Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Du bist von Knochen nur und bleibest allzeit
mager.
Weßwegen frist du denn die Menschen so
dahin?
Hier stirbt ein grosser Mann/ ist dieses denn
dein rechter?
Bewegt dich nicht der Tugendhaffte Sinn?
Hörst du nicht unsre Klagen?
Ach nein du kanst es auß dem Sinne schla-
gen/
Du grausams Ebenbild/ du gifftigs Wun-
derthier/
Du Basiliske du/ du Stadt und-Land-Ver-
derber/
Das Tiger oder doch du Tiger Kind.
Du bist mit deiner Sichel blind/ etc.

Gelanor hatte grosse Gedult/ daß er es im
Lesen noch so weit gebracht. Doch weiter
mochte er die Nießwurtzel nicht in sich fressen/
sondern warff das Papier in das Fenster/ und
sagte/ es bleibt darbey/ der Kerle ist ein Narr/
und wenn sonst kein Poete ein Narr mehr
wäre. Was hat der übersüchtige Sause-
wind auf den Tod zu lästern? Der Tod ist
GOttes Ordnung/ der läst die Menschen
sterben/ und setzt uns ein Ziel/ welches nie-
mand überschreiten kan. Daß die Heidni-

schen
M vij

Du biſt von Knochen nur und bleibeſt allzeit
mager.
Weßwegen friſt du denn die Menſchen ſo
dahin?
Hier ſtirbt ein groſſer Mann/ iſt dieſes denn
dein rechter?
Bewegt dich nicht der Tugendhaffte Sinn?
Hoͤrſt du nicht unſre Klagen?
Ach nein du kanſt es auß dem Sinne ſchla-
gen/
Du grauſams Ebenbild/ du gifftigs Wun-
derthier/
Du Baſiliske du/ du Stadt und-Land-Ver-
derber/
Das Tiger oder doch du Tiger Kind.
Du biſt mit deiner Sichel blind/ ꝛc.

Gelanor hatte groſſe Gedult/ daß er es im
Leſen noch ſo weit gebracht. Doch weiter
mochte er die Nießwurtzel nicht in ſich freſſen/
ſondern warff das Papier in das Fenſter/ und
ſagte/ es bleibt darbey/ der Kerle iſt ein Narr/
und wenn ſonſt kein Poete ein Narr mehr
waͤre. Was hat der uͤberſuͤchtige Sauſe-
wind auf den Tod zu laͤſtern? Der Tod iſt
GOttes Ordnung/ der laͤſt die Menſchen
ſterben/ und ſetzt uns ein Ziel/ welches nie-
mand uͤberſchreiten kan. Daß die Heidni-

ſchen
M vij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <l>
            <pb facs="#f0283" n="277"/>
          </l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t von Knochen nur und bleibe&#x017F;t allzeit</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">mager.</hi> </l><lb/>
          <l>Weßwegen fri&#x017F;t du denn die Men&#x017F;chen &#x017F;o</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dahin?</hi> </l><lb/>
          <l>Hier &#x017F;tirbt ein gro&#x017F;&#x017F;er Mann/ i&#x017F;t die&#x017F;es denn</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dein rechter?</hi> </l><lb/>
          <l>Bewegt dich nicht der Tugendhaffte Sinn?</l><lb/>
          <l>Ho&#x0364;r&#x017F;t du nicht un&#x017F;re Klagen?</l><lb/>
          <l>Ach nein du kan&#x017F;t es auß dem Sinne &#x017F;chla-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gen/</hi> </l><lb/>
          <l>Du grau&#x017F;ams Ebenbild/ du gifftigs Wun-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">derthier/</hi> </l><lb/>
          <l>Du Ba&#x017F;iliske du/ du Stadt und-Land-Ver-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">derber/</hi> </l><lb/>
          <l>Das Tiger oder doch du Tiger Kind.</l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t mit deiner Sichel blind/ &#xA75B;c.</l>
        </lg><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Gelanor</hi> hatte gro&#x017F;&#x017F;e Gedult/ daß er es im<lb/>
Le&#x017F;en noch &#x017F;o weit gebracht. Doch weiter<lb/>
mochte er die Nießwurtzel nicht in &#x017F;ich fre&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;ondern warff das Papier in das Fen&#x017F;ter/ und<lb/>
&#x017F;agte/ es bleibt darbey/ der Kerle i&#x017F;t ein Narr/<lb/>
und wenn &#x017F;on&#x017F;t kein Poete ein Narr mehr<lb/>
wa&#x0364;re. Was hat der u&#x0364;ber&#x017F;u&#x0364;chtige Sau&#x017F;e-<lb/>
wind auf den Tod zu la&#x0364;&#x017F;tern? Der Tod i&#x017F;t<lb/>
GOttes Ordnung/ der la&#x0364;&#x017F;t die Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;terben/ und &#x017F;etzt uns ein Ziel/ welches nie-<lb/>
mand u&#x0364;ber&#x017F;chreiten kan. Daß die Heidni-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M vij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0283] Du biſt von Knochen nur und bleibeſt allzeit mager. Weßwegen friſt du denn die Menſchen ſo dahin? Hier ſtirbt ein groſſer Mann/ iſt dieſes denn dein rechter? Bewegt dich nicht der Tugendhaffte Sinn? Hoͤrſt du nicht unſre Klagen? Ach nein du kanſt es auß dem Sinne ſchla- gen/ Du grauſams Ebenbild/ du gifftigs Wun- derthier/ Du Baſiliske du/ du Stadt und-Land-Ver- derber/ Das Tiger oder doch du Tiger Kind. Du biſt mit deiner Sichel blind/ ꝛc. Gelanor hatte groſſe Gedult/ daß er es im Leſen noch ſo weit gebracht. Doch weiter mochte er die Nießwurtzel nicht in ſich freſſen/ ſondern warff das Papier in das Fenſter/ und ſagte/ es bleibt darbey/ der Kerle iſt ein Narr/ und wenn ſonſt kein Poete ein Narr mehr waͤre. Was hat der uͤberſuͤchtige Sauſe- wind auf den Tod zu laͤſtern? Der Tod iſt GOttes Ordnung/ der laͤſt die Menſchen ſterben/ und ſetzt uns ein Ziel/ welches nie- mand uͤberſchreiten kan. Daß die Heidni- ſchen M vij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/283
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/283>, abgerufen am 26.04.2024.