Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Steppe.
Standest du je am Strande,
Wenn Tag und Nacht sich gleichen,
Und sah'st aus Lehm und Sande
Die Regenrinnen schleichen --
Zahllose Schmugglerquellen,
Und dann, so weit das Auge
Nur reicht, des Meeres Wellen
Gefärbt mit gelber Lauge? --
Hier ist die Dün' und drunten
Das Meer; Kanonen gleichend
Stehn Schäferkarrn, die Lunten
Verlöscht am Boden streichend.
Gilt's etwa dem Korsaren
Im flatternden Kaftane,
Den dort ich kann gewahren
Im gelben Oceane?
Er scheint das Tau zu schlagen,
Sein Schiff verdeckt die Düne,
Doch sieht den Mast man ragen, --
Ein dürrer Fichtenhüne;
Von seines Toppes Kunkel
Die Seile stramm wie Aeste,
Der Mastkorb, rauh und dunkel,
Gleicht einem Weihenneste! --

Die Steppe.
Standeſt du je am Strande,
Wenn Tag und Nacht ſich gleichen,
Und ſah'ſt aus Lehm und Sande
Die Regenrinnen ſchleichen —
Zahlloſe Schmugglerquellen,
Und dann, ſo weit das Auge
Nur reicht, des Meeres Wellen
Gefärbt mit gelber Lauge? —
Hier iſt die Dün' und drunten
Das Meer; Kanonen gleichend
Stehn Schäferkarrn, die Lunten
Verlöſcht am Boden ſtreichend.
Gilt's etwa dem Korſaren
Im flatternden Kaftane,
Den dort ich kann gewahren
Im gelben Oceane?
Er ſcheint das Tau zu ſchlagen,
Sein Schiff verdeckt die Düne,
Doch ſieht den Maſt man ragen, —
Ein dürrer Fichtenhüne;
Von ſeines Toppes Kunkel
Die Seile ſtramm wie Aeſte,
Der Maſtkorb, rauh und dunkel,
Gleicht einem Weihenneſte! —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0072" n="58"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Steppe.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Stande&#x017F;t du je am Strande,</l><lb/>
              <l>Wenn Tag und Nacht &#x017F;ich gleichen,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ah'&#x017F;t aus Lehm und Sande</l><lb/>
              <l>Die Regenrinnen &#x017F;chleichen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Zahllo&#x017F;e Schmugglerquellen,</l><lb/>
              <l>Und dann, &#x017F;o weit das Auge</l><lb/>
              <l>Nur reicht, des Meeres Wellen</l><lb/>
              <l>Gefärbt mit gelber Lauge? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Hier i&#x017F;t die Dün' und drunten</l><lb/>
              <l>Das Meer; Kanonen gleichend</l><lb/>
              <l>Stehn Schäferkarrn, die Lunten</l><lb/>
              <l>Verlö&#x017F;cht am Boden &#x017F;treichend.</l><lb/>
              <l>Gilt's etwa dem Kor&#x017F;aren</l><lb/>
              <l>Im flatternden Kaftane,</l><lb/>
              <l>Den dort ich kann gewahren</l><lb/>
              <l>Im gelben Oceane?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Er &#x017F;cheint das Tau zu &#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>Sein Schiff verdeckt die Düne,</l><lb/>
              <l>Doch &#x017F;ieht den Ma&#x017F;t man ragen, &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ein dürrer Fichtenhüne;</l><lb/>
              <l>Von &#x017F;eines Toppes Kunkel</l><lb/>
              <l>Die Seile &#x017F;tramm wie Ae&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Der Ma&#x017F;tkorb, rauh und dunkel,</l><lb/>
              <l>Gleicht einem Weihenne&#x017F;te! &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0072] Die Steppe. Standeſt du je am Strande, Wenn Tag und Nacht ſich gleichen, Und ſah'ſt aus Lehm und Sande Die Regenrinnen ſchleichen — Zahlloſe Schmugglerquellen, Und dann, ſo weit das Auge Nur reicht, des Meeres Wellen Gefärbt mit gelber Lauge? — Hier iſt die Dün' und drunten Das Meer; Kanonen gleichend Stehn Schäferkarrn, die Lunten Verlöſcht am Boden ſtreichend. Gilt's etwa dem Korſaren Im flatternden Kaftane, Den dort ich kann gewahren Im gelben Oceane? Er ſcheint das Tau zu ſchlagen, Sein Schiff verdeckt die Düne, Doch ſieht den Maſt man ragen, — Ein dürrer Fichtenhüne; Von ſeines Toppes Kunkel Die Seile ſtramm wie Aeſte, Der Maſtkorb, rauh und dunkel, Gleicht einem Weihenneſte! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/72
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/72>, abgerufen am 26.04.2024.