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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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so schmerzlichen Trennung abkürzen möge. Selbst
eine Locke von seinem Haare hatte er beigelegt,
Nachschrift über Nachschrift hinzugefügt und eine
Stelle im Briefe bezeichnet, welcher von ihm ein
Kuß aufgedrückt worden sei, wie er sagte.

Nachdem die schöne Verlassene diesen Brief
gelesen hatte, schwieg sie eine Zeit lang und sah
das feine rosenrothe Papier so an, als ob es die
Absage einer Soiree bei dem Fürsten, wie er nun
heißen mochte, enthalte, auf welche sich die ganze
feine Welt Wiens schon seit vierzehn Tagen ge-
freut hatte. Fancy mußte sie erinnern, daß die
Chocolade kalt werde; sie versetzte, daß sie keinen
Appetit habe und befahl dem Mädchen, die Tasse
wegzutragen. Fancy gehorchte.

Sie saß hierauf etwa eine Viertelstunde im
Sopha und stützte das Haupt gedankenvoll auf
den schönen Arm. Dann ging sie eine halbe Stunde
im Zimmer auf und nieder und dann klingelte sie.
Fancy kam. Ihre Gebieterin stand mitten im
Zimmer und sagte zu der Jungfer, die zugleich
Schatzmeisterin und Vertraute war: Fancy, es
freut mich, daß mein Mann so fest ist. Ich bin
fest, er ist fest, dieses gegenseitige Festseyn ver-

ſo ſchmerzlichen Trennung abkürzen möge. Selbſt
eine Locke von ſeinem Haare hatte er beigelegt,
Nachſchrift über Nachſchrift hinzugefügt und eine
Stelle im Briefe bezeichnet, welcher von ihm ein
Kuß aufgedrückt worden ſei, wie er ſagte.

Nachdem die ſchöne Verlaſſene dieſen Brief
geleſen hatte, ſchwieg ſie eine Zeit lang und ſah
das feine roſenrothe Papier ſo an, als ob es die
Abſage einer Soirée bei dem Fürſten, wie er nun
heißen mochte, enthalte, auf welche ſich die ganze
feine Welt Wiens ſchon ſeit vierzehn Tagen ge-
freut hatte. Fancy mußte ſie erinnern, daß die
Chocolade kalt werde; ſie verſetzte, daß ſie keinen
Appetit habe und befahl dem Mädchen, die Taſſe
wegzutragen. Fancy gehorchte.

Sie ſaß hierauf etwa eine Viertelſtunde im
Sopha und ſtützte das Haupt gedankenvoll auf
den ſchönen Arm. Dann ging ſie eine halbe Stunde
im Zimmer auf und nieder und dann klingelte ſie.
Fancy kam. Ihre Gebieterin ſtand mitten im
Zimmer und ſagte zu der Jungfer, die zugleich
Schatzmeiſterin und Vertraute war: Fancy, es
freut mich, daß mein Mann ſo feſt iſt. Ich bin
feſt, er iſt feſt, dieſes gegenſeitige Feſtſeyn ver-

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[215/0227] ſo ſchmerzlichen Trennung abkürzen möge. Selbſt eine Locke von ſeinem Haare hatte er beigelegt, Nachſchrift über Nachſchrift hinzugefügt und eine Stelle im Briefe bezeichnet, welcher von ihm ein Kuß aufgedrückt worden ſei, wie er ſagte. Nachdem die ſchöne Verlaſſene dieſen Brief geleſen hatte, ſchwieg ſie eine Zeit lang und ſah das feine roſenrothe Papier ſo an, als ob es die Abſage einer Soirée bei dem Fürſten, wie er nun heißen mochte, enthalte, auf welche ſich die ganze feine Welt Wiens ſchon ſeit vierzehn Tagen ge- freut hatte. Fancy mußte ſie erinnern, daß die Chocolade kalt werde; ſie verſetzte, daß ſie keinen Appetit habe und befahl dem Mädchen, die Taſſe wegzutragen. Fancy gehorchte. Sie ſaß hierauf etwa eine Viertelſtunde im Sopha und ſtützte das Haupt gedankenvoll auf den ſchönen Arm. Dann ging ſie eine halbe Stunde im Zimmer auf und nieder und dann klingelte ſie. Fancy kam. Ihre Gebieterin ſtand mitten im Zimmer und ſagte zu der Jungfer, die zugleich Schatzmeiſterin und Vertraute war: Fancy, es freut mich, daß mein Mann ſo feſt iſt. Ich bin feſt, er iſt feſt, dieſes gegenſeitige Feſtſeyn ver-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/227>, abgerufen am 27.04.2024.