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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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plicirten Apparat, der die mitotische Kerntheilung ausführt, sind
Unregelmässigkeiten in der Ausführung möglich, in einzelnen
Fällen sogar beobachtet, und selbst die Möglichkeit einer
direkten Kerntheilung wäre nicht ganz in Abrede zu stellen.
Doch bin ich weit entfernt, diese Hypothese für eine gesicherte
zu halten und gebe sie nur als einen Versuch.

Nägeli war schon der Meinung, dass alle Abänderungen
langsam und im Laufe der Generationen sich im Idioplasma
vorbereiteten ehe sie zu Tage träten, und bezog sich dabei auch
gerade auf die Knospen-Variationen. Ich stimme dem voll-
kommen bei, und habe oben schon mehrfach gezeigt, wie solche
allmälige "Umstimmungen" des Keimplasma's oder einzelner
Theile desselben sich gewissermassen von selbst aus dem von
mir angenommenen Bau des Keimplasma's ergeben. Bei Knospen-
Variationen können diese unsichtbaren Vorbereitungen viele
Generationen weit hinter der Pflanze und Knospe zurückliegen,
an welcher die Variation zu Tage tritt, und dadurch wird es
verständlich, dass Knospen-Variation meist bei solchen Pflanzen
auftritt, die wie die Rose und Azalea auch sonst, d. h. durch
Samen, bereits variirt haben. Denn durch Amphimixis werden
abgeänderte Determinanten leichter gehäuft, und ein Keimplasma,
welches schon von den Vorfahren her abgeänderte Determi-
nanten besitzt, kann sie dann nach dem Eintritt weiterer Ab-
änderung durch den Zufall einer ungleichen Kerntheilung auch
einmal in einer Knospe zur Majorität gruppiren und dadurch
zur Geltung bringen.

Leider ist es nicht beobachtet, ob complicirte Abänderungen,
wie z. B. die Moosrose, einer Knospen-Variation ihren Ursprung
verdankt. Theoretisch wäre es durchaus denkbar, denn das
unsichtbare Vorspiel der Variation, die Abänderung gewisser
Determinanten, kann so gut nur eine einzelne Determinante,
als eine ganze Gruppe von solchen betreffen, ja selbst die Ver-

plicirten Apparat, der die mitotische Kerntheilung ausführt, sind
Unregelmässigkeiten in der Ausführung möglich, in einzelnen
Fällen sogar beobachtet, und selbst die Möglichkeit einer
direkten Kerntheilung wäre nicht ganz in Abrede zu stellen.
Doch bin ich weit entfernt, diese Hypothese für eine gesicherte
zu halten und gebe sie nur als einen Versuch.

Nägeli war schon der Meinung, dass alle Abänderungen
langsam und im Laufe der Generationen sich im Idioplasma
vorbereiteten ehe sie zu Tage träten, und bezog sich dabei auch
gerade auf die Knospen-Variationen. Ich stimme dem voll-
kommen bei, und habe oben schon mehrfach gezeigt, wie solche
allmälige „Umstimmungen“ des Keimplasma’s oder einzelner
Theile desselben sich gewissermassen von selbst aus dem von
mir angenommenen Bau des Keimplasma’s ergeben. Bei Knospen-
Variationen können diese unsichtbaren Vorbereitungen viele
Generationen weit hinter der Pflanze und Knospe zurückliegen,
an welcher die Variation zu Tage tritt, und dadurch wird es
verständlich, dass Knospen-Variation meist bei solchen Pflanzen
auftritt, die wie die Rose und Azalea auch sonst, d. h. durch
Samen, bereits variirt haben. Denn durch Amphimixis werden
abgeänderte Determinanten leichter gehäuft, und ein Keimplasma,
welches schon von den Vorfahren her abgeänderte Determi-
nanten besitzt, kann sie dann nach dem Eintritt weiterer Ab-
änderung durch den Zufall einer ungleichen Kerntheilung auch
einmal in einer Knospe zur Majorität gruppiren und dadurch
zur Geltung bringen.

Leider ist es nicht beobachtet, ob complicirte Abänderungen,
wie z. B. die Moosrose, einer Knospen-Variation ihren Ursprung
verdankt. Theoretisch wäre es durchaus denkbar, denn das
unsichtbare Vorspiel der Variation, die Abänderung gewisser
Determinanten, kann so gut nur eine einzelne Determinante,
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[582/0606] plicirten Apparat, der die mitotische Kerntheilung ausführt, sind Unregelmässigkeiten in der Ausführung möglich, in einzelnen Fällen sogar beobachtet, und selbst die Möglichkeit einer direkten Kerntheilung wäre nicht ganz in Abrede zu stellen. Doch bin ich weit entfernt, diese Hypothese für eine gesicherte zu halten und gebe sie nur als einen Versuch. Nägeli war schon der Meinung, dass alle Abänderungen langsam und im Laufe der Generationen sich im Idioplasma vorbereiteten ehe sie zu Tage träten, und bezog sich dabei auch gerade auf die Knospen-Variationen. Ich stimme dem voll- kommen bei, und habe oben schon mehrfach gezeigt, wie solche allmälige „Umstimmungen“ des Keimplasma’s oder einzelner Theile desselben sich gewissermassen von selbst aus dem von mir angenommenen Bau des Keimplasma’s ergeben. Bei Knospen- Variationen können diese unsichtbaren Vorbereitungen viele Generationen weit hinter der Pflanze und Knospe zurückliegen, an welcher die Variation zu Tage tritt, und dadurch wird es verständlich, dass Knospen-Variation meist bei solchen Pflanzen auftritt, die wie die Rose und Azalea auch sonst, d. h. durch Samen, bereits variirt haben. Denn durch Amphimixis werden abgeänderte Determinanten leichter gehäuft, und ein Keimplasma, welches schon von den Vorfahren her abgeänderte Determi- nanten besitzt, kann sie dann nach dem Eintritt weiterer Ab- änderung durch den Zufall einer ungleichen Kerntheilung auch einmal in einer Knospe zur Majorität gruppiren und dadurch zur Geltung bringen. Leider ist es nicht beobachtet, ob complicirte Abänderungen, wie z. B. die Moosrose, einer Knospen-Variation ihren Ursprung verdankt. Theoretisch wäre es durchaus denkbar, denn das unsichtbare Vorspiel der Variation, die Abänderung gewisser Determinanten, kann so gut nur eine einzelne Determinante, als eine ganze Gruppe von solchen betreffen, ja selbst die Ver-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/606>, abgerufen am 27.04.2024.