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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Fluorescenz und Phosphorescenz.
sucht man nun aber das Licht des Fluorescenzspektrums mittelst eines
zweiten Prismas, indem man durch einen Schirm mit Spalt die ver-
schiedenen Farben nach einander auf das zweite Prisma fallen lässt,
so findet sich, dass von der Grenze der Fluorescenz an die Brechbar-
keit sämmtlicher Strahlen abgenommen hat, so dass selbst die äusser-
sten chemischen Strahlen nunmehr diesseits der Grenze des Violett zu
liegen kommen.

Wir haben gesehen, dass die Absorptionserscheinungen aus einer176
Theorie der
Fluorescenz.

Uebertragung der Aetherbewegungen auf die Molecüle der absorbiren-
den Substanz erklärt werden müssen, und dass jeder Körper solche
Strahlen absorbirt, mit deren Schwingungen die Schwingungen seiner
Molecüle übereinstimmen. Nun haben wir offenbar in den fluoresci-
renden Substanzen solche Körper vor uns, deren Molecüle besonders
leicht in Schwingungen von bestimmter Periode gerathen, und bei
denen daher diese Schwingungen so lebhaft sind, dass sie sich auf
den umgebenden Aether übertragen und so die Lichterscheinung her-
vorrufen. Dabei geräth aber die fluorescirende Substanz nicht bloss
durch Aetherschwingungen, mit deren Periode ihre eigenen Molecular-
schwingungen übereinstimmen, und denen daher die Farbe der ent-
stehenden Lichterscheinung entspricht, sondern auch durch Aether-
schwingungen von schnellerer Periode in Fluorescenz. Man kann sich
diese Thatsache nach Analogie jener Mitschwingungen erklären, die
wir in der Lehre vom Schall kennen gelernt haben. Eine Saite ge-
räth in Mitschwingungen, wenn eine Schallwelle von genügender
Stärke sie trifft, die dem Eigenton der Saite entspricht. Ein tieferer
Ton kann keine Mitschwingungen hervorrufen. Wohl aber können
dies höhere Töne, da diese zwar zunächst nur einen ihrer Schwin-
gungsdauer entsprechenden Theil der Saitenlänge zu erregen streben,
dieser Theil aber, wenn er in Schwingung kommt, alsbald ein Mit-
schwingen der ganzen Saite bewirkt. Aehnlich gerathen auch die Mo-
lecüle des fluorescirenden Körpers nicht bloss in Mitschwingungen,
wenn Aetheroscillationen von einer ihrer Schwingungsdauer gleichen
Periode, sondern auch wenn solche von schnellerer Periode sie treffen.
So lange es bloss um die Fortpflanzung der Schwingungen von Aether-
atomen auf Atheratome sich handelt, kann ein derartiges Mitschwingen,
wie es bei der Fluorescenz vorkommt, nicht stattfinden, sondern es
müssen die Aethertheilchen, auf welche eine bestimmte Welle sich
fortpflanzt, immer in den dieser Welle genau entsprechenden Perioden
schwingen. Denn die Aetheratome müssen im Verhältniss zu den Vi-
brationen, die sie ausführen, als so klein angesehen werden, dass sie
nur als ganze in Schwingungen kommen können und daher auch als
ganze den sie treffenden Schwingungen sich anpassen müssen. Da-
gegen haben die wägbaren Molecüle schon eine merklichere Grösse,

Fluorescenz und Phosphorescenz.
sucht man nun aber das Licht des Fluorescenzspektrums mittelst eines
zweiten Prismas, indem man durch einen Schirm mit Spalt die ver-
schiedenen Farben nach einander auf das zweite Prisma fallen lässt,
so findet sich, dass von der Grenze der Fluorescenz an die Brechbar-
keit sämmtlicher Strahlen abgenommen hat, so dass selbst die äusser-
sten chemischen Strahlen nunmehr diesseits der Grenze des Violett zu
liegen kommen.

Wir haben gesehen, dass die Absorptionserscheinungen aus einer176
Theorie der
Fluorescenz.

Uebertragung der Aetherbewegungen auf die Molecüle der absorbiren-
den Substanz erklärt werden müssen, und dass jeder Körper solche
Strahlen absorbirt, mit deren Schwingungen die Schwingungen seiner
Molecüle übereinstimmen. Nun haben wir offenbar in den fluoresci-
renden Substanzen solche Körper vor uns, deren Molecüle besonders
leicht in Schwingungen von bestimmter Periode gerathen, und bei
denen daher diese Schwingungen so lebhaft sind, dass sie sich auf
den umgebenden Aether übertragen und so die Lichterscheinung her-
vorrufen. Dabei geräth aber die fluorescirende Substanz nicht bloss
durch Aetherschwingungen, mit deren Periode ihre eigenen Molecular-
schwingungen übereinstimmen, und denen daher die Farbe der ent-
stehenden Lichterscheinung entspricht, sondern auch durch Aether-
schwingungen von schnellerer Periode in Fluorescenz. Man kann sich
diese Thatsache nach Analogie jener Mitschwingungen erklären, die
wir in der Lehre vom Schall kennen gelernt haben. Eine Saite ge-
räth in Mitschwingungen, wenn eine Schallwelle von genügender
Stärke sie trifft, die dem Eigenton der Saite entspricht. Ein tieferer
Ton kann keine Mitschwingungen hervorrufen. Wohl aber können
dies höhere Töne, da diese zwar zunächst nur einen ihrer Schwin-
gungsdauer entsprechenden Theil der Saitenlänge zu erregen streben,
dieser Theil aber, wenn er in Schwingung kommt, alsbald ein Mit-
schwingen der ganzen Saite bewirkt. Aehnlich gerathen auch die Mo-
lecüle des fluorescirenden Körpers nicht bloss in Mitschwingungen,
wenn Aetheroscillationen von einer ihrer Schwingungsdauer gleichen
Periode, sondern auch wenn solche von schnellerer Periode sie treffen.
So lange es bloss um die Fortpflanzung der Schwingungen von Aether-
atomen auf Atheratome sich handelt, kann ein derartiges Mitschwingen,
wie es bei der Fluorescenz vorkommt, nicht stattfinden, sondern es
müssen die Aethertheilchen, auf welche eine bestimmte Welle sich
fortpflanzt, immer in den dieser Welle genau entsprechenden Perioden
schwingen. Denn die Aetheratome müssen im Verhältniss zu den Vi-
brationen, die sie ausführen, als so klein angesehen werden, dass sie
nur als ganze in Schwingungen kommen können und daher auch als
ganze den sie treffenden Schwingungen sich anpassen müssen. Da-
gegen haben die wägbaren Molecüle schon eine merklichere Grösse,

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[263/0285] Fluorescenz und Phosphorescenz. sucht man nun aber das Licht des Fluorescenzspektrums mittelst eines zweiten Prismas, indem man durch einen Schirm mit Spalt die ver- schiedenen Farben nach einander auf das zweite Prisma fallen lässt, so findet sich, dass von der Grenze der Fluorescenz an die Brechbar- keit sämmtlicher Strahlen abgenommen hat, so dass selbst die äusser- sten chemischen Strahlen nunmehr diesseits der Grenze des Violett zu liegen kommen. Wir haben gesehen, dass die Absorptionserscheinungen aus einer Uebertragung der Aetherbewegungen auf die Molecüle der absorbiren- den Substanz erklärt werden müssen, und dass jeder Körper solche Strahlen absorbirt, mit deren Schwingungen die Schwingungen seiner Molecüle übereinstimmen. Nun haben wir offenbar in den fluoresci- renden Substanzen solche Körper vor uns, deren Molecüle besonders leicht in Schwingungen von bestimmter Periode gerathen, und bei denen daher diese Schwingungen so lebhaft sind, dass sie sich auf den umgebenden Aether übertragen und so die Lichterscheinung her- vorrufen. Dabei geräth aber die fluorescirende Substanz nicht bloss durch Aetherschwingungen, mit deren Periode ihre eigenen Molecular- schwingungen übereinstimmen, und denen daher die Farbe der ent- stehenden Lichterscheinung entspricht, sondern auch durch Aether- schwingungen von schnellerer Periode in Fluorescenz. Man kann sich diese Thatsache nach Analogie jener Mitschwingungen erklären, die wir in der Lehre vom Schall kennen gelernt haben. Eine Saite ge- räth in Mitschwingungen, wenn eine Schallwelle von genügender Stärke sie trifft, die dem Eigenton der Saite entspricht. Ein tieferer Ton kann keine Mitschwingungen hervorrufen. Wohl aber können dies höhere Töne, da diese zwar zunächst nur einen ihrer Schwin- gungsdauer entsprechenden Theil der Saitenlänge zu erregen streben, dieser Theil aber, wenn er in Schwingung kommt, alsbald ein Mit- schwingen der ganzen Saite bewirkt. Aehnlich gerathen auch die Mo- lecüle des fluorescirenden Körpers nicht bloss in Mitschwingungen, wenn Aetheroscillationen von einer ihrer Schwingungsdauer gleichen Periode, sondern auch wenn solche von schnellerer Periode sie treffen. So lange es bloss um die Fortpflanzung der Schwingungen von Aether- atomen auf Atheratome sich handelt, kann ein derartiges Mitschwingen, wie es bei der Fluorescenz vorkommt, nicht stattfinden, sondern es müssen die Aethertheilchen, auf welche eine bestimmte Welle sich fortpflanzt, immer in den dieser Welle genau entsprechenden Perioden schwingen. Denn die Aetheratome müssen im Verhältniss zu den Vi- brationen, die sie ausführen, als so klein angesehen werden, dass sie nur als ganze in Schwingungen kommen können und daher auch als ganze den sie treffenden Schwingungen sich anpassen müssen. Da- gegen haben die wägbaren Molecüle schon eine merklichere Grösse, 176 Theorie der Fluorescenz.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/285>, abgerufen am 26.04.2024.