Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce teipsum. Erkenne dich selbst. Neustadt, 1615.

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Eingang dieses Trattätleins.

Wer diß lernet/ der vbet recht das gnothi seauton,
das ist die Erkentnuß sein selbst/ wiewol das gnothi
seauton, das ist die Erkentnuß sein selbst/ dem Engel im
Himmel vnd dem Adam im Paradeiß eine gelegenheit/
vnd Vrsach gewesen ist/ daß sie beyde außgetrieben/ vnd
von Gott verstossen seyn worden/ so hat doch dargegen
eben die Erkendtnuß sein selbst/ widerumb den Adam
zu Gott geleytet/ durch die vorlauffende Gnade. Dann
so bald sich Adam selber erkante/ was er war/ seine Wür-
de/ seine Weißheit/ vnd Vermögen/ Da fiel er durch be-
trug der Schlangen/ von Gott abe/ vnd liebete sich sel-
ber mehr/ dann Gott/ verwundert sich vber sich selber/
daß er auch were wie Gott: Aber hiermit wurde er ge-
fellet/ vnnd wie er nun seines Jammers vnd Elendes in-
nen ward/ vnd sich abermal selber erkandte/ daß er ge-
sündiget hatte/ vnnd also in die Verdamnuß gerathen/
thet er ernstliche Busse/ starb jhm selber ab/ fiel wider
von jhm selber/ vnd kehrete sich zu GOtt/ also ward er
durch die Gnade wider zu Gott bracht/ Dann deß Wei-
bes Same/ fand statt vnd raum jhme/ vnnd macht jhn
widerumb lebendig/ Also ist die Erkendtnuß sein selbst
schädlich vnd böß/ Wann man sich dardurch erhebet/
vnd sich deß wissens vnd erkennens anmasset/ als were er
sein eygen/ als vermöcht er alles von sich selber one Gott/
daher saget Paulus/ die sich düncken lassen/ sie wissen et-
was/ dieselben wissen doch nicht/ wie sie wissen sollen/ die

Erkent-

Eingang dieſes Trattaͤtleins.

Wer diß lernet/ der vbet recht das gnothi ſeauton,
das iſt die Erkentnuß ſein ſelbſt/ wiewol das gnothi
ſeauton, das iſt die Erkentnuß ſein ſelbſt/ dem Engel im
Himmel vnd dem Adam im Paradeiß eine gelegenheit/
vnd Vrſach geweſen iſt/ daß ſie beyde außgetrieben/ vnd
von Gott verſtoſſen ſeyn worden/ ſo hat doch dargegen
eben die Erkendtnuß ſein ſelbſt/ widerumb den Adam
zu Gott geleytet/ durch die vorlauffende Gnade. Dann
ſo bald ſich Adam ſelber erkante/ was er war/ ſeine Wuͤr-
de/ ſeine Weißheit/ vnd Vermoͤgen/ Da fiel er durch be-
trug der Schlangen/ von Gott abe/ vnd liebete ſich ſel-
ber mehr/ dann Gott/ verwundert ſich vber ſich ſelber/
daß er auch were wie Gott: Aber hiermit wurde er ge-
fellet/ vnnd wie er nun ſeines Jammers vnd Elendes in-
nen ward/ vnd ſich abermal ſelber erkandte/ daß er ge-
ſuͤndiget hatte/ vnnd alſo in die Verdamnuß gerathen/
thet er ernſtliche Buſſe/ ſtarb jhm ſelber ab/ fiel wider
von jhm ſelber/ vnd kehrete ſich zu GOtt/ alſo ward er
durch die Gnade wider zu Gott bracht/ Dann deß Wei-
bes Same/ fand ſtatt vnd raum jhme/ vnnd macht jhn
widerumb lebendig/ Alſo iſt die Erkendtnuß ſein ſelbſt
ſchaͤdlich vnd boͤß/ Wann man ſich dardurch erhebet/
vnd ſich deß wiſſens vnd erkennens anmaſſet/ als were er
ſein eygen/ als veꝛmoͤcht er alles von ſich ſelber one Gott/
daher ſaget Paulus/ die ſich duͤncken laſſen/ ſie wiſſen et-
was/ dieſelben wiſſen doch nicht/ wie ſie wiſſen ſollen/ die

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[4/0004] Eingang dieſes Trattaͤtleins. Wer diß lernet/ der vbet recht das gnothi ſeauton, das iſt die Erkentnuß ſein ſelbſt/ wiewol das gnothi ſeauton, das iſt die Erkentnuß ſein ſelbſt/ dem Engel im Himmel vnd dem Adam im Paradeiß eine gelegenheit/ vnd Vrſach geweſen iſt/ daß ſie beyde außgetrieben/ vnd von Gott verſtoſſen ſeyn worden/ ſo hat doch dargegen eben die Erkendtnuß ſein ſelbſt/ widerumb den Adam zu Gott geleytet/ durch die vorlauffende Gnade. Dann ſo bald ſich Adam ſelber erkante/ was er war/ ſeine Wuͤr- de/ ſeine Weißheit/ vnd Vermoͤgen/ Da fiel er durch be- trug der Schlangen/ von Gott abe/ vnd liebete ſich ſel- ber mehr/ dann Gott/ verwundert ſich vber ſich ſelber/ daß er auch were wie Gott: Aber hiermit wurde er ge- fellet/ vnnd wie er nun ſeines Jammers vnd Elendes in- nen ward/ vnd ſich abermal ſelber erkandte/ daß er ge- ſuͤndiget hatte/ vnnd alſo in die Verdamnuß gerathen/ thet er ernſtliche Buſſe/ ſtarb jhm ſelber ab/ fiel wider von jhm ſelber/ vnd kehrete ſich zu GOtt/ alſo ward er durch die Gnade wider zu Gott bracht/ Dann deß Wei- bes Same/ fand ſtatt vnd raum jhme/ vnnd macht jhn widerumb lebendig/ Alſo iſt die Erkendtnuß ſein ſelbſt ſchaͤdlich vnd boͤß/ Wann man ſich dardurch erhebet/ vnd ſich deß wiſſens vnd erkennens anmaſſet/ als were er ſein eygen/ als veꝛmoͤcht er alles von ſich ſelber one Gott/ daher ſaget Paulus/ die ſich duͤncken laſſen/ ſie wiſſen et- was/ dieſelben wiſſen doch nicht/ wie ſie wiſſen ſollen/ die Erkent-

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Zitationshilfe:	Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce teipsum. Erkenne dich selbst. Neustadt, 1615, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi_1615/4>, abgerufen am 26.04.2024.

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