlesene Mitglieder zählenden Ritterbunde, welchen der preussische Kronprinz Friedrich in Reinsberg gründete, führte jedes Mitglied seinen besondern Namen. Friedrich selbst hiess Le Constant, Suhm Diahane (der Offenherzige), Jordan Hephaestion, von Kayserling Caesarion. Im Mittelalter glänzten schon die Scholastiker mit Erfindung von Beinamen. Da gab es einen Doctor irrefragabilis, einen Doctor seraphicus, angelicus, fundatissimus. (Vgl. <hi rendition="#i">Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5</hi>, wie <hi rendition="#i">Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Pickholz.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Er is a Pickholz.</hi> (<hi rendition="#i">Jüd.-deutsch. Brody.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et">D. h. ein Plagegeist.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piedestal.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Je schöner das Piedestal ist, desto schöner soll die Säule (Statue) sein.</hi> </p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piek.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Dat woll emme äwwer wall an den Piek teihen (auch: teuhen).</hi> (<hi rendition="#i">Lippe.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et">Das wollte ihm aber wol ans Mark ziehen, d. h. ihm nahe gehen, schwer fallen, empfindlich treffen. Piek heisst das Mark in den Röhrknochen, besonders der Menschen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piemont.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Er ist ge Piemunt, wo ken Hund meh ume chunnt.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Sutermeister, 86.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Wenn sich jemand aus dem Staube gemacht hat, wofür auch folgende Redensarten zur Anwendung kommen: Er ist mit dem Schelm dervo. Er ist gsii wie-n-e Chaz dur e Baum uf. Er hat der Dewang gno. (<hi rendition="#i">S. Laufenburg, wo beim Citat Sutermeister, 86 statt 21 zu lesen ist.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piemontese.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Unter zehn Piemontesen ist nur Ein ehrlicher Mann, unter zehn Savoyarden nur Ein Schuft.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Deutsche Romanzeitung, III, 45, 711.</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piepel.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">So e Piepel öss kein Klapper.</hi> (<hi rendition="#i">Ostpreuss.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piepen.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Bat dervüören es en Pipen<hi rendition="#sup">1</hi> un Packen, dat git derna en Biten un Krassen.</hi> (<hi rendition="#i">Grafschaft Mark.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Woeste, 75, 239.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#sup">1</hi>) Küssen. &#x2013; Erst (vor der Hochzeit) küssen und umarmen, dann beissen und kratzen.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Lat pipen, lat pipen, säd de Knecht, als man ihn früh damit weckte, dass die Vöglein schon pipten, die Vögelken hefen kleine Häuptken, hefen bald vtgeschlapen; aber mein Häuptken is gar grot, jhm thut mehr schlapen not.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 136.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger"><cb n="1344"/>
3 Magst piepen, wat du piepst, hest Für raken, moest'r hennin, se de Feling, und verschlang den Frosch.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Zur Erklärung dient folgender Schwank: Ein Felnk hatte in Emden Roggen verkauft und sah am Delft ein Stintschiff liegen. Er trat heran und wunderte sich höchlich über &#x201E;de lüttken Fisken&#x201C; und fragte: &#x201E;Wat sünt dat denn vör lüttke Springers?&#x201C; &#x2013; &#x201E;Stint&#x201C;, antwortete man. &#x201E;Kann man de ôk êten?&#x201C; &#x2013; &#x201E;Jawol!&#x201C; &#x201E;Hebbet se denn ok völ Für nödig?&#x201C; &#x2013; &#x201E;Nê, wenn s' man Für ruken.&#x201C; Der Feling kauft eine Menge, wirft sie auf seinen Leiterwagen und fährt damit froh nach Hause. Als er bei Halte über die Ems fährt, wird oben im Fährhause Licht angezündet. Er erinnert sich an seine Stinte, und meint, es sei Zeit, dass sie Feuer riechen möchten. Er zieht einen heraus, hält ihn dem Lichtschein entgegen, und will ihn zum Munde führen. Da stösst die Fährpünte ans Ufer; der Felnk stolpert und lässt den Fisch fallen. Er bückt sich, um denselben wieder aufzuheben, ergreift statt dessen aber in der Dunkelheit einen Frosch am Ufer im Grase, den er ruhig in den Mund steckt. Das Thier wehrt sich und pfeift vor Angst; aber der Feling hält seine Beute fest und schlingt sie mit Gewalt hinunter, indem er sagt: &#x201E;Magst piepen, wat du piepst u. s. w.&#x201C; (<hi rendition="#i">Ostfries. Jahrbuch, I, 51.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">4 Pipen geit vör Danssen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Bueren, 309.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">5 Von pîpen upr Lippen kumpt Frundschoft unner de Schlippen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Eichwald, Cumpelmenteerbook von 1572 (Bremen 1869), S. 8; Demokritos, II, 381.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Wer Küsse erlaubt, erlaubt bald auch noch mehr. (Vgl. <hi rendition="#i">Brem. Wb., III, 21.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*6 He piept ut dem lästen Locke.</hi> (<hi rendition="#i">Lippe.</hi>) &#x2013; Für Holstein: Schütze, IV, 208.</p><lb/>
          <p rendition="#et">Er geht zu Ende mit Geschäft oder Leben.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">*7 He pîpt (klagt) all, wenn he man'n Wind dwass vör de Nêrs sitten hett.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Kern, 519.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Von verzärtelten Leuten, die wegen jeder Kleinigkeit klagen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Pieper.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Pieper, pack em.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 2937.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Pieper, ein bekannter Fleischermeister in Fischhausen soll als Abgeordneter zur ersten preussischen Nationalversammlung (1848) die obige Redensart in seiner berühmten Kammerrede gebraucht haben, wodurch sie sprichwörtlich geworden ist.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head><hi rendition="#b">Piepmeier</hi> (s.  Eselsfresser,  Pickfiester,  Rundkopf und  Uncle Sam).</head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Es ist ein Piepmeier.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Wie Personen, Ortschaften, Völker ihren Spitznamen führen (s.  Eselsfresser und  Oesterreicher 2), so haben sich auch die politischen Parteien gegenseitig mit dergleichen belegt. Ich erinnere nur an die &#x201E;Wühler&#x201C; (Fortschritt) und &#x201E;Heuler&#x201C; (Reactionäre) aus dem Jahre 1848, während für die Mittelpartei die Bezeichnung &#x201E;Piepmeier&#x201C; in Gebrauch kam. Der Niederdeutsche erfand damals für die sogenannte Verfassungspartei (Constitutionellen) den Ausdruck Putscheneller (Policinelli). Zehn Jahre früher standen in der Schweiz die &#x201E;Hörner&#x201C; (Conservative) und &#x201E;Klauen&#x201C; (Fortschrittsmänner) im erbitterten Kampf widereinander. Im frankfurter Parlament gab es einen Reichscanarienvogel (Rösler von Oels), einen Reichsgestaltenseher (Bassermann), ein Reichswiesel (Wuttke), in dem Göttinger Waitz, der von der Tribüne mit geschlossenen Augen zu sprechen liebte, eine Reichsblindschleiche, und eine Reichsthräne (Venedey), wie in Lichnowsky den Ritter Schnapphansky und in Grumbrecht den Mirabeau der Lüneburger Heide. In neuerer Zeit hat der berliner Witz die Tulpensoiréen des Reichskanzlers parlamentarische Mäusefallen getauft. Die czechische Politik nennt das <hi rendition="#i">Neue Fremdenblatt</hi> (warum?) Pomeisl. Dr. Strousberg in Berlin führt den Namen Eisenbahnkönig; Napoleon III. hiess Er, Palmerston abgekürzt &#x201E;Pam&#x201C;, Prinz Jerôme heisst &#x201E;Plon-Plon&#x201C;. Als im Jahre 1839 Dr. David Strauss an die züricher Hochschule berufen wurde, geriethen Stadt und Canton in eine giftige Spaltung. Die Anhänger des Dr. Strauss wurden die &#x201E;Straussen&#x201C; genannt. (Vgl. <hi rendition="#i">Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5,</hi> und <hi rendition="#i">Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piepsack.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Er ist ein wahrer Piepsack.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 2938.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Ein fast täglich über Kleinigkeiten klagender Mensch.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Piepsgessel.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Er ist ein rechter Piepsgessel.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 2938.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Ein Mensch, der oft kränkelt.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Pieptrurig.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Hei kömmt ut Pieptrurig.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 2939.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Nämlich aus dem Dorfe Draupchen bei Insterburg, das obige Bezeichnung als Spottnamen führt. Die Redensart wird angewandt, um die Bewohner von Draupchen zu necken, aber auch um einen Betrübten zu bezeichnen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[672]/0686] Pickfiester bezeichnet; der Kleidermacher und maître tailleur wird zum Ziegenbock oder kurz und gut Bock, der Bäcker heisst Deigap (Teigaffe), der Müller Mattendeiw (Metzendieb), der Maurer Swälk (Schwalbe). Der Apotheker wird Pillendreher, der Zahnarzt Gagelrath, der Krämer Dütendreher, ein Kaufmannslehrling oder Gehülfe Ladenschwengel oder Schwung, der Bauer oder Landmann Klutenperrer (Schollentreter), die Ackerbaubeflissenen ein Strom (Stromus vulgaris campester wasserstiefelensis) genannt. Der Förster führt bei den Plattdeutschen drei Bezeichnungen: er heisst Telgenvagt, Fossschinner und Bültenspringer, wie die geheimen Polizisten in Wien bald Spitzel, bald Naderer, bald Vertrauter genannt werden. In Norddeutschland heisst ein Polizeidiener Vagel Grîp (Vogel Greif). Der Postillon ist als Schwager, der Matrose als Theerjacke allgemein bekannt; der Geistliche wird als Leichenbegleiter Paradieskutscher, als Wächter des Sonntagsgesetzes schwarzer Gensdarm genannt, der Küster Hinterviertel der Geistlichkeit, wie Sakristeibüttel, der Hauslehrer Arschpauker, der Schulmeister Bildhauer, der Seminarist als solcher Semmelchrist, als Hauslehrer Lesebengel. Der Mönch muss sich Nonnerich nennen lassen. In Frankreich wurden die Nonnen vom Orden des heiligen Bernhard wegen ihrer schwarzweissen Tracht Elstern genannt. Die Hebamme, welche im Hochdeutschen „weise Frau“ genannt wird, verwandelt der Niederdeutsche in eine „Mutter Griepsch“. Sogar für die Frommen von Fach gibt es eine Menge Spitznamen, als Betbrüder und Betschwestern, Dunkelmänner, Mucker, Mystiker, Pietisten, Stille im Lande, Zionswächter. Es wird häufig angenommen, der Name Mucker sei in den dreissiger Jahren zu Königsberg in Preussen aufgekommen, als die dortigen Prediger Ebel und Diestel einen Verein beiderlei Geschlechts zu Wiederherstellung paradiesischer Unschuld und zu Erzielung eines neuen Messias gegründet hatten (vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, S. 80); es ist dies aber irrig, da er nur aufs neue zur Anwendung gebracht worden ist, denn der Ausdruck findet sich bereits in dem Sinne von scheinheiliger Frömmler 1777 in Adelung's Wb., III, 594. Dafür aber, dass das Wort eigentlich einen Kaninchenbock bezeichnen soll, habe ich nirgends eine Beweisstelle oder Quelle finden können. Auch in höhern Kreisen findet sich die Neigung für Beinamen. In dem geheimen, zwölf auserlesene Mitglieder zählenden Ritterbunde, welchen der preussische Kronprinz Friedrich in Reinsberg gründete, führte jedes Mitglied seinen besondern Namen. Friedrich selbst hiess Le Constant, Suhm Diahane (der Offenherzige), Jordan Hephaestion, von Kayserling Caesarion. Im Mittelalter glänzten schon die Scholastiker mit Erfindung von Beinamen. Da gab es einen Doctor irrefragabilis, einen Doctor seraphicus, angelicus, fundatissimus. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, wie Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.) Pickholz. * Er is a Pickholz. (Jüd.-deutsch. Brody.) D. h. ein Plagegeist. Piedestal. Je schöner das Piedestal ist, desto schöner soll die Säule (Statue) sein. Piek. * Dat woll emme äwwer wall an den Piek teihen (auch: teuhen). (Lippe.) Das wollte ihm aber wol ans Mark ziehen, d. h. ihm nahe gehen, schwer fallen, empfindlich treffen. Piek heisst das Mark in den Röhrknochen, besonders der Menschen. Piemont. Er ist ge Piemunt, wo ken Hund meh ume chunnt. – Sutermeister, 86. Wenn sich jemand aus dem Staube gemacht hat, wofür auch folgende Redensarten zur Anwendung kommen: Er ist mit dem Schelm dervo. Er ist gsii wie-n-e Chaz dur e Baum uf. Er hat der Dewang gno. (S. Laufenburg, wo beim Citat Sutermeister, 86 statt 21 zu lesen ist.) Piemontese. Unter zehn Piemontesen ist nur Ein ehrlicher Mann, unter zehn Savoyarden nur Ein Schuft. – Deutsche Romanzeitung, III, 45, 711. Piepel. So e Piepel öss kein Klapper. (Ostpreuss.) Piepen. 1 Bat dervüören es en Pipen1 un Packen, dat git derna en Biten un Krassen. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 75, 239. 1) Küssen. – Erst (vor der Hochzeit) küssen und umarmen, dann beissen und kratzen. 2 Lat pipen, lat pipen, säd de Knecht, als man ihn früh damit weckte, dass die Vöglein schon pipten, die Vögelken hefen kleine Häuptken, hefen bald vtgeschlapen; aber mein Häuptken is gar grot, jhm thut mehr schlapen not. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 136. 3 Magst piepen, wat du piepst, hest Für raken, moest'r hennin, se de Feling, und verschlang den Frosch. Zur Erklärung dient folgender Schwank: Ein Felnk hatte in Emden Roggen verkauft und sah am Delft ein Stintschiff liegen. Er trat heran und wunderte sich höchlich über „de lüttken Fisken“ und fragte: „Wat sünt dat denn vör lüttke Springers?“ – „Stint“, antwortete man. „Kann man de ôk êten?“ – „Jawol!“ „Hebbet se denn ok völ Für nödig?“ – „Nê, wenn s' man Für ruken.“ Der Feling kauft eine Menge, wirft sie auf seinen Leiterwagen und fährt damit froh nach Hause. Als er bei Halte über die Ems fährt, wird oben im Fährhause Licht angezündet. Er erinnert sich an seine Stinte, und meint, es sei Zeit, dass sie Feuer riechen möchten. Er zieht einen heraus, hält ihn dem Lichtschein entgegen, und will ihn zum Munde führen. Da stösst die Fährpünte ans Ufer; der Felnk stolpert und lässt den Fisch fallen. Er bückt sich, um denselben wieder aufzuheben, ergreift statt dessen aber in der Dunkelheit einen Frosch am Ufer im Grase, den er ruhig in den Mund steckt. Das Thier wehrt sich und pfeift vor Angst; aber der Feling hält seine Beute fest und schlingt sie mit Gewalt hinunter, indem er sagt: „Magst piepen, wat du piepst u. s. w.“ (Ostfries. Jahrbuch, I, 51.) 4 Pipen geit vör Danssen. – Bueren, 309. 5 Von pîpen upr Lippen kumpt Frundschoft unner de Schlippen. – Eichwald, Cumpelmenteerbook von 1572 (Bremen 1869), S. 8; Demokritos, II, 381. Wer Küsse erlaubt, erlaubt bald auch noch mehr. (Vgl. Brem. Wb., III, 21.) *6 He piept ut dem lästen Locke. (Lippe.) – Für Holstein: Schütze, IV, 208. Er geht zu Ende mit Geschäft oder Leben. *7 He pîpt (klagt) all, wenn he man'n Wind dwass vör de Nêrs sitten hett. – Kern, 519. Von verzärtelten Leuten, die wegen jeder Kleinigkeit klagen. Pieper. * Pieper, pack em. – Frischbier2, 2937. Pieper, ein bekannter Fleischermeister in Fischhausen soll als Abgeordneter zur ersten preussischen Nationalversammlung (1848) die obige Redensart in seiner berühmten Kammerrede gebraucht haben, wodurch sie sprichwörtlich geworden ist. Piepmeier (s. Eselsfresser, Pickfiester, Rundkopf und Uncle Sam). * Es ist ein Piepmeier. Wie Personen, Ortschaften, Völker ihren Spitznamen führen (s. Eselsfresser und Oesterreicher 2), so haben sich auch die politischen Parteien gegenseitig mit dergleichen belegt. Ich erinnere nur an die „Wühler“ (Fortschritt) und „Heuler“ (Reactionäre) aus dem Jahre 1848, während für die Mittelpartei die Bezeichnung „Piepmeier“ in Gebrauch kam. Der Niederdeutsche erfand damals für die sogenannte Verfassungspartei (Constitutionellen) den Ausdruck Putscheneller (Policinelli). Zehn Jahre früher standen in der Schweiz die „Hörner“ (Conservative) und „Klauen“ (Fortschrittsmänner) im erbitterten Kampf widereinander. Im frankfurter Parlament gab es einen Reichscanarienvogel (Rösler von Oels), einen Reichsgestaltenseher (Bassermann), ein Reichswiesel (Wuttke), in dem Göttinger Waitz, der von der Tribüne mit geschlossenen Augen zu sprechen liebte, eine Reichsblindschleiche, und eine Reichsthräne (Venedey), wie in Lichnowsky den Ritter Schnapphansky und in Grumbrecht den Mirabeau der Lüneburger Heide. In neuerer Zeit hat der berliner Witz die Tulpensoiréen des Reichskanzlers parlamentarische Mäusefallen getauft. Die czechische Politik nennt das Neue Fremdenblatt (warum?) Pomeisl. Dr. Strousberg in Berlin führt den Namen Eisenbahnkönig; Napoleon III. hiess Er, Palmerston abgekürzt „Pam“, Prinz Jerôme heisst „Plon-Plon“. Als im Jahre 1839 Dr. David Strauss an die züricher Hochschule berufen wurde, geriethen Stadt und Canton in eine giftige Spaltung. Die Anhänger des Dr. Strauss wurden die „Straussen“ genannt. (Vgl. Buch der Welt, Stuttgart 1872, Nr. 5, und Spitznamen in der Morgenpost, Wien vom 22. April 1872.) Piepsack. * Er ist ein wahrer Piepsack. – Frischbier2, 2938. Ein fast täglich über Kleinigkeiten klagender Mensch. Piepsgessel. * Er ist ein rechter Piepsgessel. – Frischbier2, 2938. Ein Mensch, der oft kränkelt. Pieptrurig. * Hei kömmt ut Pieptrurig. – Frischbier2, 2939. Nämlich aus dem Dorfe Draupchen bei Insterburg, das obige Bezeichnung als Spottnamen führt. Die Redensart wird angewandt, um die Bewohner von Draupchen zu necken, aber auch um einen Betrübten zu bezeichnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-18T08:39:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-18T08:39:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/686
Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [672]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/686>, abgerufen am 26.04.2024.