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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten
sich einen grünen beschatteten Platz, über den sie einen Teppich ausbreiten, trinken da
Kaffee und haben gewöhnlich einen Sklaven bey sich, der eine feine Stimme singt
oder auf einem Instrumente spielt. *) Die Harams oder Frauenzimmerwohnungen
der Türken, die von dem öffentlichen Anblick entfernt liegen, sind gemeiniglich mit
Gärten umgeben, in welche die Damen aus ihren Zimmern die Aussicht haben.
Diese Gärten, die mit hohen Mauern umschlossen sind, haben nichts von Parterren,
sondern sind mit hohen Bäumen bepflanzt, die einen anmuthigen Schatten und einen
reizenden Anblick geben. In der Mitte des Gartens ist der Chiosk, ein großes
Zimmer, das gemeiniglich mit einem schönen Brunnen in der Mitte prangt. Es
ist neun bis zehn Stufen hoch, und mit vergoldetem Gitterwerk bezäunet, um welches
sich Weinreben, Jesminen und Geisblatt winden, und eine Art von grüner Mauer
machen. Rund um diesen Ort sind breite Bäume gepflanzt; er ist die Scene ihrer
Ergötzungen, und die Damen bringen da ihre meisten Stunden mit Musik und
Stickwerk zu.

An den Gärten um Smyrna, bemerkte Hasselquist, **) hat die Kunst kaum
die Hand angelegt, außer zur Pflanzung der Pomeranzenbäume, die hier nicht wild
wachsen, aber doch in großer Menge gefunden werden. Die Natur ist hier schön
und milde. Wenn man ihr einige Hülfe leistete, so würde man hier weit schönere
Gärten zu Stande bringen, als diejenigen sind, die unser nordliches Europa zieren.
Man findet hier in den Gärten eine Menge Pomeranzenbäume; Feigen-, Oliven- und
Granatbäume stehen hie und da ohne Ordnung unter einander; Pappelbäume sind
ganz gewöhnlich. Cypressen wachsen hin und wieder, und steigen, wie die schönsten
Pyramiden, bis in die Wolken. Dieses ist wohl der größte Schmuck, den die Na-
tur diesen Gegenden geschenkt hat. -- Nicht weniger rühmt Chandler ***) den
natürlichen Reiz der Gegend um Smyrna. Das Grün war im December so
schön, als er es jemals gesehen hatte. Ringelblumen und Anemonen schossen von
selbst und in großer Menge zwischen den Rasen unter Oelbäumen auf. Ganze Ge-
büsche von Myrthen in der Blüte schmückten das unangebauete Land, und in den
Gärten schimmerte die goldene Frucht zwischen den tiefgrünen Blättern der Orangen-
bäume hervor. Man sahe eine Menge Narcissen und Hyacinthen. Früh im Fe-
bruar blüheten die Mandelbäume; Rosen und Nelken waren gemein und wurden in
den Sträußen verkauft. Chandler hatte, wenige Tage ausgenommen, einen blauen

Himmel,
*) Briefe der Lady Montague.
**) Reise nach Palästina in den Jahren 1749-1752. Aus dem Schwedischen. 1762.
S. 31.
***) Reisen in klein Asien. Aus dem Englischen. 1776. S. 112.

Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
ſich einen gruͤnen beſchatteten Platz, uͤber den ſie einen Teppich ausbreiten, trinken da
Kaffee und haben gewoͤhnlich einen Sklaven bey ſich, der eine feine Stimme ſingt
oder auf einem Inſtrumente ſpielt. *) Die Harams oder Frauenzimmerwohnungen
der Tuͤrken, die von dem oͤffentlichen Anblick entfernt liegen, ſind gemeiniglich mit
Gaͤrten umgeben, in welche die Damen aus ihren Zimmern die Ausſicht haben.
Dieſe Gaͤrten, die mit hohen Mauern umſchloſſen ſind, haben nichts von Parterren,
ſondern ſind mit hohen Baͤumen bepflanzt, die einen anmuthigen Schatten und einen
reizenden Anblick geben. In der Mitte des Gartens iſt der Chiosk, ein großes
Zimmer, das gemeiniglich mit einem ſchoͤnen Brunnen in der Mitte prangt. Es
iſt neun bis zehn Stufen hoch, und mit vergoldetem Gitterwerk bezaͤunet, um welches
ſich Weinreben, Jesminen und Geisblatt winden, und eine Art von gruͤner Mauer
machen. Rund um dieſen Ort ſind breite Baͤume gepflanzt; er iſt die Scene ihrer
Ergoͤtzungen, und die Damen bringen da ihre meiſten Stunden mit Muſik und
Stickwerk zu.

An den Gaͤrten um Smyrna, bemerkte Haſſelquiſt, **) hat die Kunſt kaum
die Hand angelegt, außer zur Pflanzung der Pomeranzenbaͤume, die hier nicht wild
wachſen, aber doch in großer Menge gefunden werden. Die Natur iſt hier ſchoͤn
und milde. Wenn man ihr einige Huͤlfe leiſtete, ſo wuͤrde man hier weit ſchoͤnere
Gaͤrten zu Stande bringen, als diejenigen ſind, die unſer nordliches Europa zieren.
Man findet hier in den Gaͤrten eine Menge Pomeranzenbaͤume; Feigen-, Oliven- und
Granatbaͤume ſtehen hie und da ohne Ordnung unter einander; Pappelbaͤume ſind
ganz gewoͤhnlich. Cypreſſen wachſen hin und wieder, und ſteigen, wie die ſchoͤnſten
Pyramiden, bis in die Wolken. Dieſes iſt wohl der groͤßte Schmuck, den die Na-
tur dieſen Gegenden geſchenkt hat. — Nicht weniger ruͤhmt Chandler ***) den
natuͤrlichen Reiz der Gegend um Smyrna. Das Gruͤn war im December ſo
ſchoͤn, als er es jemals geſehen hatte. Ringelblumen und Anemonen ſchoſſen von
ſelbſt und in großer Menge zwiſchen den Raſen unter Oelbaͤumen auf. Ganze Ge-
buͤſche von Myrthen in der Bluͤte ſchmuͤckten das unangebauete Land, und in den
Gaͤrten ſchimmerte die goldene Frucht zwiſchen den tiefgruͤnen Blaͤttern der Orangen-
baͤume hervor. Man ſahe eine Menge Narciſſen und Hyacinthen. Fruͤh im Fe-
bruar bluͤheten die Mandelbaͤume; Roſen und Nelken waren gemein und wurden in
den Straͤußen verkauft. Chandler hatte, wenige Tage ausgenommen, einen blauen

Himmel,
*) Briefe der Lady Montague.
**) Reiſe nach Palaͤſtina in den Jahren 1749-1752. Aus dem Schwediſchen. 1762.
S. 31.
***) Reiſen in klein Aſien. Aus dem Engliſchen. 1776. S. 112.
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[104/0118] Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten ſich einen gruͤnen beſchatteten Platz, uͤber den ſie einen Teppich ausbreiten, trinken da Kaffee und haben gewoͤhnlich einen Sklaven bey ſich, der eine feine Stimme ſingt oder auf einem Inſtrumente ſpielt. *) Die Harams oder Frauenzimmerwohnungen der Tuͤrken, die von dem oͤffentlichen Anblick entfernt liegen, ſind gemeiniglich mit Gaͤrten umgeben, in welche die Damen aus ihren Zimmern die Ausſicht haben. Dieſe Gaͤrten, die mit hohen Mauern umſchloſſen ſind, haben nichts von Parterren, ſondern ſind mit hohen Baͤumen bepflanzt, die einen anmuthigen Schatten und einen reizenden Anblick geben. In der Mitte des Gartens iſt der Chiosk, ein großes Zimmer, das gemeiniglich mit einem ſchoͤnen Brunnen in der Mitte prangt. Es iſt neun bis zehn Stufen hoch, und mit vergoldetem Gitterwerk bezaͤunet, um welches ſich Weinreben, Jesminen und Geisblatt winden, und eine Art von gruͤner Mauer machen. Rund um dieſen Ort ſind breite Baͤume gepflanzt; er iſt die Scene ihrer Ergoͤtzungen, und die Damen bringen da ihre meiſten Stunden mit Muſik und Stickwerk zu. An den Gaͤrten um Smyrna, bemerkte Haſſelquiſt, **) hat die Kunſt kaum die Hand angelegt, außer zur Pflanzung der Pomeranzenbaͤume, die hier nicht wild wachſen, aber doch in großer Menge gefunden werden. Die Natur iſt hier ſchoͤn und milde. Wenn man ihr einige Huͤlfe leiſtete, ſo wuͤrde man hier weit ſchoͤnere Gaͤrten zu Stande bringen, als diejenigen ſind, die unſer nordliches Europa zieren. Man findet hier in den Gaͤrten eine Menge Pomeranzenbaͤume; Feigen-, Oliven- und Granatbaͤume ſtehen hie und da ohne Ordnung unter einander; Pappelbaͤume ſind ganz gewoͤhnlich. Cypreſſen wachſen hin und wieder, und ſteigen, wie die ſchoͤnſten Pyramiden, bis in die Wolken. Dieſes iſt wohl der groͤßte Schmuck, den die Na- tur dieſen Gegenden geſchenkt hat. — Nicht weniger ruͤhmt Chandler ***) den natuͤrlichen Reiz der Gegend um Smyrna. Das Gruͤn war im December ſo ſchoͤn, als er es jemals geſehen hatte. Ringelblumen und Anemonen ſchoſſen von ſelbſt und in großer Menge zwiſchen den Raſen unter Oelbaͤumen auf. Ganze Ge- buͤſche von Myrthen in der Bluͤte ſchmuͤckten das unangebauete Land, und in den Gaͤrten ſchimmerte die goldene Frucht zwiſchen den tiefgruͤnen Blaͤttern der Orangen- baͤume hervor. Man ſahe eine Menge Narciſſen und Hyacinthen. Fruͤh im Fe- bruar bluͤheten die Mandelbaͤume; Roſen und Nelken waren gemein und wurden in den Straͤußen verkauft. Chandler hatte, wenige Tage ausgenommen, einen blauen Himmel, *) Briefe der Lady Montague. **) Reiſe nach Palaͤſtina in den Jahren 1749-1752. Aus dem Schwediſchen. 1762. S. 31. ***) Reiſen in klein Aſien. Aus dem Engliſchen. 1776. S. 112.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/118>, abgerufen am 26.04.2024.