Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


der wenn ich einen bösen Nachbarn hätte/
der mir sein Vieh auf die jungen Bäumgen
triebe/ und liesse mir die Lobden wegfressen/
so solte ich wohl funsßig Jahr warten/ biß
ich wieder Holtz kriegte. Das solte mir der
Nachbar wohl bleiben lassen/ sagte der ander/
ich wolte ihm einen Advocaten über den
Hals führen/ daß er des Hütens vergessen
solte: oder genauer davon zu kommen/ ich wol-
te ihn pfänden/ daß er nicht einen Kälberfuß
solte zurück bekommen: was solten die Possen/
wann einer möchte dem andern zu Schaden
handthieren wie er nur selber wolte. Nein
das muß nicht seyn/ es ist noch Gerechtig-
keit im Lande/ dahin man appelliren kan. Sol-
che Worte stieß der gute Mensch aus allem Ei-
fer herfür/ und gewißlich/ wenn der Kühhirte
ihm wäre in den Wurff kommen/ er hätte sich
an ihm vergriffen. Doch war es umb einen
Trunck Bier zu thun/ damit war das ungeheu-
re Zorn-Feuer gelöscht/ und der Discurs
hatte seinen Fortgang: denn da sagte eben die-
ser: höre Bruder/ was mir einfällt/ ein Landgut
stünde dir doch am besten 'an/ ich weiß wie du
es köntest nutzbar machen. Laß eine grosse Gru-
be graben/ darein schütte allen Unflat/ der im
Hause gesamlet wird: Und sieh in etlichen Jah-

ren


der wenn ich einen boͤſen Nachbarn haͤtte/
der mir ſein Vieh auf die jungen Baͤumgen
triebe/ und lieſſe mir die Lobden wegfreſſen/
ſo ſolte ich wohl funſſzig Jahr warten/ biß
ich wieder Holtz kriegte. Das ſolte mir der
Nachbar wohl bleiben laſſen/ ſagte der ander/
ich wolte ihm einen Advocaten uͤber den
Hals fuͤhren/ daß er des Huͤtens vergeſſen
ſolte: oder genauer davon zu kommen/ ich wol-
te ihn pfaͤnden/ daß er nicht einen Kaͤlberfuß
ſolte zuruͤck bekommen: was ſolten die Poſſen/
wann einer moͤchte dem andern zu Schaden
handthieren wie er nur ſelber wolte. Nein
das muß nicht ſeyn/ es iſt noch Gerechtig-
keit im Lande/ dahin man appelliren kan. Sol-
che Worte ſtieß der gute Menſch aus allem Ei-
fer herfuͤr/ und gewißlich/ wenn der Kühhirte
ihm waͤre in den Wurff kommen/ er haͤtte ſich
an ihm vergriffen. Doch war es umb einen
Trunck Bier zu thun/ damit war das ungeheu-
re Zorn-Feuer geloͤſcht/ und der Diſcurs
hatte ſeinen Fortgang: denn da ſagte eben die-
ſer: hoͤre Bruder/ was mir einfaͤllt/ ein Landgut
ſtuͤnde dir doch am beſten ’an/ ich weiß wie du
es koͤnteſt nutzbar machen. Laß eine groſſe Gru-
be graben/ darein ſchuͤtte allen Unflat/ der im
Hauſe geſamlet wird: Und ſieh in etlichen Jah-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="92"/><lb/>
der wenn ich einen bo&#x0364;&#x017F;en Nachbarn ha&#x0364;tte/<lb/>
der mir &#x017F;ein Vieh auf die jungen Ba&#x0364;umgen<lb/>
triebe/ und lie&#x017F;&#x017F;e mir die Lobden wegfre&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;o &#x017F;olte ich wohl fun&#x017F;&#x017F;zig Jahr warten/ biß<lb/>
ich wieder Holtz kriegte. Das &#x017F;olte mir der<lb/>
Nachbar wohl bleiben la&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;agte der ander/<lb/>
ich wolte ihm einen Advocaten u&#x0364;ber den<lb/>
Hals fu&#x0364;hren/ daß er des Hu&#x0364;tens verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;olte: oder genauer davon zu kommen/ ich wol-<lb/>
te ihn pfa&#x0364;nden/ daß er nicht einen Ka&#x0364;lberfuß<lb/>
&#x017F;olte zuru&#x0364;ck bekommen: was &#x017F;olten die Po&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
wann einer mo&#x0364;chte dem andern zu Schaden<lb/>
handthieren wie er nur &#x017F;elber wolte. Nein<lb/>
das muß nicht &#x017F;eyn/ es i&#x017F;t noch Gerechtig-<lb/>
keit im Lande/ dahin man appelliren kan. Sol-<lb/>
che Worte &#x017F;tieß der gute Men&#x017F;ch aus allem Ei-<lb/>
fer herfu&#x0364;r/ und gewißlich/ wenn der Kühhirte<lb/>
ihm wa&#x0364;re in den Wurff kommen/ er ha&#x0364;tte &#x017F;ich<lb/>
an ihm vergriffen. Doch war es umb einen<lb/>
Trunck Bier zu thun/ damit war das ungeheu-<lb/>
re Zorn-Feuer gelo&#x0364;&#x017F;cht/ und der Di&#x017F;curs<lb/>
hatte &#x017F;einen Fortgang: denn da &#x017F;agte eben die-<lb/>
&#x017F;er: ho&#x0364;re Bruder/ was mir einfa&#x0364;llt/ ein Landgut<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde dir doch am be&#x017F;ten &#x2019;an/ ich weiß wie du<lb/>
es ko&#x0364;nte&#x017F;t nutzbar machen. Laß eine gro&#x017F;&#x017F;e Gru-<lb/>
be graben/ darein &#x017F;chu&#x0364;tte allen Unflat/ der im<lb/>
Hau&#x017F;e ge&#x017F;amlet wird: Und &#x017F;ieh in etlichen Jah-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] der wenn ich einen boͤſen Nachbarn haͤtte/ der mir ſein Vieh auf die jungen Baͤumgen triebe/ und lieſſe mir die Lobden wegfreſſen/ ſo ſolte ich wohl funſſzig Jahr warten/ biß ich wieder Holtz kriegte. Das ſolte mir der Nachbar wohl bleiben laſſen/ ſagte der ander/ ich wolte ihm einen Advocaten uͤber den Hals fuͤhren/ daß er des Huͤtens vergeſſen ſolte: oder genauer davon zu kommen/ ich wol- te ihn pfaͤnden/ daß er nicht einen Kaͤlberfuß ſolte zuruͤck bekommen: was ſolten die Poſſen/ wann einer moͤchte dem andern zu Schaden handthieren wie er nur ſelber wolte. Nein das muß nicht ſeyn/ es iſt noch Gerechtig- keit im Lande/ dahin man appelliren kan. Sol- che Worte ſtieß der gute Menſch aus allem Ei- fer herfuͤr/ und gewißlich/ wenn der Kühhirte ihm waͤre in den Wurff kommen/ er haͤtte ſich an ihm vergriffen. Doch war es umb einen Trunck Bier zu thun/ damit war das ungeheu- re Zorn-Feuer geloͤſcht/ und der Diſcurs hatte ſeinen Fortgang: denn da ſagte eben die- ſer: hoͤre Bruder/ was mir einfaͤllt/ ein Landgut ſtuͤnde dir doch am beſten ’an/ ich weiß wie du es koͤnteſt nutzbar machen. Laß eine groſſe Gru- be graben/ darein ſchuͤtte allen Unflat/ der im Hauſe geſamlet wird: Und ſieh in etlichen Jah- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/98
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/98>, abgerufen am 27.04.2024.