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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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Unter den Schriften, die das Quellenverzeichniss dieses Bandes nachweist, befinden sich wieder einige, die als eine besondere Bereicherung der Sprichwörterliteratur bezeichnet werden müssen. Der alphabetischen Ordnung folgend, begegnen wir zuerst der soeben erschienenen zweiten Sammlung Preussischer Sprichwörter von H. Frischbier, der zu den wenigen aus den hunderttausend deutschen Lehrern gehört, welche, als ich in den fünfziger Jahren bat, die Sprichwörter aus dem Volksmunde zu sammeln, meiner Bitte entgegenkamen. Schon im Jahre 1864 konnte Herr Frischbier seine Sammlung (1142) Preussische Sprichwörter zur Bereicherung der deutschen Sprichwörterliteratur in Königsberg herausgeben, die 1865 in zweiter Auflage, bis auf 4386 vermehrt, in Berlin erschien. Seitdem hat er, unterstützt von seinen Amtsgenossen in der Provinz, seinen Sammeleifer fortgesetzt, und zu jener ersten Sammlung jetzt eine zweite, mit abermals 3196 Sprichwörtern und Redensarten, gefügt. Die Frage liegt nahe: wie viel müsste unser Sprichwörterschatz gewonnen haben, wenn in jeder deutschen Provinz Aehnliches geschehen wäre?

Mit Latendorf III ist auf die neueste verdienstvolle Arbeit des Herrn Dr. Fr. Latendorf verwiesen, in welcher er den Nachweis geführt hat, dass die im Jahre 1532 namenlos erschienene Sprichwörtersammlung Seb. Franck zum Verfasser hat. Diese Arbeit, die Jahre in Anspruch genommen hat, ist durch ihre Vergleichungen mit Agricola, durch ihre Tabellen, Register u. s. w. für die Literatur von grossem Werthe und zeigt von einer seltenen Ausdauer auf dem Boden wissenschaftlicher Prüfung und Untersuchung.

Die längst erwartete und zum Bedürfniss gewordene Quellenkunde des Sprichworts, an der Herr Dr. J. Franck seit langen Jahren gearbeitet hat und deren Erscheinen ich schon in der Vorrede zum zweiten Bande andeutete, ist leider noch nicht in unsern Händen. Dagegen schliessen sich zwei in Holland erschienene, die Sprichwörterliteratur bereichernde Schriften an die beiden obigen deutschen an. Durch die eine gewinnt Herr Dr. Laurillard den von einer gelehrten Gesellschaft ausgesetzten Preis für die beste Arbeit über den Nachweis der im Volke vorhandenen Sprichwörter und Redensarten, die biblischen Ursprungs sind. Endlich hat Herr Dr. Suringar, Rector des Gymnasiums zu Leiden, die so gut wie vergessene Glandorp'sche Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's entdeckt und in beiden Sammlungen neu herausgegeben. Welcher Werth auf die Auffindung und Herausgabe dieser so lange verborgenen Schrift gelegt wird, beweisen die Aeusserungen solcher Männer, die zur Zeit wol mit die genaueste Kenntniss der sprichwörtlichen Literatur besitzen, wie der Herren Dr. J. Franck, Oberlehrer Dr. Fr. Latendorf in Schwerin und Kreisgerichtsdirector Ottow, früher in Landeshut, jetzt zu Hirschberg in Schlesien. Der letztere schrieb an Herrn Dr. Suringar: "Ihre Mittheilung über Agricola hat mich überrascht. Nirgend habe ich von der lateinischen Uebertragung eine Spur gefunden." Und Herr Rector Dr. Franck (früher Anweiler, jetzt Edenkoben): "Was Ihre Mittheilung über die Entdeckung einer lateinischen Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's betrifft, so haben Sie mir dadurch in der That eine grosse Ueberraschung bereitet. Ich darf wol sagen, dass ich in der proverbialen Literatur und zumal in der der frühern Jahrhunderte und allem, was mit dieser zusammenhängt, nicht ganz unerfahren bin; dennoch ist mir bisjetzt auch nicht die leiseste Andeutung einer Uebersetzung seiner Sprichwörter in das Lateinische begegnet. Ich gratulire Ihnen aus vollem Herzen zu dieser Entdeckung, die, wie Sie das versichert sein dürfen, mit verdientem Dank aufgenommen werden wird."

Auch in vielen Zeitschriften haben die Sprichwörter Beachtung gefunden, und ich habe die mir bekannt gewordenen mit ihren Beiträgen genannt. Indess könnte auf diesem Felde offenbar mehr geschehen, wenn es überall Männer gäbe, welche die "Volksweisheit auf der Gasse" sammelten und einer geeigneten Zeitschrift zum Abdruck übergäben. Es findet sich auch nicht überall ein Mann, der so viel Theilnahme für die Sache besitzt, mir ein Blatt, das sprichwörtliches Material bietet, zu übersenden; und so geht mancher Spruch, manche Redensart, die unsern vaterländischen Spruchschatz bereichern könnte, verloren.

Wenn einzelne Zeitschriften Sprichwörter über einen bestimmten Gegenstand zusammenstellen, um ihre Leser mit dem Reichthum volkstümlicher Anschauungen bekannt zu machen, so ist dies anzuerkennen; aber sie sollten dann wenigstens die Quelle angeben, aus der sie geschöpft haben. Es ist jetzt sehr leicht einen Artikel zu schreiben: Gott, der Mensch, der Mann, die Frau, der Hund, das Schaf u. s. w. im Sprichwort, man darf blos das geordnete Material aus dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entlehnen; allein jeder dieser Artikel ist bei mir das Ergebniss einer dreissig- bis vierzigjährigen Arbeit.

Zu desto wärmerm Dank fühle ich mich denen verpflichtet, die mich bisher in der einen oder andern Weise unterstützt haben, und deren Namen ich, wie früher, auf besonderm Blatte genannt habe.

Unbemerkt darf ich nicht lassen, dass in der Regel da, wo ein Sprichwörter-Lexikon Boden gefunden hat, auch die Theilnahme für diesen Zweig der Literatur gewonnen hat. Es scheint auch, dass das Bedürfniss, den nationalen Sprichwörterschatz in Einem Werke zu sammeln, allmählich bei einem Volke nach dem andern erwacht. Augenblicklich tritt es bei den germanischen Volksstämmen hervor. Den holländischen Sprichwörterschatz hat Harrebomee in drei Bänden zusammengedrängt, während Dr. Suringar die wissenschaftlichen Quellen pflegt und bearbeitet. In Schweden hat Herr Pastor Strömbäck

Unter den Schriften, die das Quellenverzeichniss dieses Bandes nachweist, befinden sich wieder einige, die als eine besondere Bereicherung der Sprichwörterliteratur bezeichnet werden müssen. Der alphabetischen Ordnung folgend, begegnen wir zuerst der soeben erschienenen zweiten Sammlung Preussischer Sprichwörter von H. Frischbier, der zu den wenigen aus den hunderttausend deutschen Lehrern gehört, welche, als ich in den fünfziger Jahren bat, die Sprichwörter aus dem Volksmunde zu sammeln, meiner Bitte entgegenkamen. Schon im Jahre 1864 konnte Herr Frischbier seine Sammlung (1142) Preussische Sprichwörter zur Bereicherung der deutschen Sprichwörterliteratur in Königsberg herausgeben, die 1865 in zweiter Auflage, bis auf 4386 vermehrt, in Berlin erschien. Seitdem hat er, unterstützt von seinen Amtsgenossen in der Provinz, seinen Sammeleifer fortgesetzt, und zu jener ersten Sammlung jetzt eine zweite, mit abermals 3196 Sprichwörtern und Redensarten, gefügt. Die Frage liegt nahe: wie viel müsste unser Sprichwörterschatz gewonnen haben, wenn in jeder deutschen Provinz Aehnliches geschehen wäre?

Mit Latendorf III ist auf die neueste verdienstvolle Arbeit des Herrn Dr. Fr. Latendorf verwiesen, in welcher er den Nachweis geführt hat, dass die im Jahre 1532 namenlos erschienene Sprichwörtersammlung Seb. Franck zum Verfasser hat. Diese Arbeit, die Jahre in Anspruch genommen hat, ist durch ihre Vergleichungen mit Agricola, durch ihre Tabellen, Register u. s. w. für die Literatur von grossem Werthe und zeigt von einer seltenen Ausdauer auf dem Boden wissenschaftlicher Prüfung und Untersuchung.

Die längst erwartete und zum Bedürfniss gewordene Quellenkunde des Sprichworts, an der Herr Dr. J. Franck seit langen Jahren gearbeitet hat und deren Erscheinen ich schon in der Vorrede zum zweiten Bande andeutete, ist leider noch nicht in unsern Händen. Dagegen schliessen sich zwei in Holland erschienene, die Sprichwörterliteratur bereichernde Schriften an die beiden obigen deutschen an. Durch die eine gewinnt Herr Dr. Laurillard den von einer gelehrten Gesellschaft ausgesetzten Preis für die beste Arbeit über den Nachweis der im Volke vorhandenen Sprichwörter und Redensarten, die biblischen Ursprungs sind. Endlich hat Herr Dr. Suringar, Rector des Gymnasiums zu Leiden, die so gut wie vergessene Glandorp'sche Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's entdeckt und in beiden Sammlungen neu herausgegeben. Welcher Werth auf die Auffindung und Herausgabe dieser so lange verborgenen Schrift gelegt wird, beweisen die Aeusserungen solcher Männer, die zur Zeit wol mit die genaueste Kenntniss der sprichwörtlichen Literatur besitzen, wie der Herren Dr. J. Franck, Oberlehrer Dr. Fr. Latendorf in Schwerin und Kreisgerichtsdirector Ottow, früher in Landeshut, jetzt zu Hirschberg in Schlesien. Der letztere schrieb an Herrn Dr. Suringar: „Ihre Mittheilung über Agricola hat mich überrascht. Nirgend habe ich von der lateinischen Uebertragung eine Spur gefunden.“ Und Herr Rector Dr. Franck (früher Anweiler, jetzt Edenkoben): „Was Ihre Mittheilung über die Entdeckung einer lateinischen Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's betrifft, so haben Sie mir dadurch in der That eine grosse Ueberraschung bereitet. Ich darf wol sagen, dass ich in der proverbialen Literatur und zumal in der der frühern Jahrhunderte und allem, was mit dieser zusammenhängt, nicht ganz unerfahren bin; dennoch ist mir bisjetzt auch nicht die leiseste Andeutung einer Uebersetzung seiner Sprichwörter in das Lateinische begegnet. Ich gratulire Ihnen aus vollem Herzen zu dieser Entdeckung, die, wie Sie das versichert sein dürfen, mit verdientem Dank aufgenommen werden wird.“

Auch in vielen Zeitschriften haben die Sprichwörter Beachtung gefunden, und ich habe die mir bekannt gewordenen mit ihren Beiträgen genannt. Indess könnte auf diesem Felde offenbar mehr geschehen, wenn es überall Männer gäbe, welche die „Volksweisheit auf der Gasse“ sammelten und einer geeigneten Zeitschrift zum Abdruck übergäben. Es findet sich auch nicht überall ein Mann, der so viel Theilnahme für die Sache besitzt, mir ein Blatt, das sprichwörtliches Material bietet, zu übersenden; und so geht mancher Spruch, manche Redensart, die unsern vaterländischen Spruchschatz bereichern könnte, verloren.

Wenn einzelne Zeitschriften Sprichwörter über einen bestimmten Gegenstand zusammenstellen, um ihre Leser mit dem Reichthum volkstümlicher Anschauungen bekannt zu machen, so ist dies anzuerkennen; aber sie sollten dann wenigstens die Quelle angeben, aus der sie geschöpft haben. Es ist jetzt sehr leicht einen Artikel zu schreiben: Gott, der Mensch, der Mann, die Frau, der Hund, das Schaf u. s. w. im Sprichwort, man darf blos das geordnete Material aus dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entlehnen; allein jeder dieser Artikel ist bei mir das Ergebniss einer dreissig- bis vierzigjährigen Arbeit.

Zu desto wärmerm Dank fühle ich mich denen verpflichtet, die mich bisher in der einen oder andern Weise unterstützt haben, und deren Namen ich, wie früher, auf besonderm Blatte genannt habe.

Unbemerkt darf ich nicht lassen, dass in der Regel da, wo ein Sprichwörter-Lexikon Boden gefunden hat, auch die Theilnahme für diesen Zweig der Literatur gewonnen hat. Es scheint auch, dass das Bedürfniss, den nationalen Sprichwörterschatz in Einem Werke zu sammeln, allmählich bei einem Volke nach dem andern erwacht. Augenblicklich tritt es bei den germanischen Volksstämmen hervor. Den holländischen Sprichwörterschatz hat Harrebomée in drei Bänden zusammengedrängt, während Dr. Suringar die wissenschaftlichen Quellen pflegt und bearbeitet. In Schweden hat Herr Pastor Strömbäck

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[VI/0004] Unter den Schriften, die das Quellenverzeichniss dieses Bandes nachweist, befinden sich wieder einige, die als eine besondere Bereicherung der Sprichwörterliteratur bezeichnet werden müssen. Der alphabetischen Ordnung folgend, begegnen wir zuerst der soeben erschienenen zweiten Sammlung Preussischer Sprichwörter von H. Frischbier, der zu den wenigen aus den hunderttausend deutschen Lehrern gehört, welche, als ich in den fünfziger Jahren bat, die Sprichwörter aus dem Volksmunde zu sammeln, meiner Bitte entgegenkamen. Schon im Jahre 1864 konnte Herr Frischbier seine Sammlung (1142) Preussische Sprichwörter zur Bereicherung der deutschen Sprichwörterliteratur in Königsberg herausgeben, die 1865 in zweiter Auflage, bis auf 4386 vermehrt, in Berlin erschien. Seitdem hat er, unterstützt von seinen Amtsgenossen in der Provinz, seinen Sammeleifer fortgesetzt, und zu jener ersten Sammlung jetzt eine zweite, mit abermals 3196 Sprichwörtern und Redensarten, gefügt. Die Frage liegt nahe: wie viel müsste unser Sprichwörterschatz gewonnen haben, wenn in jeder deutschen Provinz Aehnliches geschehen wäre? Mit Latendorf III ist auf die neueste verdienstvolle Arbeit des Herrn Dr. Fr. Latendorf verwiesen, in welcher er den Nachweis geführt hat, dass die im Jahre 1532 namenlos erschienene Sprichwörtersammlung Seb. Franck zum Verfasser hat. Diese Arbeit, die Jahre in Anspruch genommen hat, ist durch ihre Vergleichungen mit Agricola, durch ihre Tabellen, Register u. s. w. für die Literatur von grossem Werthe und zeigt von einer seltenen Ausdauer auf dem Boden wissenschaftlicher Prüfung und Untersuchung. Die längst erwartete und zum Bedürfniss gewordene Quellenkunde des Sprichworts, an der Herr Dr. J. Franck seit langen Jahren gearbeitet hat und deren Erscheinen ich schon in der Vorrede zum zweiten Bande andeutete, ist leider noch nicht in unsern Händen. Dagegen schliessen sich zwei in Holland erschienene, die Sprichwörterliteratur bereichernde Schriften an die beiden obigen deutschen an. Durch die eine gewinnt Herr Dr. Laurillard den von einer gelehrten Gesellschaft ausgesetzten Preis für die beste Arbeit über den Nachweis der im Volke vorhandenen Sprichwörter und Redensarten, die biblischen Ursprungs sind. Endlich hat Herr Dr. Suringar, Rector des Gymnasiums zu Leiden, die so gut wie vergessene Glandorp'sche Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's entdeckt und in beiden Sammlungen neu herausgegeben. Welcher Werth auf die Auffindung und Herausgabe dieser so lange verborgenen Schrift gelegt wird, beweisen die Aeusserungen solcher Männer, die zur Zeit wol mit die genaueste Kenntniss der sprichwörtlichen Literatur besitzen, wie der Herren Dr. J. Franck, Oberlehrer Dr. Fr. Latendorf in Schwerin und Kreisgerichtsdirector Ottow, früher in Landeshut, jetzt zu Hirschberg in Schlesien. Der letztere schrieb an Herrn Dr. Suringar: „Ihre Mittheilung über Agricola hat mich überrascht. Nirgend habe ich von der lateinischen Uebertragung eine Spur gefunden.“ Und Herr Rector Dr. Franck (früher Anweiler, jetzt Edenkoben): „Was Ihre Mittheilung über die Entdeckung einer lateinischen Uebersetzung der Sprichwörter Agricola's betrifft, so haben Sie mir dadurch in der That eine grosse Ueberraschung bereitet. Ich darf wol sagen, dass ich in der proverbialen Literatur und zumal in der der frühern Jahrhunderte und allem, was mit dieser zusammenhängt, nicht ganz unerfahren bin; dennoch ist mir bisjetzt auch nicht die leiseste Andeutung einer Uebersetzung seiner Sprichwörter in das Lateinische begegnet. Ich gratulire Ihnen aus vollem Herzen zu dieser Entdeckung, die, wie Sie das versichert sein dürfen, mit verdientem Dank aufgenommen werden wird.“ Auch in vielen Zeitschriften haben die Sprichwörter Beachtung gefunden, und ich habe die mir bekannt gewordenen mit ihren Beiträgen genannt. Indess könnte auf diesem Felde offenbar mehr geschehen, wenn es überall Männer gäbe, welche die „Volksweisheit auf der Gasse“ sammelten und einer geeigneten Zeitschrift zum Abdruck übergäben. Es findet sich auch nicht überall ein Mann, der so viel Theilnahme für die Sache besitzt, mir ein Blatt, das sprichwörtliches Material bietet, zu übersenden; und so geht mancher Spruch, manche Redensart, die unsern vaterländischen Spruchschatz bereichern könnte, verloren. Wenn einzelne Zeitschriften Sprichwörter über einen bestimmten Gegenstand zusammenstellen, um ihre Leser mit dem Reichthum volkstümlicher Anschauungen bekannt zu machen, so ist dies anzuerkennen; aber sie sollten dann wenigstens die Quelle angeben, aus der sie geschöpft haben. Es ist jetzt sehr leicht einen Artikel zu schreiben: Gott, der Mensch, der Mann, die Frau, der Hund, das Schaf u. s. w. im Sprichwort, man darf blos das geordnete Material aus dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entlehnen; allein jeder dieser Artikel ist bei mir das Ergebniss einer dreissig- bis vierzigjährigen Arbeit. Zu desto wärmerm Dank fühle ich mich denen verpflichtet, die mich bisher in der einen oder andern Weise unterstützt haben, und deren Namen ich, wie früher, auf besonderm Blatte genannt habe. Unbemerkt darf ich nicht lassen, dass in der Regel da, wo ein Sprichwörter-Lexikon Boden gefunden hat, auch die Theilnahme für diesen Zweig der Literatur gewonnen hat. Es scheint auch, dass das Bedürfniss, den nationalen Sprichwörterschatz in Einem Werke zu sammeln, allmählich bei einem Volke nach dem andern erwacht. Augenblicklich tritt es bei den germanischen Volksstämmen hervor. Den holländischen Sprichwörterschatz hat Harrebomée in drei Bänden zusammengedrängt, während Dr. Suringar die wissenschaftlichen Quellen pflegt und bearbeitet. In Schweden hat Herr Pastor Strömbäck

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/4>, abgerufen am 26.04.2024.