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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Verhältniss von Brechungs- und Dispersionskraft.
deren brechende Winkel nach entgegengesetzten Richtungen gekehrt
sind, so zu benützen, dass eine bestimmte Ablenkung des Lichtes er-
halten bleibt, während die Farbenzerstreuung vollständig aufgehoben
wird. Wenn wir beide Prismen aus der nämlichen Substanz nehmen,
so können wir natürlich die Dispersion immer nur unter der Bedin-
gung aufheben, dass wir auch die Brechung aufheben, d. h. beiden Pris-
men denselben brechenden Winkel geben und sie in entgegengesetzter
Lage mit einander in Berührung bringen. Nimmt man hingegen zwei
Substanzen mit nahezu gleichem mittlerem Brechungsvermögen, aber
mit sehr verschiedener zerstreuender Kraft, so wird es möglich sein,
das Verhältniss der brechenden Winkel der zwei entgegengesetzt ge-
richteten Prismen so zu wählen, dass die Dispersion verschwindet,
während eine gewisse Ablenkung des Lichtes erhalten bleibt. Zu-
nächst ist klar, dass, wenn man bei solchen Substanzen die brechen-
den Winkel g gleich nimmt, die Dispersion nicht aufgehoben wird,
da die Enden des Spektrums, welches das stärker zerstreuende Prisma
entwirft, über das Spektrum des andern Prismas hinausgreifen. Man
muss also den brechenden Winkel des stärker zerstreuenden Prismas
so lange verkleinern, bis sein Spektrum dem des andern an Grösse
gleich wird. Dann vereinigt das zweite Prisma die farbigen Strahlen
wieder, die das erste erzeugt hat, ohne jedoch die in diesem hervor-
gerufene Ablenkung aufzuheben. Die Fig. 121 veranschaulicht dieses
[Abbildung] Fig. 121.
Ergebniss. Es sei p das erste, p' das zweite Prisma, jenes mit der
stärker, dieses mit der schwächer zerstreuenden Substanz. Ist a b
ein auf das erste Prisma fallender Strahl weissen Lichts, so muss der
brechende Winkel g zu dem Winkel g' des zweiten Prismas sich so
verhalten, dass die beim Austritt aus p neben einander liegenden far-
bigen Lichtbündel e f beim Austritt aus p' wieder einander decken.
Nun wäre das Spektrum e f, welches aus dem Strahl a b durch die
Brechung im Prisma p enstanden ist, offenbar auch das Spektrum,
welches aus dem Lichtstrahl d c im Prisma p' entstehen würde, d. h.
die Winkel g und g' sind so gewählt, dass die Spektra beider Pris-
men bei ihrem Austritt gleich gross sind. Dabei hat aber der aus-
tretende Strahl c d im Vergleich zu dem eintretenden Strahl a b eine
Ablenkung erfahren. Man nennt ein derartig zusammengesetztes Prisma,
das eine Ablenkung ohne Farbenzerstreuung gestattet, ein achroma-
tisches
Prisma.

Aus der Betrachtung der Fig. 121 ergiebt sich, dass das be-

Verhältniss von Brechungs- und Dispersionskraft.
deren brechende Winkel nach entgegengesetzten Richtungen gekehrt
sind, so zu benützen, dass eine bestimmte Ablenkung des Lichtes er-
halten bleibt, während die Farbenzerstreuung vollständig aufgehoben
wird. Wenn wir beide Prismen aus der nämlichen Substanz nehmen,
so können wir natürlich die Dispersion immer nur unter der Bedin-
gung aufheben, dass wir auch die Brechung aufheben, d. h. beiden Pris-
men denselben brechenden Winkel geben und sie in entgegengesetzter
Lage mit einander in Berührung bringen. Nimmt man hingegen zwei
Substanzen mit nahezu gleichem mittlerem Brechungsvermögen, aber
mit sehr verschiedener zerstreuender Kraft, so wird es möglich sein,
das Verhältniss der brechenden Winkel der zwei entgegengesetzt ge-
richteten Prismen so zu wählen, dass die Dispersion verschwindet,
während eine gewisse Ablenkung des Lichtes erhalten bleibt. Zu-
nächst ist klar, dass, wenn man bei solchen Substanzen die brechen-
den Winkel γ gleich nimmt, die Dispersion nicht aufgehoben wird,
da die Enden des Spektrums, welches das stärker zerstreuende Prisma
entwirft, über das Spektrum des andern Prismas hinausgreifen. Man
muss also den brechenden Winkel des stärker zerstreuenden Prismas
so lange verkleinern, bis sein Spektrum dem des andern an Grösse
gleich wird. Dann vereinigt das zweite Prisma die farbigen Strahlen
wieder, die das erste erzeugt hat, ohne jedoch die in diesem hervor-
gerufene Ablenkung aufzuheben. Die Fig. 121 veranschaulicht dieses
[Abbildung] Fig. 121.
Ergebniss. Es sei p das erste, p' das zweite Prisma, jenes mit der
stärker, dieses mit der schwächer zerstreuenden Substanz. Ist a b
ein auf das erste Prisma fallender Strahl weissen Lichts, so muss der
brechende Winkel γ zu dem Winkel γ' des zweiten Prismas sich so
verhalten, dass die beim Austritt aus p neben einander liegenden far-
bigen Lichtbündel e f beim Austritt aus p' wieder einander decken.
Nun wäre das Spektrum e f, welches aus dem Strahl a b durch die
Brechung im Prisma p enstanden ist, offenbar auch das Spektrum,
welches aus dem Lichtstrahl d c im Prisma p' entstehen würde, d. h.
die Winkel γ und γ' sind so gewählt, dass die Spektra beider Pris-
men bei ihrem Austritt gleich gross sind. Dabei hat aber der aus-
tretende Strahl c d im Vergleich zu dem eintretenden Strahl a b eine
Ablenkung erfahren. Man nennt ein derartig zusammengesetztes Prisma,
das eine Ablenkung ohne Farbenzerstreuung gestattet, ein achroma-
tisches
Prisma.

Aus der Betrachtung der Fig. 121 ergiebt sich, dass das be-

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[247/0269] Verhältniss von Brechungs- und Dispersionskraft. deren brechende Winkel nach entgegengesetzten Richtungen gekehrt sind, so zu benützen, dass eine bestimmte Ablenkung des Lichtes er- halten bleibt, während die Farbenzerstreuung vollständig aufgehoben wird. Wenn wir beide Prismen aus der nämlichen Substanz nehmen, so können wir natürlich die Dispersion immer nur unter der Bedin- gung aufheben, dass wir auch die Brechung aufheben, d. h. beiden Pris- men denselben brechenden Winkel geben und sie in entgegengesetzter Lage mit einander in Berührung bringen. Nimmt man hingegen zwei Substanzen mit nahezu gleichem mittlerem Brechungsvermögen, aber mit sehr verschiedener zerstreuender Kraft, so wird es möglich sein, das Verhältniss der brechenden Winkel der zwei entgegengesetzt ge- richteten Prismen so zu wählen, dass die Dispersion verschwindet, während eine gewisse Ablenkung des Lichtes erhalten bleibt. Zu- nächst ist klar, dass, wenn man bei solchen Substanzen die brechen- den Winkel γ gleich nimmt, die Dispersion nicht aufgehoben wird, da die Enden des Spektrums, welches das stärker zerstreuende Prisma entwirft, über das Spektrum des andern Prismas hinausgreifen. Man muss also den brechenden Winkel des stärker zerstreuenden Prismas so lange verkleinern, bis sein Spektrum dem des andern an Grösse gleich wird. Dann vereinigt das zweite Prisma die farbigen Strahlen wieder, die das erste erzeugt hat, ohne jedoch die in diesem hervor- gerufene Ablenkung aufzuheben. Die Fig. 121 veranschaulicht dieses [Abbildung Fig. 121.] Ergebniss. Es sei p das erste, p' das zweite Prisma, jenes mit der stärker, dieses mit der schwächer zerstreuenden Substanz. Ist a b ein auf das erste Prisma fallender Strahl weissen Lichts, so muss der brechende Winkel γ zu dem Winkel γ' des zweiten Prismas sich so verhalten, dass die beim Austritt aus p neben einander liegenden far- bigen Lichtbündel e f beim Austritt aus p' wieder einander decken. Nun wäre das Spektrum e f, welches aus dem Strahl a b durch die Brechung im Prisma p enstanden ist, offenbar auch das Spektrum, welches aus dem Lichtstrahl d c im Prisma p' entstehen würde, d. h. die Winkel γ und γ' sind so gewählt, dass die Spektra beider Pris- men bei ihrem Austritt gleich gross sind. Dabei hat aber der aus- tretende Strahl c d im Vergleich zu dem eintretenden Strahl a b eine Ablenkung erfahren. Man nennt ein derartig zusammengesetztes Prisma, das eine Ablenkung ohne Farbenzerstreuung gestattet, ein achroma- tisches Prisma. Aus der Betrachtung der Fig. 121 ergiebt sich, dass das be-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/269>, abgerufen am 27.04.2024.