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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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1789.

Am 2. Januar 1789 genas die Ingenheim eines Sohnes.
Der König war sehr erfreut. Unterm 4. Januar heißt es im Tage-
buch: "Das Kind wurde heute getauft. Der König hielt es selbst
über die Taufe und es empfing die Namen Gustav Adolf
Wilhelm
. Juliens Bruder (der spätere Minister), der Minister
v. Bischofswerder und ich waren die Pathen. Der König selbst
war fast den ganzen Tag bei der Kranken. Es ist wahr, er ist
wirklich der beste Prinz, den man auf der ganzen Welt finden
kann. Leider nur, daß er so willensschwach, so ohne Energie und
zuweilen so heftig ist."

Im Anfang ging alles gut mit der jungen Wöchnerin; aber sie
schonte sich nicht genug, verließ das Bett zu früh und erkältete sich
aufs heftigste. Dabei war der Einfluß der Rietz ihre beständige
Sorge, trotzdem es nicht an Aufmerksamkeiten und Geschenken von
Seiten des Königs fehlte. So sandte er ihr ein kleines Etui mit
50,000 Thalern und sein mit den schönsten Brillanten besetztes
Portrait. Zum 5. Februar war eine große Cour angesagt und
Julie wollte dabei nicht fehlen. "Ich fürchte, daß sie sich schadet"
schreibt die Oberhofmeisterin am selben Tage. Am 24. Februar
heißt es dann: "Julie hat Fieber und Husten" und schon am
5. März: "Ich kann nicht sagen, wie weh es mir thut. Man
fürchtet die galopirende Schwindsucht. Der König ist außer sich."
Am 25. starb sie. "Welch ein Tag des Unglücks! Um 8 Uhr
Abend verschied die arme Julie. Kein Mensch ahnte die nahe
Gefahr. Ich ging erst am Abend zu ihr, aber die Prinzessin
Friederike, die bei ihr war, redete mir ab, "sie sei zu angegriffen."
Und so hab ich sie nicht mehr gesehn. Ich beweine sie recht von
Herzen und alle beweinen sie mit mir. Es ist furchtbar rasch ge-
gangen. Sie starb im Schloß, in demselben Zimmer, in dem ihr
Kind geboren wurde."

Der König war in Verzweiflung und konnte sich nicht trösten
und beruhigen. Auch gebrach es nicht an allgemeiner Theilnahme,
ja das Volk wollte sichs nicht ausreden lassen, daß sie durch ein
Glas Limonade vergiftet worden sei, weshalb der König, als er
von diesem Verdachte hörte, die Obduction befahl. Diese bewies

1789.

Am 2. Januar 1789 genas die Ingenheim eines Sohnes.
Der König war ſehr erfreut. Unterm 4. Januar heißt es im Tage-
buch: „Das Kind wurde heute getauft. Der König hielt es ſelbſt
über die Taufe und es empfing die Namen Guſtav Adolf
Wilhelm
. Juliens Bruder (der ſpätere Miniſter), der Miniſter
v. Biſchofswerder und ich waren die Pathen. Der König ſelbſt
war faſt den ganzen Tag bei der Kranken. Es iſt wahr, er iſt
wirklich der beſte Prinz, den man auf der ganzen Welt finden
kann. Leider nur, daß er ſo willensſchwach, ſo ohne Energie und
zuweilen ſo heftig iſt.“

Im Anfang ging alles gut mit der jungen Wöchnerin; aber ſie
ſchonte ſich nicht genug, verließ das Bett zu früh und erkältete ſich
aufs heftigſte. Dabei war der Einfluß der Rietz ihre beſtändige
Sorge, trotzdem es nicht an Aufmerkſamkeiten und Geſchenken von
Seiten des Königs fehlte. So ſandte er ihr ein kleines Etui mit
50,000 Thalern und ſein mit den ſchönſten Brillanten beſetztes
Portrait. Zum 5. Februar war eine große Cour angeſagt und
Julie wollte dabei nicht fehlen. „Ich fürchte, daß ſie ſich ſchadet“
ſchreibt die Oberhofmeiſterin am ſelben Tage. Am 24. Februar
heißt es dann: „Julie hat Fieber und Huſten“ und ſchon am
5. März: „Ich kann nicht ſagen, wie weh es mir thut. Man
fürchtet die galopirende Schwindſucht. Der König iſt außer ſich.“
Am 25. ſtarb ſie. „Welch ein Tag des Unglücks! Um 8 Uhr
Abend verſchied die arme Julie. Kein Menſch ahnte die nahe
Gefahr. Ich ging erſt am Abend zu ihr, aber die Prinzeſſin
Friederike, die bei ihr war, redete mir ab, „ſie ſei zu angegriffen.“
Und ſo hab ich ſie nicht mehr geſehn. Ich beweine ſie recht von
Herzen und alle beweinen ſie mit mir. Es iſt furchtbar raſch ge-
gangen. Sie ſtarb im Schloß, in demſelben Zimmer, in dem ihr
Kind geboren wurde.“

Der König war in Verzweiflung und konnte ſich nicht tröſten
und beruhigen. Auch gebrach es nicht an allgemeiner Theilnahme,
ja das Volk wollte ſichs nicht ausreden laſſen, daß ſie durch ein
Glas Limonade vergiftet worden ſei, weshalb der König, als er
von dieſem Verdachte hörte, die Obduction befahl. Dieſe bewies

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[185/0201] 1789. Am 2. Januar 1789 genas die Ingenheim eines Sohnes. Der König war ſehr erfreut. Unterm 4. Januar heißt es im Tage- buch: „Das Kind wurde heute getauft. Der König hielt es ſelbſt über die Taufe und es empfing die Namen Guſtav Adolf Wilhelm. Juliens Bruder (der ſpätere Miniſter), der Miniſter v. Biſchofswerder und ich waren die Pathen. Der König ſelbſt war faſt den ganzen Tag bei der Kranken. Es iſt wahr, er iſt wirklich der beſte Prinz, den man auf der ganzen Welt finden kann. Leider nur, daß er ſo willensſchwach, ſo ohne Energie und zuweilen ſo heftig iſt.“ Im Anfang ging alles gut mit der jungen Wöchnerin; aber ſie ſchonte ſich nicht genug, verließ das Bett zu früh und erkältete ſich aufs heftigſte. Dabei war der Einfluß der Rietz ihre beſtändige Sorge, trotzdem es nicht an Aufmerkſamkeiten und Geſchenken von Seiten des Königs fehlte. So ſandte er ihr ein kleines Etui mit 50,000 Thalern und ſein mit den ſchönſten Brillanten beſetztes Portrait. Zum 5. Februar war eine große Cour angeſagt und Julie wollte dabei nicht fehlen. „Ich fürchte, daß ſie ſich ſchadet“ ſchreibt die Oberhofmeiſterin am ſelben Tage. Am 24. Februar heißt es dann: „Julie hat Fieber und Huſten“ und ſchon am 5. März: „Ich kann nicht ſagen, wie weh es mir thut. Man fürchtet die galopirende Schwindſucht. Der König iſt außer ſich.“ Am 25. ſtarb ſie. „Welch ein Tag des Unglücks! Um 8 Uhr Abend verſchied die arme Julie. Kein Menſch ahnte die nahe Gefahr. Ich ging erſt am Abend zu ihr, aber die Prinzeſſin Friederike, die bei ihr war, redete mir ab, „ſie ſei zu angegriffen.“ Und ſo hab ich ſie nicht mehr geſehn. Ich beweine ſie recht von Herzen und alle beweinen ſie mit mir. Es iſt furchtbar raſch ge- gangen. Sie ſtarb im Schloß, in demſelben Zimmer, in dem ihr Kind geboren wurde.“ Der König war in Verzweiflung und konnte ſich nicht tröſten und beruhigen. Auch gebrach es nicht an allgemeiner Theilnahme, ja das Volk wollte ſichs nicht ausreden laſſen, daß ſie durch ein Glas Limonade vergiftet worden ſei, weshalb der König, als er von dieſem Verdachte hörte, die Obduction befahl. Dieſe bewies

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/201>, abgerufen am 26.04.2024.