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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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unter den Römischen Kaisern.
cus, machen lassen 1), die nicht das Süsse und Verliebte, sondern etwas
Männliches und eine Freude, wie nach erhaltenem Siege, zeigete, kann
man schließen, daß sich die Kenntniß des Schönen und des Stils der Alten
nicht gänzlich aus der Welt verlohren gehabt. Eben so fanden sich noch
Kenner der edlen Einfalt und der ungeschmückten Natur in der Schreibart
und Beredsamkeit, und Plinius, welcher uns berichtet 2), daß diejenigen
Stellen in seiner Lobrede, die ihm am wenigsten Mühe gekostet, bey eini-
gen mehr, als die ausstudirten, Beyfall gefunden, fassete daher Hofnung
zur Wiederherstellung des guten Geschmacks. Aber nichts desto weniger
blieb er selbst bey dem gekünstelten Stil, welchen in seiner Rede die Wahr-
heit und das Lob eines würdigen Mannes gefällig machet. Vorher ge-
dachter Herodes ließ einigen von seinen Freygelassenen, die er liebete,
Statuen setzen 3). Von den großen Denkmalen, die dieser Mann in Rom
sowohl, als zu Athen, und in andern Griechischen Städten, bauen lassen,
sind noch zwo Säulen seines Grabmals übrig, von einer Art Marmor,
den man Cipolino nennet, von drey Palmen im Durchmesser. Die Jn-
schrift auf denselben hat dieselben berühmt gemachet, und Salmasius hat
sie erkläret. Ein Französischer Scribent 4) muß geträumet haben, wel-
cher uns lehren will, die Jnschrift sey nicht in Griechischen, sondern in
Lateinischen Buchstaben abgefasset. Es wurden diese Säulen im Mona-
the September 1761. von Rom nach Neapel abgeführet, und liegen in
dem Hofe des Herculanischen Musei zu Portici. Die Jnschriften seiner
berühmten Villa Triopäa, welche itzo in der Villa Borghese stehen, hat
Spon bekannt gemachet 5).

Damals
1) Phot. Bibiioth. p. 1046.
2) L. 3. ep. 18.
3) Philostrat. Vit. Sophist. L. 2. c. 1. §. 10.
4) Renaudot sur l' orig. des Lettr. Grecq. p. 237.
5) Misc. ant. p. 322.

unter den Roͤmiſchen Kaiſern.
cus, machen laſſen 1), die nicht das Suͤſſe und Verliebte, ſondern etwas
Maͤnnliches und eine Freude, wie nach erhaltenem Siege, zeigete, kann
man ſchließen, daß ſich die Kenntniß des Schoͤnen und des Stils der Alten
nicht gaͤnzlich aus der Welt verlohren gehabt. Eben ſo fanden ſich noch
Kenner der edlen Einfalt und der ungeſchmuͤckten Natur in der Schreibart
und Beredſamkeit, und Plinius, welcher uns berichtet 2), daß diejenigen
Stellen in ſeiner Lobrede, die ihm am wenigſten Muͤhe gekoſtet, bey eini-
gen mehr, als die ausſtudirten, Beyfall gefunden, faſſete daher Hofnung
zur Wiederherſtellung des guten Geſchmacks. Aber nichts deſto weniger
blieb er ſelbſt bey dem gekuͤnſtelten Stil, welchen in ſeiner Rede die Wahr-
heit und das Lob eines wuͤrdigen Mannes gefaͤllig machet. Vorher ge-
dachter Herodes ließ einigen von ſeinen Freygelaſſenen, die er liebete,
Statuen ſetzen 3). Von den großen Denkmalen, die dieſer Mann in Rom
ſowohl, als zu Athen, und in andern Griechiſchen Staͤdten, bauen laſſen,
ſind noch zwo Saͤulen ſeines Grabmals uͤbrig, von einer Art Marmor,
den man Cipolino nennet, von drey Palmen im Durchmeſſer. Die Jn-
ſchrift auf denſelben hat dieſelben beruͤhmt gemachet, und Salmaſius hat
ſie erklaͤret. Ein Franzoͤſiſcher Scribent 4) muß getraͤumet haben, wel-
cher uns lehren will, die Jnſchrift ſey nicht in Griechiſchen, ſondern in
Lateiniſchen Buchſtaben abgefaſſet. Es wurden dieſe Saͤulen im Mona-
the September 1761. von Rom nach Neapel abgefuͤhret, und liegen in
dem Hofe des Herculaniſchen Muſei zu Portici. Die Jnſchriften ſeiner
beruͤhmten Villa Triopaͤa, welche itzo in der Villa Borgheſe ſtehen, hat
Spon bekannt gemachet 5).

Damals
1) Phot. Bibiioth. p. 1046.
2) L. 3. ep. 18.
3) Philoſtrat. Vit. Sophiſt. L. 2. c. 1. §. 10.
4) Renaudot ſur l’ orig. des Lettr. Grecq. p. 237.
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[415/0103] unter den Roͤmiſchen Kaiſern. cus, machen laſſen 1), die nicht das Suͤſſe und Verliebte, ſondern etwas Maͤnnliches und eine Freude, wie nach erhaltenem Siege, zeigete, kann man ſchließen, daß ſich die Kenntniß des Schoͤnen und des Stils der Alten nicht gaͤnzlich aus der Welt verlohren gehabt. Eben ſo fanden ſich noch Kenner der edlen Einfalt und der ungeſchmuͤckten Natur in der Schreibart und Beredſamkeit, und Plinius, welcher uns berichtet 2), daß diejenigen Stellen in ſeiner Lobrede, die ihm am wenigſten Muͤhe gekoſtet, bey eini- gen mehr, als die ausſtudirten, Beyfall gefunden, faſſete daher Hofnung zur Wiederherſtellung des guten Geſchmacks. Aber nichts deſto weniger blieb er ſelbſt bey dem gekuͤnſtelten Stil, welchen in ſeiner Rede die Wahr- heit und das Lob eines wuͤrdigen Mannes gefaͤllig machet. Vorher ge- dachter Herodes ließ einigen von ſeinen Freygelaſſenen, die er liebete, Statuen ſetzen 3). Von den großen Denkmalen, die dieſer Mann in Rom ſowohl, als zu Athen, und in andern Griechiſchen Staͤdten, bauen laſſen, ſind noch zwo Saͤulen ſeines Grabmals uͤbrig, von einer Art Marmor, den man Cipolino nennet, von drey Palmen im Durchmeſſer. Die Jn- ſchrift auf denſelben hat dieſelben beruͤhmt gemachet, und Salmaſius hat ſie erklaͤret. Ein Franzoͤſiſcher Scribent 4) muß getraͤumet haben, wel- cher uns lehren will, die Jnſchrift ſey nicht in Griechiſchen, ſondern in Lateiniſchen Buchſtaben abgefaſſet. Es wurden dieſe Saͤulen im Mona- the September 1761. von Rom nach Neapel abgefuͤhret, und liegen in dem Hofe des Herculaniſchen Muſei zu Portici. Die Jnſchriften ſeiner beruͤhmten Villa Triopaͤa, welche itzo in der Villa Borgheſe ſtehen, hat Spon bekannt gemachet 5). Damals 1) Phot. Bibiioth. p. 1046. 2) L. 3. ep. 18. 3) Philoſtrat. Vit. Sophiſt. L. 2. c. 1. §. 10. 4) Renaudot ſur l’ orig. des Lettr. Grecq. p. 237. 5) Miſc. ant. p. 322.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/103>, abgerufen am 26.04.2024.