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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Schöne Grausame/ deswegen heist sie
grausam/ weil sie aus seinen confusen Schrei-
ben nicht errathen kan/ was der Narr haben
will: Es wundert mich/ daß er nicht geschrie-
ben: schönes Ungethüm oder schöne Bestie.

Nach dem ich in dem Spittal einer
ungewissen Hoffnung kranck liege/ und
die Schmertzen der Verzweiffelung alle
Tage zunehmen/ wird es umb mich ge-
schehen seyn/ wo ich das Pflaster ihrer
Gunst und ungefärbten Liebe nicht
umb meine lächzende und durstige
Seele schlagen darff.
Hans spann an
und führe den Kerl in den Narren-Spittal.
Sind das nicht Worte/ und wird die ange-
fangene allegorie nicht schön außgeführt?
Denn eben darumb wird ein Pflaster auffge-
legt/ daß man den Durst vertreiben will. O
du elender Brieffsteller! wie viel Ursachen
hast du zu verzweifeln? Es geht fast wie beym
Poeten steht:

Jch weiß nicht was ich will/ ich will nicht
was ich weiß
Jm Sommer ist mir kalt/ im Winter ist
mir heiß.

Denn was hast du zu hoffen/ was wilst du ver-
zweifeln/ und was soll dich die eitele Einbil-

dung

Schöne Grauſame/ deswegen heiſt ſie
grauſam/ weil ſie aus ſeinen confuſen Schrei-
ben nicht errathen kan/ was der Narr haben
will: Es wundert mich/ daß er nicht geſchrie-
ben: ſchoͤnes Ungethuͤm oder ſchoͤne Beſtie.

Nach dem ich in dem Spittal einer
ungewiſſen Hoffnung kranck liege/ und
die Schmertzen der Verzweiffelung alle
Tage zunehmen/ wird es umb mich ge-
ſchehen ſeyn/ wo ich das Pflaſter ihrer
Gunſt und ungefaͤrbten Liebe nicht
umb meine laͤchzende und durſtige
Seele ſchlagen darff.
Hans ſpann an
und fuͤhre den Kerl in den Narren-Spittal.
Sind das nicht Worte/ und wird die ange-
fangene allegorie nicht ſchoͤn außgefuͤhrt?
Denn eben darumb wird ein Pflaſter auffge-
legt/ daß man den Durſt vertreiben will. O
du elender Brieffſteller! wie viel Urſachen
haſt du zu verzweifeln? Es geht faſt wie beym
Poeten ſteht:

Jch weiß nicht was ich will/ ich will nicht
was ich weiß
Jm Sommer iſt mir kalt/ im Winter iſt
mir heiß.

Deñ was haſt du zu hoffen/ was wilſt du ver-
zweifeln/ und was ſoll dich die eitele Einbil-

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[102/0108] Schöne Grauſame/ deswegen heiſt ſie grauſam/ weil ſie aus ſeinen confuſen Schrei- ben nicht errathen kan/ was der Narr haben will: Es wundert mich/ daß er nicht geſchrie- ben: ſchoͤnes Ungethuͤm oder ſchoͤne Beſtie. Nach dem ich in dem Spittal einer ungewiſſen Hoffnung kranck liege/ und die Schmertzen der Verzweiffelung alle Tage zunehmen/ wird es umb mich ge- ſchehen ſeyn/ wo ich das Pflaſter ihrer Gunſt und ungefaͤrbten Liebe nicht umb meine laͤchzende und durſtige Seele ſchlagen darff. Hans ſpann an und fuͤhre den Kerl in den Narren-Spittal. Sind das nicht Worte/ und wird die ange- fangene allegorie nicht ſchoͤn außgefuͤhrt? Denn eben darumb wird ein Pflaſter auffge- legt/ daß man den Durſt vertreiben will. O du elender Brieffſteller! wie viel Urſachen haſt du zu verzweifeln? Es geht faſt wie beym Poeten ſteht: Jch weiß nicht was ich will/ ich will nicht was ich weiß Jm Sommer iſt mir kalt/ im Winter iſt mir heiß. Deñ was haſt du zu hoffen/ was wilſt du ver- zweifeln/ und was ſoll dich die eitele Einbil- dung

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/108>, abgerufen am 26.04.2024.