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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Himmel mit gefaltenen Händen dancken/ daß
nunmehr etliche vornehme Männer mit unbe-
schreiblich grosser Müh / der Teutschen Hel-
den-Sprache zu der alten Reinligkeit geholf-
sen: So müssen die stattlichen Leute vor die
saure Arbeit nichts als Spott und Verach-
tung einnehmen. Doch stellt man den end-
lichen Außschlag der grauen Ewigkeit anheim.
Meynt mein Herr/ also redte er weiter/ daß ich
verwirrt schreibe? Ach nein/ er sehe nur die
neuen Bücher an/ und bedencke/ was vor ein
Unterscheid zwischen schlecht Teutsch und
Hochteutsch ist. Er schlage nur die Schriff-
ten vieler Weltberühmten Poeten auf/ und er-
wege/ was sie vor Fleiß gethan/ die unreinen
Wörter auß der Helden-Sprache außzumu-
stern/ und hingegen schöne/ reine und natürli-
che an die Stelle zu schaffen. Was soll ich
den Lateinern die Ehre gönnen/ daß ich ihnen
zugefallen sogen soll Fenster: Jch mache lie-
ber ein Teutsch Wort Tageleuchter. Und
fragtiemand/ was ein Fenster in der Nacht
heist/ so sag ich/ ebensowohl Tageleuchter/ wie-
ein Nachtkleid in dem Tage auch ein Nacht-
kleid/ und die Sonntagshosen in der Woche
auch Sontagshosen heissen. So ist es mit
den andern Wörtern auch beschaffen. Wun-

dert


Himmel mit gefaltenen Haͤnden dancken/ daß
nunmehr etliche vornehme Maͤnner mit unbe-
ſchreiblich groſſer Muͤh / der Teutſchen Hel-
den-Sprache zu der alten Reinligkeit geholf-
ſen: So muͤſſen die ſtattlichen Leute vor die
ſaure Arbeit nichts als Spott und Verach-
tung einnehmen. Doch ſtellt man den end-
lichen Außſchlag der grauen Ewigkeit anheim.
Meynt mein Herr/ alſo redte er weiter/ daß ich
verwirrt ſchreibe? Ach nein/ er ſehe nur die
neuen Buͤcher an/ und bedencke/ was vor ein
Unterſcheid zwiſchen ſchlecht Teutſch und
Hochteutſch iſt. Er ſchlage nur die Schriff-
ten vieler Weltberuͤhmten Poeten auf/ und er-
wege/ was ſie vor Fleiß gethan/ die unreinen
Woͤrter auß der Helden-Sprache außzumu-
ſtern/ und hingegen ſchoͤne/ reine und natuͤrli-
che an die Stelle zu ſchaffen. Was ſoll ich
den Lateinern die Ehre goͤnnen/ daß ich ihnen
zugefallen ſogen ſoll Fenſter: Jch mache lie-
ber ein Teutſch Wort Tageleuchter. Und
fragtiemand/ was ein Fenſter in der Nacht
heiſt/ ſo ſag ich/ ebenſowohl Tageleuchter/ wie-
ein Nachtkleid in dem Tage auch ein Nacht-
kleid/ und die Sonntagshoſen in der Woche
auch Sontagshoſen heiſſen. So iſt es mit
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dert
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[116/0122] Himmel mit gefaltenen Haͤnden dancken/ daß nunmehr etliche vornehme Maͤnner mit unbe- ſchreiblich groſſer Muͤh / der Teutſchen Hel- den-Sprache zu der alten Reinligkeit geholf- ſen: So muͤſſen die ſtattlichen Leute vor die ſaure Arbeit nichts als Spott und Verach- tung einnehmen. Doch ſtellt man den end- lichen Außſchlag der grauen Ewigkeit anheim. Meynt mein Herr/ alſo redte er weiter/ daß ich verwirrt ſchreibe? Ach nein/ er ſehe nur die neuen Buͤcher an/ und bedencke/ was vor ein Unterſcheid zwiſchen ſchlecht Teutſch und Hochteutſch iſt. Er ſchlage nur die Schriff- ten vieler Weltberuͤhmten Poeten auf/ und er- wege/ was ſie vor Fleiß gethan/ die unreinen Woͤrter auß der Helden-Sprache außzumu- ſtern/ und hingegen ſchoͤne/ reine und natuͤrli- che an die Stelle zu ſchaffen. Was ſoll ich den Lateinern die Ehre goͤnnen/ daß ich ihnen zugefallen ſogen ſoll Fenſter: Jch mache lie- ber ein Teutſch Wort Tageleuchter. Und fragtiemand/ was ein Fenſter in der Nacht heiſt/ ſo ſag ich/ ebenſowohl Tageleuchter/ wie- ein Nachtkleid in dem Tage auch ein Nacht- kleid/ und die Sonntagshoſen in der Woche auch Sontagshoſen heiſſen. So iſt es mit den andern Woͤrtern auch beſchaffen. Wun- dert

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/122>, abgerufen am 26.04.2024.