Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite


So bald man anfieng auf dem Lande und in den Gärten seinen Aufenthalt zu
nehmen, führte zuerst die Nothwendigkeit Wohngebäude ein. Die Fürsten
baueten Lustschlösser, und der Adel und der Bürger Landhäuser, die nach Umfang,
Architektur, Einrichtung und Charakter von einer großen Verschiedenheit waren.
Man führte sowohl in größern als in kleinern Gärten minder beträchtliche Gebäude
ein, sowohl zur Verzierung, als auch zum kurzen Aufenthalt und zum Genuß ländli-
cher Vergnügungen. Es entstanden kleine Gartengebäude, Pavillons, Lusthäuser,
Lustkabinetre, Vogelhäuser u. s. w. Man suchte nicht lange darauf den Bezirk der
Ergötzungen, der Einbildungskraft und des Geschmacks zu erweitern, indem man
Gebäude einführte, die zu dieser Absicht behülflich schienen. Man legte Grotten,
Einsiedeleyen, Ruinen, Tempel an, nicht sowohl zur Bewohnung, als vielmehr,
um mit diesen nachgeahmten Werken die Phantasie zu beschäftigen, und die Garten-
plätze mehr zu beleben. Man zierte sie mit Inschriften. Zum Ausruhen waren
Sitze, zur Verbindung der getrennten Theile Brücken und Thore nöthig; man er-
kannte indessen, daß sie zugleich Mittel der Verzierung werden konnten. Man gieng
weiter. Man stellte Statüen und Monumente auf.

Es ist sichtbar, daß ein Theil dieser Werke der Künste mehr Nothdurft und
Bequemlichkeit, ein anderer Theil mehr Verzierung ist. Zuweilen kann einerley
Gegenstand an einem Ort Bedürfniß, und an einem andern Orte bloße Verschöne-
rung seyn. In sehr vielen Fällen kann diese so hervorstechend werden, daß man ver-
gißt, daß die Nothwendigkeit die erste Veranlassung dazu gab.

Die ältesten Gärten waren von Werken der Künste noch sehr entblößt; in einer
bemoosten Hütte, in einem prachtlosen Landhäuschen sättigte sich der unverwöhnte

Geschmack
A 2


So bald man anfieng auf dem Lande und in den Gaͤrten ſeinen Aufenthalt zu
nehmen, fuͤhrte zuerſt die Nothwendigkeit Wohngebaͤude ein. Die Fuͤrſten
baueten Luſtſchloͤſſer, und der Adel und der Buͤrger Landhaͤuſer, die nach Umfang,
Architektur, Einrichtung und Charakter von einer großen Verſchiedenheit waren.
Man fuͤhrte ſowohl in groͤßern als in kleinern Gaͤrten minder betraͤchtliche Gebaͤude
ein, ſowohl zur Verzierung, als auch zum kurzen Aufenthalt und zum Genuß laͤndli-
cher Vergnuͤgungen. Es entſtanden kleine Gartengebaͤude, Pavillons, Luſthaͤuſer,
Luſtkabinetre, Vogelhaͤuſer u. ſ. w. Man ſuchte nicht lange darauf den Bezirk der
Ergoͤtzungen, der Einbildungskraft und des Geſchmacks zu erweitern, indem man
Gebaͤude einfuͤhrte, die zu dieſer Abſicht behuͤlflich ſchienen. Man legte Grotten,
Einſiedeleyen, Ruinen, Tempel an, nicht ſowohl zur Bewohnung, als vielmehr,
um mit dieſen nachgeahmten Werken die Phantaſie zu beſchaͤftigen, und die Garten-
plaͤtze mehr zu beleben. Man zierte ſie mit Inſchriften. Zum Ausruhen waren
Sitze, zur Verbindung der getrennten Theile Bruͤcken und Thore noͤthig; man er-
kannte indeſſen, daß ſie zugleich Mittel der Verzierung werden konnten. Man gieng
weiter. Man ſtellte Statuͤen und Monumente auf.

Es iſt ſichtbar, daß ein Theil dieſer Werke der Kuͤnſte mehr Nothdurft und
Bequemlichkeit, ein anderer Theil mehr Verzierung iſt. Zuweilen kann einerley
Gegenſtand an einem Ort Beduͤrfniß, und an einem andern Orte bloße Verſchoͤne-
rung ſeyn. In ſehr vielen Faͤllen kann dieſe ſo hervorſtechend werden, daß man ver-
gißt, daß die Nothwendigkeit die erſte Veranlaſſung dazu gab.

Die aͤlteſten Gaͤrten waren von Werken der Kuͤnſte noch ſehr entbloͤßt; in einer
bemooſten Huͤtte, in einem prachtloſen Landhaͤuschen ſaͤttigte ſich der unverwoͤhnte

Geſchmack
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0007" n="[3]"/>
      <div n="2">
        <head/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>o bald man anfieng auf dem Lande und in den Ga&#x0364;rten &#x017F;einen Aufenthalt zu<lb/>
nehmen, fu&#x0364;hrte zuer&#x017F;t die Nothwendigkeit Wohngeba&#x0364;ude ein. Die Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
baueten Lu&#x017F;t&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, und der Adel und der Bu&#x0364;rger Landha&#x0364;u&#x017F;er, die nach Umfang,<lb/>
Architektur, Einrichtung und Charakter von einer großen Ver&#x017F;chiedenheit waren.<lb/>
Man fu&#x0364;hrte &#x017F;owohl in gro&#x0364;ßern als in kleinern Ga&#x0364;rten minder betra&#x0364;chtliche Geba&#x0364;ude<lb/>
ein, &#x017F;owohl zur Verzierung, als auch zum kurzen Aufenthalt und zum Genuß la&#x0364;ndli-<lb/>
cher Vergnu&#x0364;gungen. Es ent&#x017F;tanden kleine Gartengeba&#x0364;ude, Pavillons, Lu&#x017F;tha&#x0364;u&#x017F;er,<lb/>
Lu&#x017F;tkabinetre, Vogelha&#x0364;u&#x017F;er u. &#x017F;. w. Man &#x017F;uchte nicht lange darauf den Bezirk der<lb/>
Ergo&#x0364;tzungen, der Einbildungskraft und des Ge&#x017F;chmacks zu erweitern, indem man<lb/>
Geba&#x0364;ude einfu&#x0364;hrte, die zu die&#x017F;er Ab&#x017F;icht behu&#x0364;lflich &#x017F;chienen. Man legte Grotten,<lb/>
Ein&#x017F;iedeleyen, Ruinen, Tempel an, nicht &#x017F;owohl zur Bewohnung, als vielmehr,<lb/>
um mit die&#x017F;en nachgeahmten Werken die Phanta&#x017F;ie zu be&#x017F;cha&#x0364;ftigen, und die Garten-<lb/>
pla&#x0364;tze mehr zu beleben. Man zierte &#x017F;ie mit In&#x017F;chriften. Zum Ausruhen waren<lb/>
Sitze, zur Verbindung der getrennten Theile Bru&#x0364;cken und Thore no&#x0364;thig; man er-<lb/>
kannte inde&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie zugleich Mittel der Verzierung werden konnten. Man gieng<lb/>
weiter. Man &#x017F;tellte Statu&#x0364;en und Monumente auf.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t &#x017F;ichtbar, daß ein Theil die&#x017F;er Werke der Ku&#x0364;n&#x017F;te mehr Nothdurft und<lb/>
Bequemlichkeit, ein anderer Theil mehr Verzierung i&#x017F;t. Zuweilen kann einerley<lb/>
Gegen&#x017F;tand an einem Ort Bedu&#x0364;rfniß, und an einem andern Orte bloße Ver&#x017F;cho&#x0364;ne-<lb/>
rung &#x017F;eyn. In &#x017F;ehr vielen Fa&#x0364;llen kann die&#x017F;e &#x017F;o hervor&#x017F;techend werden, daß man ver-<lb/>
gißt, daß die Nothwendigkeit die er&#x017F;te Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu gab.</p><lb/>
        <p>Die a&#x0364;lte&#x017F;ten Ga&#x0364;rten waren von Werken der Ku&#x0364;n&#x017F;te noch &#x017F;ehr entblo&#x0364;ßt; in einer<lb/>
bemoo&#x017F;ten Hu&#x0364;tte, in einem prachtlo&#x017F;en Landha&#x0364;uschen &#x017F;a&#x0364;ttigte &#x017F;ich der unverwo&#x0364;hnte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Ge&#x017F;chmack</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0007] So bald man anfieng auf dem Lande und in den Gaͤrten ſeinen Aufenthalt zu nehmen, fuͤhrte zuerſt die Nothwendigkeit Wohngebaͤude ein. Die Fuͤrſten baueten Luſtſchloͤſſer, und der Adel und der Buͤrger Landhaͤuſer, die nach Umfang, Architektur, Einrichtung und Charakter von einer großen Verſchiedenheit waren. Man fuͤhrte ſowohl in groͤßern als in kleinern Gaͤrten minder betraͤchtliche Gebaͤude ein, ſowohl zur Verzierung, als auch zum kurzen Aufenthalt und zum Genuß laͤndli- cher Vergnuͤgungen. Es entſtanden kleine Gartengebaͤude, Pavillons, Luſthaͤuſer, Luſtkabinetre, Vogelhaͤuſer u. ſ. w. Man ſuchte nicht lange darauf den Bezirk der Ergoͤtzungen, der Einbildungskraft und des Geſchmacks zu erweitern, indem man Gebaͤude einfuͤhrte, die zu dieſer Abſicht behuͤlflich ſchienen. Man legte Grotten, Einſiedeleyen, Ruinen, Tempel an, nicht ſowohl zur Bewohnung, als vielmehr, um mit dieſen nachgeahmten Werken die Phantaſie zu beſchaͤftigen, und die Garten- plaͤtze mehr zu beleben. Man zierte ſie mit Inſchriften. Zum Ausruhen waren Sitze, zur Verbindung der getrennten Theile Bruͤcken und Thore noͤthig; man er- kannte indeſſen, daß ſie zugleich Mittel der Verzierung werden konnten. Man gieng weiter. Man ſtellte Statuͤen und Monumente auf. Es iſt ſichtbar, daß ein Theil dieſer Werke der Kuͤnſte mehr Nothdurft und Bequemlichkeit, ein anderer Theil mehr Verzierung iſt. Zuweilen kann einerley Gegenſtand an einem Ort Beduͤrfniß, und an einem andern Orte bloße Verſchoͤne- rung ſeyn. In ſehr vielen Faͤllen kann dieſe ſo hervorſtechend werden, daß man ver- gißt, daß die Nothwendigkeit die erſte Veranlaſſung dazu gab. Die aͤlteſten Gaͤrten waren von Werken der Kuͤnſte noch ſehr entbloͤßt; in einer bemooſten Huͤtte, in einem prachtloſen Landhaͤuschen ſaͤttigte ſich der unverwoͤhnte Geſchmack A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/7
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/7>, abgerufen am 26.04.2024.