Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
diese Helden, diese Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen,
diese Sünder, diese Familienväter sind im Grunde nichts
als raffinirte Müßiggänger. -- Warum muß ich es grade
wissen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der
armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenschirm
in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich und sehr nützlich
und sehr moralisch würde? Ich bin ein elender Spaß-
macher! Warum kann ich meinen Spaß nicht auch mit
einem ernsthaften Gesichte vorbringen? -- Der Mann, der
eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid
prügeln mögen. O wer einmal jemand Anderes sein könnte!
Nur 'ne Minute lang. Wie der Mensch läuft! Wenn ich
nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte
laufen machen.

(Valerio, etwas betrunken, tritt auf.)
Valerio (stellt sich dicht vor den Prinzen, legt den Finger
an die Nase und sieht ihn starr an).
Ja!
Leonce (eben so). Richtig!
Valerio. Haben Sie mich begriffen?
Leonce. Vollkommen.
Valerio. Nun, so wollen wir von etwas Anderem
reden. (Er legt sich in's Gras.) Ich werde mich indessen in
das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen
herausblühen lassen und romantische Empfindungen beziehen,
wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen, wie
auf einer Rose.
Leonce. Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark,
oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über
den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen.

8 *
dieſe Helden, dieſe Genies, dieſe Dummköpfe, dieſe Heiligen,
dieſe Sünder, dieſe Familienväter ſind im Grunde nichts
als raffinirte Müßiggänger. — Warum muß ich es grade
wiſſen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der
armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenſchirm
in die Hand geben, daß ſie ſehr rechtlich und ſehr nützlich
und ſehr moraliſch würde? Ich bin ein elender Spaß-
macher! Warum kann ich meinen Spaß nicht auch mit
einem ernſthaften Geſichte vorbringen? — Der Mann, der
eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid
prügeln mögen. O wer einmal jemand Anderes ſein könnte!
Nur 'ne Minute lang. Wie der Menſch läuft! Wenn ich
nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte
laufen machen.

(Valerio, etwas betrunken, tritt auf.)
Valerio (ſtellt ſich dicht vor den Prinzen, legt den Finger
an die Naſe und ſieht ihn ſtarr an).
Ja!
Leonce (eben ſo). Richtig!
Valerio. Haben Sie mich begriffen?
Leonce. Vollkommen.
Valerio. Nun, ſo wollen wir von etwas Anderem
reden. (Er legt ſich in's Gras.) Ich werde mich indeſſen in
das Gras legen und meine Naſe oben zwiſchen den Halmen
herausblühen laſſen und romantiſche Empfindungen beziehen,
wenn die Bienen und Schmetterlinge ſich darauf wiegen, wie
auf einer Roſe.
Leonce. Aber Beſter, ſchnaufen Sie nicht ſo ſtark,
oder die Bienen und Schmetterlinge müſſen verhungern über
den ungeheuren Priſen, die Sie aus den Blumen ziehen.

8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <sp who="#LEO">
                <p><pb facs="#f0311" n="115"/>
die&#x017F;e Helden, die&#x017F;e Genies, die&#x017F;e Dummköpfe, die&#x017F;e Heiligen,<lb/>
die&#x017F;e Sünder, die&#x017F;e Familienväter &#x017F;ind im Grunde nichts<lb/>
als raffinirte Müßiggänger. &#x2014; Warum muß ich es grade<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der<lb/>
armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regen&#x017F;chirm<lb/>
in die Hand geben, daß &#x017F;ie &#x017F;ehr rechtlich und &#x017F;ehr nützlich<lb/>
und &#x017F;ehr morali&#x017F;ch würde? Ich bin ein elender Spaß-<lb/>
macher! Warum kann ich meinen Spaß nicht auch mit<lb/>
einem ern&#x017F;thaften Ge&#x017F;ichte vorbringen? &#x2014; Der Mann, der<lb/>
eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid<lb/>
prügeln mögen. O wer einmal jemand Anderes &#x017F;ein könnte!<lb/>
Nur 'ne Minute lang. Wie der Men&#x017F;ch läuft! Wenn ich<lb/>
nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte<lb/>
laufen machen.</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Valerio,</hi></hi> etwas betrunken, tritt auf.)</hi> </stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#VAL">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio</hi> </hi> </speaker>
                <stage>(&#x017F;tellt &#x017F;ich dicht vor den Prinzen, legt den Finger<lb/>
an die Na&#x017F;e und &#x017F;ieht ihn &#x017F;tarr an).</stage>
                <p>Ja!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce</hi> </hi> </speaker>
                <stage>(eben &#x017F;o).</stage>
                <p>Richtig!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#VAL">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Haben Sie mich begriffen?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Vollkommen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#VAL">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Nun, &#x017F;o wollen wir von etwas Anderem<lb/>
reden. <stage>(Er legt &#x017F;ich in's Gras.)</stage> Ich werde mich inde&#x017F;&#x017F;en in<lb/>
das Gras legen und meine Na&#x017F;e oben zwi&#x017F;chen den Halmen<lb/>
herausblühen la&#x017F;&#x017F;en und romanti&#x017F;che Empfindungen beziehen,<lb/>
wenn die Bienen und Schmetterlinge &#x017F;ich darauf wiegen, wie<lb/>
auf einer Ro&#x017F;e.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Aber Be&#x017F;ter, &#x017F;chnaufen Sie nicht &#x017F;o &#x017F;tark,<lb/>
oder die Bienen und Schmetterlinge mü&#x017F;&#x017F;en verhungern über<lb/>
den ungeheuren Pri&#x017F;en, die Sie aus den Blumen ziehen.</p>
              </sp><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">8 *</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0311] dieſe Helden, dieſe Genies, dieſe Dummköpfe, dieſe Heiligen, dieſe Sünder, dieſe Familienväter ſind im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. — Warum muß ich es grade wiſſen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenſchirm in die Hand geben, daß ſie ſehr rechtlich und ſehr nützlich und ſehr moraliſch würde? Ich bin ein elender Spaß- macher! Warum kann ich meinen Spaß nicht auch mit einem ernſthaften Geſichte vorbringen? — Der Mann, der eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid prügeln mögen. O wer einmal jemand Anderes ſein könnte! Nur 'ne Minute lang. Wie der Menſch läuft! Wenn ich nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte laufen machen. (Valerio, etwas betrunken, tritt auf.) Valerio (ſtellt ſich dicht vor den Prinzen, legt den Finger an die Naſe und ſieht ihn ſtarr an). Ja! Leonce (eben ſo). Richtig! Valerio. Haben Sie mich begriffen? Leonce. Vollkommen. Valerio. Nun, ſo wollen wir von etwas Anderem reden. (Er legt ſich in's Gras.) Ich werde mich indeſſen in das Gras legen und meine Naſe oben zwiſchen den Halmen herausblühen laſſen und romantiſche Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge ſich darauf wiegen, wie auf einer Roſe. Leonce. Aber Beſter, ſchnaufen Sie nicht ſo ſtark, oder die Bienen und Schmetterlinge müſſen verhungern über den ungeheuren Priſen, die Sie aus den Blumen ziehen. 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/311
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/311>, abgerufen am 19.03.2024.