Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

Bild:
<< vorherige Seite

der Bau-Kunst.
uns zu nichts/ wenn wir gleich wüsten/ warumb es ge-
schiehet. Nur wil ich dieses anmercken/ daß die Eu-
rythmie
nicht allein in verschiedenen Fällen der Bau-
Kunst/ sondern auch in den Wercken der Natur und
der übriegen Kunst öfters von der wesentlichen Voll-
kommenheit erfordert werde. Wollet ihr nun setzen/
daß die Seele ihrer Natur gemäß ein Gefallen ver-
spüre/ wenn sie eine Vollkommenheit wahrnimmt/
auch die sie deutlich nicht erkennet/ woferne sie nicht
durch Vorurtheile verrückt worden/ und daß durch
die Gesetze der Gedancken öfters eine Würckung er-
folgen könne/ wo die wahren Ursachen derselben nicht
zu finden; so werdet ihr meines Erachtens weder den
wahren Metaphysischen Gründen/ noch der Erfah-
rung zuwieder seyn. Allein es wäre zu weitläuftig
an diesem Orte solches zu bestätigen. Uber dieses ist
gewiß/ daß allzeit eine raison seyn muß/ warumb wir
zuerst auf dieses/ als auf etwas anders sehen; Wenn
nun das mittlere anders aussiehet/ als das zur Sei-
ten/ so darf die Seele nicht erst deliberiren/ welches
sie zuerst betrachten sol.

Die 10. Erklährung.

71. Eine Stütze nennen wir alles
dasjenige/ was eine Last aufhält/ die
sonst fallen würde.

Die 11. Erklährung

72. Die rundte Stützen werden
Säulen genennet/ und zwar Wand-
säulen/ wenn ihr Schaft zum Theil
eingemauret.

Die 12. Erklährung.

73. Die viereckichten Stützen heissen
Pilasters oder Pfeiler/ und nennen

sie

der Bau-Kunſt.
uns zu nichts/ wenn wir gleich wuͤſten/ warumb es ge-
ſchiehet. Nur wil ich dieſes anmercken/ daß die Eu-
rythmie
nicht allein in verſchiedenen Faͤllen der Bau-
Kunſt/ ſondern auch in den Wercken der Natur und
der uͤbriegen Kunſt oͤfters von der weſentlichen Voll-
kommenheit erfordert werde. Wollet ihr nun ſetzen/
daß die Seele ihrer Natur gemaͤß ein Gefallen ver-
ſpuͤre/ wenn ſie eine Vollkommenheit wahrnimmt/
auch die ſie deutlich nicht erkennet/ woferne ſie nicht
durch Vorurtheile verruͤckt worden/ und daß durch
die Geſetze der Gedancken oͤfters eine Wuͤrckung er-
folgen koͤnne/ wo die wahren Urſachen derſelben nicht
zu finden; ſo werdet ihr meines Erachtens weder den
wahren Metaphyſiſchen Gruͤnden/ noch der Erfah-
rung zuwieder ſeyn. Allein es waͤre zu weitlaͤuftig
an dieſem Orte ſolches zu beſtaͤtigen. Uber dieſes iſt
gewiß/ daß allzeit eine raiſon ſeyn muß/ warumb wir
zuerſt auf dieſes/ als auf etwas anders ſehen; Wenn
nun das mittlere anders ausſiehet/ als das zur Sei-
ten/ ſo darf die Seele nicht erſt deliberiren/ welches
ſie zuerſt betrachten ſol.

Die 10. Erklaͤhrung.

71. Eine Stuͤtze nennen wir alles
dasjenige/ was eine Laſt aufhaͤlt/ die
ſonſt fallen wuͤrde.

Die 11. Erklaͤhrung

72. Die rundte Stuͤtzen werden
Saͤulen genennet/ und zwar Wand-
ſaͤulen/ wenn ihr Schaft zum Theil
eingemauret.

Die 12. Erklaͤhrung.

73. Die viereckichten Stuͤtzen heiſſen
Pilaſters oder Pfeiler/ und nennen

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <p><pb facs="#f0431" n="299"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Bau-Kun&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
uns zu nichts/ wenn wir gleich wu&#x0364;&#x017F;ten/ warumb es ge-<lb/>
&#x017F;chiehet. Nur wil ich die&#x017F;es anmercken/ daß die <hi rendition="#aq">Eu-<lb/>
rythmie</hi> nicht allein in ver&#x017F;chiedenen Fa&#x0364;llen der Bau-<lb/>
Kun&#x017F;t/ &#x017F;ondern auch in den Wercken der Natur und<lb/>
der u&#x0364;briegen Kun&#x017F;t o&#x0364;fters von der we&#x017F;entlichen Voll-<lb/>
kommenheit erfordert werde. Wollet ihr nun &#x017F;etzen/<lb/>
daß die Seele ihrer Natur gema&#x0364;ß ein Gefallen ver-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;re/ wenn &#x017F;ie eine Vollkommenheit wahrnimmt/<lb/>
auch die &#x017F;ie deutlich nicht erkennet/ woferne &#x017F;ie nicht<lb/>
durch Vorurtheile verru&#x0364;ckt worden/ und daß durch<lb/>
die Ge&#x017F;etze der Gedancken o&#x0364;fters eine Wu&#x0364;rckung er-<lb/>
folgen ko&#x0364;nne/ wo die wahren Ur&#x017F;achen der&#x017F;elben nicht<lb/>
zu finden; &#x017F;o werdet ihr meines Erachtens weder den<lb/>
wahren Metaphy&#x017F;i&#x017F;chen Gru&#x0364;nden/ noch der Erfah-<lb/>
rung zuwieder &#x017F;eyn. Allein es wa&#x0364;re zu weitla&#x0364;uftig<lb/>
an die&#x017F;em Orte &#x017F;olches zu be&#x017F;ta&#x0364;tigen. Uber die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
gewiß/ daß allzeit eine <hi rendition="#aq">rai&#x017F;on</hi> &#x017F;eyn muß/ warumb wir<lb/>
zuer&#x017F;t auf die&#x017F;es/ als auf etwas anders &#x017F;ehen; Wenn<lb/>
nun das mittlere anders aus&#x017F;iehet/ als das zur Sei-<lb/>
ten/ &#x017F;o darf die Seele nicht er&#x017F;t <hi rendition="#aq">deliberir</hi>en/ welches<lb/>
&#x017F;ie zuer&#x017F;t betrachten &#x017F;ol.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Die 10. Erkla&#x0364;hrung.</hi> </head><lb/>
              <p>71. <hi rendition="#fr">Eine Stu&#x0364;tze nennen wir alles<lb/>
dasjenige/ was eine La&#x017F;t aufha&#x0364;lt/ die<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t fallen wu&#x0364;rde.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Die 11. Erkla&#x0364;hrung</hi> </head><lb/>
              <p>72. <hi rendition="#fr">Die rundte Stu&#x0364;tzen werden<lb/>
Sa&#x0364;ulen genennet/ und zwar Wand-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;ulen/ wenn ihr Schaft zum Theil<lb/>
eingemauret.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Die 12. Erkla&#x0364;hrung.</hi> </head><lb/>
              <p>73. <hi rendition="#fr">Die viereckichten Stu&#x0364;tzen hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Pila&#x017F;ters oder Pfeiler/ und nennen</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0431] der Bau-Kunſt. uns zu nichts/ wenn wir gleich wuͤſten/ warumb es ge- ſchiehet. Nur wil ich dieſes anmercken/ daß die Eu- rythmie nicht allein in verſchiedenen Faͤllen der Bau- Kunſt/ ſondern auch in den Wercken der Natur und der uͤbriegen Kunſt oͤfters von der weſentlichen Voll- kommenheit erfordert werde. Wollet ihr nun ſetzen/ daß die Seele ihrer Natur gemaͤß ein Gefallen ver- ſpuͤre/ wenn ſie eine Vollkommenheit wahrnimmt/ auch die ſie deutlich nicht erkennet/ woferne ſie nicht durch Vorurtheile verruͤckt worden/ und daß durch die Geſetze der Gedancken oͤfters eine Wuͤrckung er- folgen koͤnne/ wo die wahren Urſachen derſelben nicht zu finden; ſo werdet ihr meines Erachtens weder den wahren Metaphyſiſchen Gruͤnden/ noch der Erfah- rung zuwieder ſeyn. Allein es waͤre zu weitlaͤuftig an dieſem Orte ſolches zu beſtaͤtigen. Uber dieſes iſt gewiß/ daß allzeit eine raiſon ſeyn muß/ warumb wir zuerſt auf dieſes/ als auf etwas anders ſehen; Wenn nun das mittlere anders ausſiehet/ als das zur Sei- ten/ ſo darf die Seele nicht erſt deliberiren/ welches ſie zuerſt betrachten ſol. Die 10. Erklaͤhrung. 71. Eine Stuͤtze nennen wir alles dasjenige/ was eine Laſt aufhaͤlt/ die ſonſt fallen wuͤrde. Die 11. Erklaͤhrung 72. Die rundte Stuͤtzen werden Saͤulen genennet/ und zwar Wand- ſaͤulen/ wenn ihr Schaft zum Theil eingemauret. Die 12. Erklaͤhrung. 73. Die viereckichten Stuͤtzen heiſſen Pilaſters oder Pfeiler/ und nennen ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/431
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/431>, abgerufen am 26.04.2024.