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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Anmärkungen.
Zur 20 und folgenden zeilen des 128 blats.

DArnach/ spricht Josef in seinem letzten Willen weiter/
suchte sie mich zu verführen mit geschenken. Sie
schikte mir alles/ was das hertz ersinnen mochte/ was
schön und köstlich war zum gebrauche der menschen: und
dieses schikte sie mir mit allerhand speisen. Aber als der
Geschnittene diese speisen brachte/ sahe ich auf/ und er-
blikte einen erschröklichen Man/ der mir ein Messer in
einer schüssel zureichte. Daraus verstund ich/ daß sie
meiner seelen nachstellete. Und wan er weg war/ wei-
nete ich. Auch aß ich weder itzt/ noch sonsten von ihrer
speise. Auf einen tag hiernach kahm sie zu mir/ und sag-
te: warüm habt ihr von der speise/ die ich euch geschikt/
nicht gegessen? Und ich antwortete: darüm daß ihr sie
mit dem tode erfüllet. Ja wisset/ daß ich mit den Ab-
göttern keine gemeinschaft habe/ noch ihnen diene; son-
dern dem HERrn allein diene. Dieser/ der Gott mei-
nes Vaters/ hat mir/ durch seinen Engel/ eure boßheit
geoffenbahret. Und darüm habe ich die speise bewahret/
euch zu bestrafen: ob ihr vielleicht dadurch/ wan ihr sie
erbliktet/ zur reue möchtet bewogen werden; oder aber
damit ihr sehen möchtet/ daß denen/ die dem HERrn
in reiner keuscheit dienen/ keine arglist derer/ die boß-
heit würken/ schaden/ noch einige kraft haben kan. Und
ich nahm/ und aß sie/ in ihrer gegenwart/ indem ich
sagte: der Gott meiner Väter/ und Abrahams Engel
wird mich bewahren. Hierauf fiel sie vor mir plat auf
ihr angesicht zur erde nieder/ und weinete. Und nach-
dem ich sie aufgehoben hatte/ ermahnte und unterrichtete
ich sie mit vielen schönen lehren. Auch versprach sie mir
dergleichen nicht mehr zu tuhn. Aber sie weinte und seuf-
zete aus dem grunde ihres hertzens: dan es brante vor
großer begierde ehbruch mit mir zu begehen. Ihre an-
gen schlug sie nieder auf die erde/ und lies das heupt hän-
gen. Als ihr Ehherr solches sahe/ fragte er sie: was ist
euch? Warüm laßt ihr den kopf hängen? Und sie ant-
wortete: mein hertz tuht mir so weh/ daß ich kaum ahte-
men kan. Er aber trug sorge vor sie/ wiewohl sie nicht
krank war.

Auch
F f iij
Anmaͤrkungen.
Zur 20 und folgenden zeilen des 128 blats.

DArnach/ ſpricht Joſef in ſeinem letzten Willen weiter/
ſuchte ſie mich zu verfuͤhren mit geſchenken. Sie
ſchikte mir alles/ was das hertz erſinnen mochte/ was
ſchoͤn und koͤſtlich war zum gebrauche der menſchen: und
dieſes ſchikte ſie mir mit allerhand ſpeiſen. Aber als der
Geſchnittene dieſe ſpeiſen brachte/ ſahe ich auf/ und er-
blikte einen erſchroͤklichen Man/ der mir ein Meſſer in
einer ſchuͤſſel zureichte. Daraus verſtund ich/ daß ſie
meiner ſeelen nachſtellete. Und wan er weg war/ wei-
nete ich. Auch aß ich weder itzt/ noch ſonſten von ihrer
ſpeiſe. Auf einen tag hiernach kahm ſie zu mir/ und ſag-
te: waruͤm habt ihr von der ſpeiſe/ die ich euch geſchikt/
nicht gegeſſen? Und ich antwortete: daruͤm daß ihr ſie
mit dem tode erfuͤllet. Ja wiſſet/ daß ich mit den Ab-
goͤttern keine gemeinſchaft habe/ noch ihnen diene; ſon-
dern dem HERꝛn allein diene. Dieſer/ der Gott mei-
nes Vaters/ hat mir/ durch ſeinen Engel/ eure boßheit
geoffenbahret. Und daruͤm habe ich die ſpeiſe bewahret/
euch zu beſtrafen: ob ihr vielleicht dadurch/ wan ihr ſie
erbliktet/ zur reue moͤchtet bewogen werden; oder aber
damit ihr ſehen moͤchtet/ daß denen/ die dem HERꝛn
in reiner keuſcheit dienen/ keine argliſt derer/ die boß-
heit wuͤrken/ ſchaden/ noch einige kraft haben kan. Und
ich nahm/ und aß ſie/ in ihrer gegenwart/ indem ich
ſagte: der Gott meiner Vaͤter/ und Abrahams Engel
wird mich bewahren. Hierauf fiel ſie vor mir plat auf
ihr angeſicht zur erde nieder/ und weinete. Und nach-
dem ich ſie aufgehoben hatte/ ermahnte und unterrichtete
ich ſie mit vielen ſchoͤnen lehren. Auch verſprach ſie mir
dergleichen nicht mehr zu tuhn. Aber ſie weinte und ſeuf-
zete aus dem grunde ihres hertzens: dan es brante vor
großer begierde ehbruch mit mir zu begehen. Ihre an-
gen ſchlug ſie nieder auf die erde/ und lies das heupt haͤn-
gen. Als ihr Ehherꝛ ſolches ſahe/ fragte er ſie: was iſt
euch? Waruͤm laßt ihr den kopf haͤngen? Und ſie ant-
wortete: mein hertz tuht mir ſo weh/ daß ich kaum ahte-
men kan. Er aber trug ſorge vor ſie/ wiewohl ſie nicht
krank war.

Auch
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[453/0477] Anmaͤrkungen. Zur 20 und folgenden zeilen des 128 blats. DArnach/ ſpricht Joſef in ſeinem letzten Willen weiter/ ſuchte ſie mich zu verfuͤhren mit geſchenken. Sie ſchikte mir alles/ was das hertz erſinnen mochte/ was ſchoͤn und koͤſtlich war zum gebrauche der menſchen: und dieſes ſchikte ſie mir mit allerhand ſpeiſen. Aber als der Geſchnittene dieſe ſpeiſen brachte/ ſahe ich auf/ und er- blikte einen erſchroͤklichen Man/ der mir ein Meſſer in einer ſchuͤſſel zureichte. Daraus verſtund ich/ daß ſie meiner ſeelen nachſtellete. Und wan er weg war/ wei- nete ich. Auch aß ich weder itzt/ noch ſonſten von ihrer ſpeiſe. Auf einen tag hiernach kahm ſie zu mir/ und ſag- te: waruͤm habt ihr von der ſpeiſe/ die ich euch geſchikt/ nicht gegeſſen? Und ich antwortete: daruͤm daß ihr ſie mit dem tode erfuͤllet. Ja wiſſet/ daß ich mit den Ab- goͤttern keine gemeinſchaft habe/ noch ihnen diene; ſon- dern dem HERꝛn allein diene. Dieſer/ der Gott mei- nes Vaters/ hat mir/ durch ſeinen Engel/ eure boßheit geoffenbahret. Und daruͤm habe ich die ſpeiſe bewahret/ euch zu beſtrafen: ob ihr vielleicht dadurch/ wan ihr ſie erbliktet/ zur reue moͤchtet bewogen werden; oder aber damit ihr ſehen moͤchtet/ daß denen/ die dem HERꝛn in reiner keuſcheit dienen/ keine argliſt derer/ die boß- heit wuͤrken/ ſchaden/ noch einige kraft haben kan. Und ich nahm/ und aß ſie/ in ihrer gegenwart/ indem ich ſagte: der Gott meiner Vaͤter/ und Abrahams Engel wird mich bewahren. Hierauf fiel ſie vor mir plat auf ihr angeſicht zur erde nieder/ und weinete. Und nach- dem ich ſie aufgehoben hatte/ ermahnte und unterrichtete ich ſie mit vielen ſchoͤnen lehren. Auch verſprach ſie mir dergleichen nicht mehr zu tuhn. Aber ſie weinte und ſeuf- zete aus dem grunde ihres hertzens: dan es brante vor großer begierde ehbruch mit mir zu begehen. Ihre an- gen ſchlug ſie nieder auf die erde/ und lies das heupt haͤn- gen. Als ihr Ehherꝛ ſolches ſahe/ fragte er ſie: was iſt euch? Waruͤm laßt ihr den kopf haͤngen? Und ſie ant- wortete: mein hertz tuht mir ſo weh/ daß ich kaum ahte- men kan. Er aber trug ſorge vor ſie/ wiewohl ſie nicht krank war. Auch F f iij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/477>, abgerufen am 26.04.2024.