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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Streitigkeiten zu endigen.
gen, das ist, welche durch einen Eid den
Verdacht von sich abgelehnet haben, als wenn
sie die Wahrheit nicht sagen würden, zugleich
aussagen, für wahr in der That, und
also für völlig bewiesen angenommen;

folglich muß der, welcher es leugnet, es
wider sich als wahr gelten lassen, und
wird
deswegen für überwiesen gehalten.
Denn da der Beweiß anders keinen Ausgang
gewinnen kann; so muß, ob es gleich nicht
schlechterdings unmöglich ist, daß was durch
Zeugen auf diese Art bewiesen wird, in der
That doch falsch seyn kann, dennoch dasjeni-
ge, was durch Zeugen auf solche Art bewie-
sen worden, für wahr angenommen werden.
Denn eine solche Gewißheit, als man durch
mathematische Beweise erhält, würde man
hier vergeblich verlangen.

§. 779.

Da der Wille durch Bewegungsgründe be-Wer zeu-
gen kann.

stimmt wird, nämlich durch eine Vorstellung
des Guten, oder Bösen; folglich ein falsches
Zeugniß abgeleget wird, welches entweder in
der Hoffnung etwas Gutes zu erhalten, oder
ein Uebel zu vermeiden, oder dem zu Liebe,
für welchen, oder aus Haß gegen den, wi-
der welchen das Zeugniß abgelegt wird; so
wird, wenn ein Zeuge verdächtig seyn
soll, erfordert, daß es das Ansehen hat,
er werde ein falsches Zeugniß auch eid-
lich ablegen, entweder aus Hoffnung
zu etwas Guten, oder aus Furcht für

einem

Streitigkeiten zu endigen.
gen, das iſt, welche durch einen Eid den
Verdacht von ſich abgelehnet haben, als wenn
ſie die Wahrheit nicht ſagen wuͤrden, zugleich
ausſagen, fuͤr wahr in der That, und
alſo fuͤr voͤllig bewieſen angenommen;

folglich muß der, welcher es leugnet, es
wider ſich als wahr gelten laſſen, und
wird
deswegen fuͤr uͤberwieſen gehalten.
Denn da der Beweiß anders keinen Ausgang
gewinnen kann; ſo muß, ob es gleich nicht
ſchlechterdings unmoͤglich iſt, daß was durch
Zeugen auf dieſe Art bewieſen wird, in der
That doch falſch ſeyn kann, dennoch dasjeni-
ge, was durch Zeugen auf ſolche Art bewie-
ſen worden, fuͤr wahr angenommen werden.
Denn eine ſolche Gewißheit, als man durch
mathematiſche Beweiſe erhaͤlt, wuͤrde man
hier vergeblich verlangen.

§. 779.

Da der Wille durch Bewegungsgruͤnde be-Wer zeu-
gen kann.

ſtimmt wird, naͤmlich durch eine Vorſtellung
des Guten, oder Boͤſen; folglich ein falſches
Zeugniß abgeleget wird, welches entweder in
der Hoffnung etwas Gutes zu erhalten, oder
ein Uebel zu vermeiden, oder dem zu Liebe,
fuͤr welchen, oder aus Haß gegen den, wi-
der welchen das Zeugniß abgelegt wird; ſo
wird, wenn ein Zeuge verdaͤchtig ſeyn
ſoll, erfordert, daß es das Anſehen hat,
er werde ein falſches Zeugniß auch eid-
lich ablegen, entweder aus Hoffnung
zu etwas Guten, oder aus Furcht fuͤr

einem
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[573/0609] Streitigkeiten zu endigen. gen, das iſt, welche durch einen Eid den Verdacht von ſich abgelehnet haben, als wenn ſie die Wahrheit nicht ſagen wuͤrden, zugleich ausſagen, fuͤr wahr in der That, und alſo fuͤr voͤllig bewieſen angenommen; folglich muß der, welcher es leugnet, es wider ſich als wahr gelten laſſen, und wird deswegen fuͤr uͤberwieſen gehalten. Denn da der Beweiß anders keinen Ausgang gewinnen kann; ſo muß, ob es gleich nicht ſchlechterdings unmoͤglich iſt, daß was durch Zeugen auf dieſe Art bewieſen wird, in der That doch falſch ſeyn kann, dennoch dasjeni- ge, was durch Zeugen auf ſolche Art bewie- ſen worden, fuͤr wahr angenommen werden. Denn eine ſolche Gewißheit, als man durch mathematiſche Beweiſe erhaͤlt, wuͤrde man hier vergeblich verlangen. §. 779. Da der Wille durch Bewegungsgruͤnde be- ſtimmt wird, naͤmlich durch eine Vorſtellung des Guten, oder Boͤſen; folglich ein falſches Zeugniß abgeleget wird, welches entweder in der Hoffnung etwas Gutes zu erhalten, oder ein Uebel zu vermeiden, oder dem zu Liebe, fuͤr welchen, oder aus Haß gegen den, wi- der welchen das Zeugniß abgelegt wird; ſo wird, wenn ein Zeuge verdaͤchtig ſeyn ſoll, erfordert, daß es das Anſehen hat, er werde ein falſches Zeugniß auch eid- lich ablegen, entweder aus Hoffnung zu etwas Guten, oder aus Furcht fuͤr einem Wer zeu- gen kann.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/609>, abgerufen am 26.04.2024.