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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Anhang. Beschreibungen

In beyde Gegenden, gegen Osten sowohl als gegen Norden, laufen von diesen
Rasenplätzen gerade Alleen ab, welche in die freyeren Anlagen, in die Spaziergänge
und in die Wälder führen.

Auf der östlichen Seite streicht das Auge in die Landschaft durch eine hohe wal-
digte Allee, die sich zwischen anliegenden Wäldern erhebt, und von Eschen, Weiden,
Ellern, Linden, Haseln und andern Geschlechtern dicht bepflanzt ist. Auf der rechten
Seite liegt ein junger Hain von Eichen, auf der linken ein anderer von Tannen mit
geraden Alleen und schlängelnden Gängen abwechselnd; und ganz nahe an sie gränzen
noch andre Wälder, die durch eine Ahornallee mit den nordlichen Wäldern, die aus
alten ehrwürdigen Eichen mit Buchen und Untergebüsch untermischt bestehen, verbun-
den werden. Die auf der Nordseite liegenden Wälder sind groß, frey, voll natürlicher
Schönheit, hie und da mit Grasplätzen und Aussichten erheitert, und mit windenden
Gängen durchschnitten, worinn angenehme Rasensitze liegen. Und zwischen diesen
Wäldern sind Alleen von Ahorn, von Linden, und von Eichen gepflanzt, die sich an
die Waldbäume schließen, ein verändertes Grün und reizende Spaziergänge geben.
Die angepflanzten Bäume stehen auf natürlichen Rasen, und wachsen in ihrer glückli-
chen Freyheit. Man findet überall eine schöne, sich selbst überlassene Natur; alles
ist ausgedehnt, frey und unverstellt. Ein Schein von Wildniß, der über das Ganze
herrscht, ist an einem Orte von einer solchen Bestimmung, wie dieser hat, überaus
schicklich. Er verlangt Größe und keine künstliche Verzierungen; die Verwilderung
in Dickigte, die Dunkelheit und die Einsamkeit der Wälder vereinigen sich zur Ver-
stärkung der Eindrücke, die hier die Seele empfangen soll.

Jägerspreis ist ein Park von einem feyerlichen Charakter, den großen und hei-
ligen Bewegungen gewidmet, die aus der Gegenwart der Denkmäler sowohl des ho-
hen Alterthums, als auch der ehrwürdigen Männer dieser Reiche, nur entspringen
können.

Man sieht hier Grabmäler, wo die Gebeine der alten Helden Nordens ruhen,
in Kammern von Steinen, die der Zeit eben so unbezwingbar waren, als ihr Muth
ihren Feinden war. Indem man diese Oerter betritt, so empfindet die Seele das
Ehrwürdige jener Zeiten, wo edle Einfalt des Herzens und feste Männlichkeit der Tu-
gend bey rohen Sitten wohnte. Eines von diesen Grabmälern ruhet in einem Walde
auf der Nordseite. Es bestehet aus Feldsteinen, in der Höhlung eines Hügels, wel-
che für zwanzig stehende Personen Raum hat; über dem Hügel breiten zwey alte krum-

me
Anhang. Beſchreibungen

In beyde Gegenden, gegen Oſten ſowohl als gegen Norden, laufen von dieſen
Raſenplaͤtzen gerade Alleen ab, welche in die freyeren Anlagen, in die Spaziergaͤnge
und in die Waͤlder fuͤhren.

Auf der oͤſtlichen Seite ſtreicht das Auge in die Landſchaft durch eine hohe wal-
digte Allee, die ſich zwiſchen anliegenden Waͤldern erhebt, und von Eſchen, Weiden,
Ellern, Linden, Haſeln und andern Geſchlechtern dicht bepflanzt iſt. Auf der rechten
Seite liegt ein junger Hain von Eichen, auf der linken ein anderer von Tannen mit
geraden Alleen und ſchlaͤngelnden Gaͤngen abwechſelnd; und ganz nahe an ſie graͤnzen
noch andre Waͤlder, die durch eine Ahornallee mit den nordlichen Waͤldern, die aus
alten ehrwuͤrdigen Eichen mit Buchen und Untergebuͤſch untermiſcht beſtehen, verbun-
den werden. Die auf der Nordſeite liegenden Waͤlder ſind groß, frey, voll natuͤrlicher
Schoͤnheit, hie und da mit Grasplaͤtzen und Ausſichten erheitert, und mit windenden
Gaͤngen durchſchnitten, worinn angenehme Raſenſitze liegen. Und zwiſchen dieſen
Waͤldern ſind Alleen von Ahorn, von Linden, und von Eichen gepflanzt, die ſich an
die Waldbaͤume ſchließen, ein veraͤndertes Gruͤn und reizende Spaziergaͤnge geben.
Die angepflanzten Baͤume ſtehen auf natuͤrlichen Raſen, und wachſen in ihrer gluͤckli-
chen Freyheit. Man findet uͤberall eine ſchoͤne, ſich ſelbſt uͤberlaſſene Natur; alles
iſt ausgedehnt, frey und unverſtellt. Ein Schein von Wildniß, der uͤber das Ganze
herrſcht, iſt an einem Orte von einer ſolchen Beſtimmung, wie dieſer hat, uͤberaus
ſchicklich. Er verlangt Groͤße und keine kuͤnſtliche Verzierungen; die Verwilderung
in Dickigte, die Dunkelheit und die Einſamkeit der Waͤlder vereinigen ſich zur Ver-
ſtaͤrkung der Eindruͤcke, die hier die Seele empfangen ſoll.

Jaͤgerspreis iſt ein Park von einem feyerlichen Charakter, den großen und hei-
ligen Bewegungen gewidmet, die aus der Gegenwart der Denkmaͤler ſowohl des ho-
hen Alterthums, als auch der ehrwuͤrdigen Maͤnner dieſer Reiche, nur entſpringen
koͤnnen.

Man ſieht hier Grabmaͤler, wo die Gebeine der alten Helden Nordens ruhen,
in Kammern von Steinen, die der Zeit eben ſo unbezwingbar waren, als ihr Muth
ihren Feinden war. Indem man dieſe Oerter betritt, ſo empfindet die Seele das
Ehrwuͤrdige jener Zeiten, wo edle Einfalt des Herzens und feſte Maͤnnlichkeit der Tu-
gend bey rohen Sitten wohnte. Eines von dieſen Grabmaͤlern ruhet in einem Walde
auf der Nordſeite. Es beſtehet aus Feldſteinen, in der Hoͤhlung eines Huͤgels, wel-
che fuͤr zwanzig ſtehende Perſonen Raum hat; uͤber dem Huͤgel breiten zwey alte krum-

me
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[198/0209] Anhang. Beſchreibungen In beyde Gegenden, gegen Oſten ſowohl als gegen Norden, laufen von dieſen Raſenplaͤtzen gerade Alleen ab, welche in die freyeren Anlagen, in die Spaziergaͤnge und in die Waͤlder fuͤhren. Auf der oͤſtlichen Seite ſtreicht das Auge in die Landſchaft durch eine hohe wal- digte Allee, die ſich zwiſchen anliegenden Waͤldern erhebt, und von Eſchen, Weiden, Ellern, Linden, Haſeln und andern Geſchlechtern dicht bepflanzt iſt. Auf der rechten Seite liegt ein junger Hain von Eichen, auf der linken ein anderer von Tannen mit geraden Alleen und ſchlaͤngelnden Gaͤngen abwechſelnd; und ganz nahe an ſie graͤnzen noch andre Waͤlder, die durch eine Ahornallee mit den nordlichen Waͤldern, die aus alten ehrwuͤrdigen Eichen mit Buchen und Untergebuͤſch untermiſcht beſtehen, verbun- den werden. Die auf der Nordſeite liegenden Waͤlder ſind groß, frey, voll natuͤrlicher Schoͤnheit, hie und da mit Grasplaͤtzen und Ausſichten erheitert, und mit windenden Gaͤngen durchſchnitten, worinn angenehme Raſenſitze liegen. Und zwiſchen dieſen Waͤldern ſind Alleen von Ahorn, von Linden, und von Eichen gepflanzt, die ſich an die Waldbaͤume ſchließen, ein veraͤndertes Gruͤn und reizende Spaziergaͤnge geben. Die angepflanzten Baͤume ſtehen auf natuͤrlichen Raſen, und wachſen in ihrer gluͤckli- chen Freyheit. Man findet uͤberall eine ſchoͤne, ſich ſelbſt uͤberlaſſene Natur; alles iſt ausgedehnt, frey und unverſtellt. Ein Schein von Wildniß, der uͤber das Ganze herrſcht, iſt an einem Orte von einer ſolchen Beſtimmung, wie dieſer hat, uͤberaus ſchicklich. Er verlangt Groͤße und keine kuͤnſtliche Verzierungen; die Verwilderung in Dickigte, die Dunkelheit und die Einſamkeit der Waͤlder vereinigen ſich zur Ver- ſtaͤrkung der Eindruͤcke, die hier die Seele empfangen ſoll. Jaͤgerspreis iſt ein Park von einem feyerlichen Charakter, den großen und hei- ligen Bewegungen gewidmet, die aus der Gegenwart der Denkmaͤler ſowohl des ho- hen Alterthums, als auch der ehrwuͤrdigen Maͤnner dieſer Reiche, nur entſpringen koͤnnen. Man ſieht hier Grabmaͤler, wo die Gebeine der alten Helden Nordens ruhen, in Kammern von Steinen, die der Zeit eben ſo unbezwingbar waren, als ihr Muth ihren Feinden war. Indem man dieſe Oerter betritt, ſo empfindet die Seele das Ehrwuͤrdige jener Zeiten, wo edle Einfalt des Herzens und feſte Maͤnnlichkeit der Tu- gend bey rohen Sitten wohnte. Eines von dieſen Grabmaͤlern ruhet in einem Walde auf der Nordſeite. Es beſtehet aus Feldſteinen, in der Hoͤhlung eines Huͤgels, wel- che fuͤr zwanzig ſtehende Perſonen Raum hat; uͤber dem Huͤgel breiten zwey alte krum- me

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/209>, abgerufen am 26.04.2024.