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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt.
Vom Wasser
.

Wie viel Schönheiten und vortheilhafte Wirkungen das Wasser überhaupt
für die Landschaft hat, davon ist schon ein allgemeiner Begriff mitge-
theilt.*)

In Ansehung sowohl der Größe, als auch besonders der Ruhe und der Bewe-
gung, zeigt uns die Natur das Wasser unter verschiedenen Gestalten und Charakteren.
Sie zeigt es uns bald stehend, bald laufend, bald fallend. Zu dem ersten Charakter
gehören Meer, Landsee, Teich, Wasserstück; zu dem zweyten, Strom, Fluß,
Bach; zu dem dritten, Wasserguß, Wasserfall, Wassersturz (Katarakt).

1.
Meer.

Das Meer unterwirft sich zwar nicht der Hand des Menschen; es läßt sich zu kei-
nem Theil seiner Anlage zwingen. Allein es kann doch durch die Aussicht mit seinen Sce-
nen verbunden werden, so wie sich nur durch die Aussicht von ihm ein Gebrauch ma-
chen läßt. Durch Bearbeitung und Bepflanzung des Ufers können indessen die Pro-
specte auf eine mannichfaltige Weise verändert werden; und dadurch kann die Kunst
eine Art von Herrschaft über das ungeheureste Element erlangen.

Das Meer ist eine Quelle sehr erhabener Bewegungen; es giebt alle die Em-
pfindungen, die aus Tiefe, Ausdehnung und Unermeßlichkeit entspringen. Durch
die Zufälligkeit eines Sturms oder Gewitters stellt es die prächtigste und feyerlichste
Scene vor, die das menschliche Herz ergreift, und es über sich selbst erhebt. Und in
den schwimmenden Palästen, die oft blos am Horizont zu hängen scheinen,
schwebt dem Zuschauer die Kühnheit und Stärke des menschlichen Geistes immer vor
Augen.

Anhöhen
*) S. 1 B. S. 200 u. s. w.
L 3

Fuͤnfter Abſchnitt.
Vom Waſſer
.

Wie viel Schoͤnheiten und vortheilhafte Wirkungen das Waſſer uͤberhaupt
fuͤr die Landſchaft hat, davon iſt ſchon ein allgemeiner Begriff mitge-
theilt.*)

In Anſehung ſowohl der Groͤße, als auch beſonders der Ruhe und der Bewe-
gung, zeigt uns die Natur das Waſſer unter verſchiedenen Geſtalten und Charakteren.
Sie zeigt es uns bald ſtehend, bald laufend, bald fallend. Zu dem erſten Charakter
gehoͤren Meer, Landſee, Teich, Waſſerſtuͤck; zu dem zweyten, Strom, Fluß,
Bach; zu dem dritten, Waſſerguß, Waſſerfall, Waſſerſturz (Katarakt).

1.
Meer.

Das Meer unterwirft ſich zwar nicht der Hand des Menſchen; es laͤßt ſich zu kei-
nem Theil ſeiner Anlage zwingen. Allein es kann doch durch die Ausſicht mit ſeinen Sce-
nen verbunden werden, ſo wie ſich nur durch die Ausſicht von ihm ein Gebrauch ma-
chen laͤßt. Durch Bearbeitung und Bepflanzung des Ufers koͤnnen indeſſen die Pro-
ſpecte auf eine mannichfaltige Weiſe veraͤndert werden; und dadurch kann die Kunſt
eine Art von Herrſchaft uͤber das ungeheureſte Element erlangen.

Das Meer iſt eine Quelle ſehr erhabener Bewegungen; es giebt alle die Em-
pfindungen, die aus Tiefe, Ausdehnung und Unermeßlichkeit entſpringen. Durch
die Zufaͤlligkeit eines Sturms oder Gewitters ſtellt es die praͤchtigſte und feyerlichſte
Scene vor, die das menſchliche Herz ergreift, und es uͤber ſich ſelbſt erhebt. Und in
den ſchwimmenden Palaͤſten, die oft blos am Horizont zu haͤngen ſcheinen,
ſchwebt dem Zuſchauer die Kuͤhnheit und Staͤrke des menſchlichen Geiſtes immer vor
Augen.

Anhoͤhen
*) S. 1 B. S. 200 u. ſ. w.
L 3
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[85/0089] Fuͤnfter Abſchnitt. Vom Waſſer. Wie viel Schoͤnheiten und vortheilhafte Wirkungen das Waſſer uͤberhaupt fuͤr die Landſchaft hat, davon iſt ſchon ein allgemeiner Begriff mitge- theilt. *) In Anſehung ſowohl der Groͤße, als auch beſonders der Ruhe und der Bewe- gung, zeigt uns die Natur das Waſſer unter verſchiedenen Geſtalten und Charakteren. Sie zeigt es uns bald ſtehend, bald laufend, bald fallend. Zu dem erſten Charakter gehoͤren Meer, Landſee, Teich, Waſſerſtuͤck; zu dem zweyten, Strom, Fluß, Bach; zu dem dritten, Waſſerguß, Waſſerfall, Waſſerſturz (Katarakt). 1. Meer. Das Meer unterwirft ſich zwar nicht der Hand des Menſchen; es laͤßt ſich zu kei- nem Theil ſeiner Anlage zwingen. Allein es kann doch durch die Ausſicht mit ſeinen Sce- nen verbunden werden, ſo wie ſich nur durch die Ausſicht von ihm ein Gebrauch ma- chen laͤßt. Durch Bearbeitung und Bepflanzung des Ufers koͤnnen indeſſen die Pro- ſpecte auf eine mannichfaltige Weiſe veraͤndert werden; und dadurch kann die Kunſt eine Art von Herrſchaft uͤber das ungeheureſte Element erlangen. Das Meer iſt eine Quelle ſehr erhabener Bewegungen; es giebt alle die Em- pfindungen, die aus Tiefe, Ausdehnung und Unermeßlichkeit entſpringen. Durch die Zufaͤlligkeit eines Sturms oder Gewitters ſtellt es die praͤchtigſte und feyerlichſte Scene vor, die das menſchliche Herz ergreift, und es uͤber ſich ſelbſt erhebt. Und in den ſchwimmenden Palaͤſten, die oft blos am Horizont zu haͤngen ſcheinen, ſchwebt dem Zuſchauer die Kuͤhnheit und Staͤrke des menſchlichen Geiſtes immer vor Augen. Anhoͤhen *) S. 1 B. S. 200 u. ſ. w. L 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/89>, abgerufen am 26.04.2024.