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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
seiner Gestaltung zuläßt, er daher Gelegenheit giebt, den lichten
Raum unter dem Gewölbe je nach Erforderniß zu vergrößern, was
bei anderen Curven, die nach bestimmten geometrischen Gesetzen er-
zeugt sind, nicht der Fall ist.

Uebrigens besitzt die Ellipse diese Biegsamkeit in noch höherem
Grade als der Korbbogen, und wird ihre Verwendung bei großen
Spannweiten, bei welchen die Mittelpunkte für die Korbbögen zu weit
entfernt liegen, den Vorzug verdienen. Bemerkt soll aber noch werden,
daß Tonnengewölbe aus Werksteinen niemals nach einer Ellipse con-
struirt werden dürfen.

Bildet die Wölbungslinie einen sogenannten Spitzbogen, so heißt
das Gewölbe ein spitzbogiges Tonnengewölbe. Ferner ge-
hören die steigenden Tonnengewölbe noch hierher, und man unter-

[Abbildung] Fig. 264.
[Abbildung] Fig. 265
scheidet das aufsteigende Tonnengewölbe mit horizontalem
Gewölbescheitel
(auch einhüftiges genannt) und das steigende
Tonnengewölbe
mit steigendem Gewölbescheitel und Axe
(Fig. 264). Die Kämpferlinien steigen hier parallel mit der Gewölbe-
axe; dieses Gewölbe findet aber nur bei Ueberdeckung und Unter-
stützung der Treppen Anwendung. Alle bisher betrachteten Gewölbe
heißen gerade Gewölbe, weil die Horizontalprojection der Stirnen
derselben senkrecht zur Gewölbeaxe stehen.

Ist dies nicht der Fall, so heißen dieselben schiefe Gewölbe
(Fig. 265). Diese kommen eigentlich nur beim Brückenbau vor, wo man
sie aber, ihrer schwierigen Herstellung wegen, möglichst selten anordnet.
Die bisher erwähnten Tonnengewölbe sind die wichtigsten mit horizon-
taler
und geneigter Axe; es giebt aber auch Tonnengewölbe mit

Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſeiner Geſtaltung zuläßt, er daher Gelegenheit giebt, den lichten
Raum unter dem Gewölbe je nach Erforderniß zu vergrößern, was
bei anderen Curven, die nach beſtimmten geometriſchen Geſetzen er-
zeugt ſind, nicht der Fall iſt.

Uebrigens beſitzt die Ellipſe dieſe Biegſamkeit in noch höherem
Grade als der Korbbogen, und wird ihre Verwendung bei großen
Spannweiten, bei welchen die Mittelpunkte für die Korbbögen zu weit
entfernt liegen, den Vorzug verdienen. Bemerkt ſoll aber noch werden,
daß Tonnengewölbe aus Werkſteinen niemals nach einer Ellipſe con-
ſtruirt werden dürfen.

Bildet die Wölbungslinie einen ſogenannten Spitzbogen, ſo heißt
das Gewölbe ein ſpitzbogiges Tonnengewölbe. Ferner ge-
hören die ſteigenden Tonnengewölbe noch hierher, und man unter-

[Abbildung] Fig. 264.
[Abbildung] Fig. 265
ſcheidet das aufſteigende Tonnengewölbe mit horizontalem
Gewölbeſcheitel
(auch einhüftiges genannt) und das ſteigende
Tonnengewölbe
mit ſteigendem Gewölbeſcheitel und Axe
(Fig. 264). Die Kämpferlinien ſteigen hier parallel mit der Gewölbe-
axe; dieſes Gewölbe findet aber nur bei Ueberdeckung und Unter-
ſtützung der Treppen Anwendung. Alle bisher betrachteten Gewölbe
heißen gerade Gewölbe, weil die Horizontalprojection der Stirnen
derſelben ſenkrecht zur Gewölbeaxe ſtehen.

Iſt dies nicht der Fall, ſo heißen dieſelben ſchiefe Gewölbe
(Fig. 265). Dieſe kommen eigentlich nur beim Brückenbau vor, wo man
ſie aber, ihrer ſchwierigen Herſtellung wegen, möglichſt ſelten anordnet.
Die bisher erwähnten Tonnengewölbe ſind die wichtigſten mit horizon-
taler
und geneigter Axe; es giebt aber auch Tonnengewölbe mit

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[256/0272] Zweites Kapitel. Die Gewölbe. ſeiner Geſtaltung zuläßt, er daher Gelegenheit giebt, den lichten Raum unter dem Gewölbe je nach Erforderniß zu vergrößern, was bei anderen Curven, die nach beſtimmten geometriſchen Geſetzen er- zeugt ſind, nicht der Fall iſt. Uebrigens beſitzt die Ellipſe dieſe Biegſamkeit in noch höherem Grade als der Korbbogen, und wird ihre Verwendung bei großen Spannweiten, bei welchen die Mittelpunkte für die Korbbögen zu weit entfernt liegen, den Vorzug verdienen. Bemerkt ſoll aber noch werden, daß Tonnengewölbe aus Werkſteinen niemals nach einer Ellipſe con- ſtruirt werden dürfen. Bildet die Wölbungslinie einen ſogenannten Spitzbogen, ſo heißt das Gewölbe ein ſpitzbogiges Tonnengewölbe. Ferner ge- hören die ſteigenden Tonnengewölbe noch hierher, und man unter- [Abbildung Fig. 264.] [Abbildung Fig. 265] ſcheidet das aufſteigende Tonnengewölbe mit horizontalem Gewölbeſcheitel (auch einhüftiges genannt) und das ſteigende Tonnengewölbe mit ſteigendem Gewölbeſcheitel und Axe (Fig. 264). Die Kämpferlinien ſteigen hier parallel mit der Gewölbe- axe; dieſes Gewölbe findet aber nur bei Ueberdeckung und Unter- ſtützung der Treppen Anwendung. Alle bisher betrachteten Gewölbe heißen gerade Gewölbe, weil die Horizontalprojection der Stirnen derſelben ſenkrecht zur Gewölbeaxe ſtehen. Iſt dies nicht der Fall, ſo heißen dieſelben ſchiefe Gewölbe (Fig. 265). Dieſe kommen eigentlich nur beim Brückenbau vor, wo man ſie aber, ihrer ſchwierigen Herſtellung wegen, möglichſt ſelten anordnet. Die bisher erwähnten Tonnengewölbe ſind die wichtigſten mit horizon- taler und geneigter Axe; es giebt aber auch Tonnengewölbe mit

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/272>, abgerufen am 26.04.2024.