Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

Bild:
<< vorherige Seite

Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu schreiben gedachte. --
Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen
und Vogelfang zusammen. Dem Leser Ihres Büchleins thut eben
das Besondere, ja Individuelle der Darstellungen so wol, eben weil5
im Bestimmtesten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um-
gekehrt in diesem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und
Kraft dazu, das Individuelle an und in sich nur zu fassen, geschweige
zu geben.

Ehe Sie Ihren "Jesus von Nazareth" malen, lesen Sie ja vorher10
alle "christliche Schriften" Herders durch, für mich der 13te Apostel.
Mir ist in der Kirchengeschichte noch kein Geist vorgekommen, der
so ätherisch und so fromm und so leicht und so weit sich breitend
und so innig in sich gehend, den großen Christus-Geist in sich auf-
genommen hätte, als eben der Herder, dessen Antlitz nun ohne den15
hebenden Geist verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde;
denn ein vor Kurzem Gestorbner ruft zu mächtig uns seine Unsterb-
lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntschaft sehen, und zu
schmerzhaftern machen möchten.

20

Heut ist Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich schicke
endlich diesen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim
heißt! Es gehe Ihrer schönen lichten Seele wol in der verfinsterten
Zeit!

Ihr25
J. P. Fr. Richter
448. An Emanuel.

Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das
Eßgeschenk, kam gestern nicht sogleich vor mich; denn sonst hätt'30
ich mich für sie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben
wir noch die Walfisch-Forelle. -- Aus dem Briefe des Rentmeisters
will Otto schließen, daß mein Pension nun aus der Staatskasse
gezahlet werde; und Sie?

Von Langermann wird Otto Ihnen einen schönen Brief an mich35
geben.

[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]
12*

Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu ſchreiben gedachte. —
Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen
und Vogelfang zuſammen. Dem Leſer Ihres Büchleins thut eben
das Beſondere, ja Individuelle der Darſtellungen ſo wol, eben weil5
im Beſtimmteſten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um-
gekehrt in dieſem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und
Kraft dazu, das Individuelle an und in ſich nur zu faſſen, geſchweige
zu geben.

Ehe Sie Ihren „Jeſus von Nazareth“ malen, leſen Sie ja vorher10
alle „chriſtliche Schriften“ Herders durch, für mich der 13te Apoſtel.
Mir iſt in der Kirchengeſchichte noch kein Geiſt vorgekommen, der
ſo ätheriſch und ſo fromm und ſo leicht und ſo weit ſich breitend
und ſo innig in ſich gehend, den großen Chriſtus-Geiſt in ſich auf-
genommen hätte, als eben der Herder, deſſen Antlitz nun ohne den15
hebenden Geiſt verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde;
denn ein vor Kurzem Geſtorbner ruft zu mächtig uns ſeine Unſterb-
lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntſchaft ſehen, und zu
ſchmerzhaftern machen möchten.

20

Heut iſt Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich ſchicke
endlich dieſen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim
heißt! Es gehe Ihrer ſchönen lichten Seele wol in der verfinſterten
Zeit!

Ihr25
J. P. Fr. Richter
448. An Emanuel.

Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das
Eßgeſchenk, kam geſtern nicht ſogleich vor mich; denn ſonſt hätt’30
ich mich für ſie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben
wir noch die Walfiſch-Forelle. — Aus dem Briefe des Rentmeiſters
will Otto ſchließen, daß mein Penſion nun aus der Staatskaſſe
gezahlet werde; und Sie?

Von Langermann wird Otto Ihnen einen ſchönen Brief an mich35
geben.

[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]
12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0192" n="179"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 23 Jenn.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu &#x017F;chreiben gedachte. &#x2014;<lb/>
Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen<lb/>
und Vogelfang zu&#x017F;ammen. Dem Le&#x017F;er Ihres Büchleins thut eben<lb/>
das Be&#x017F;ondere, ja Individuelle der Dar&#x017F;tellungen &#x017F;o wol, eben weil<lb n="5"/>
im Be&#x017F;timmte&#x017F;ten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um-<lb/>
gekehrt in die&#x017F;em jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und<lb/>
Kraft dazu, das Individuelle an und in &#x017F;ich nur zu fa&#x017F;&#x017F;en, ge&#x017F;chweige<lb/>
zu geben.</p><lb/>
          <p>Ehe Sie Ihren &#x201E;Je&#x017F;us von Nazareth&#x201C; malen, le&#x017F;en Sie ja vorher<lb n="10"/>
alle &#x201E;chri&#x017F;tliche Schriften&#x201C; Herders durch, für mich der 13<hi rendition="#sup">te</hi> Apo&#x017F;tel.<lb/>
Mir i&#x017F;t in der Kirchenge&#x017F;chichte noch kein Gei&#x017F;t vorgekommen, der<lb/>
&#x017F;o ätheri&#x017F;ch und &#x017F;o fromm und &#x017F;o leicht und &#x017F;o weit &#x017F;ich breitend<lb/>
und &#x017F;o innig in &#x017F;ich gehend, den großen Chri&#x017F;tus-Gei&#x017F;t in &#x017F;ich auf-<lb/>
genommen hätte, als eben der Herder, de&#x017F;&#x017F;en Antlitz nun ohne den<lb n="15"/>
hebenden Gei&#x017F;t verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde;<lb/>
denn ein vor Kurzem Ge&#x017F;torbner ruft zu mächtig uns &#x017F;eine Un&#x017F;terb-<lb/>
lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekannt&#x017F;chaft &#x017F;ehen, und zu<lb/>
&#x017F;chmerzhaftern machen möchten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 25 Jenn.</hi> </dateline>
          <lb n="20"/>
          <p>Heut i&#x017F;t Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich &#x017F;chicke<lb/>
endlich die&#x017F;en Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim<lb/>
heißt! Es gehe Ihrer &#x017F;chönen lichten Seele wol in der verfin&#x017F;terten<lb/>
Zeit!</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb n="25"/>
J. P. Fr. Richter</hi> </salute>
          </closer>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>448. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 26. Jan. 1811]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das<lb/>
Eßge&#x017F;chenk, kam ge&#x017F;tern nicht &#x017F;ogleich vor mich; denn &#x017F;on&#x017F;t hätt&#x2019;<lb n="30"/>
ich mich für &#x017F;ie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben<lb/>
wir noch die Walfi&#x017F;ch-Forelle. &#x2014; Aus dem Briefe des Rentmei&#x017F;ters<lb/>
will <hi rendition="#aq">Otto</hi> &#x017F;chließen, daß mein Pen&#x017F;ion nun aus der Staatska&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gezahlet werde; und Sie?</p><lb/>
        <p>Von Langermann wird <hi rendition="#aq">Otto</hi> Ihnen einen &#x017F;chönen Brief an mich<lb n="35"/>
geben.</p><lb/>
        <note type="editorial"> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">[Es folgen noch einige Zeilen von Karoline]</hi> </hi> </hi> </note>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0192] d. 23 Jenn. Gott weiß, was ich noch wußte und Ihnen zu ſchreiben gedachte. — Ganz treffen wir in der Kindheitfreude an Johannisbeeren, Pfeifen und Vogelfang zuſammen. Dem Leſer Ihres Büchleins thut eben das Beſondere, ja Individuelle der Darſtellungen ſo wol, eben weil 5 im Beſtimmteſten zugleich das Allgemeine liegt, aber nicht um- gekehrt in dieſem jenes. Und es gehört eben Muth und Blick und Kraft dazu, das Individuelle an und in ſich nur zu faſſen, geſchweige zu geben. Ehe Sie Ihren „Jeſus von Nazareth“ malen, leſen Sie ja vorher 10 alle „chriſtliche Schriften“ Herders durch, für mich der 13te Apoſtel. Mir iſt in der Kirchengeſchichte noch kein Geiſt vorgekommen, der ſo ätheriſch und ſo fromm und ſo leicht und ſo weit ſich breitend und ſo innig in ſich gehend, den großen Chriſtus-Geiſt in ſich auf- genommen hätte, als eben der Herder, deſſen Antlitz nun ohne den 15 hebenden Geiſt verfällt in der Kirche, die ich nie betreten werde; denn ein vor Kurzem Geſtorbner ruft zu mächtig uns ſeine Unſterb- lichkeit zu, als daß wir die Ruinen der Bekanntſchaft ſehen, und zu ſchmerzhaftern machen möchten. d. 25 Jenn. 20 Heut iſt Pauli Bekehrung, d. h. auch meine; denn ich ſchicke endlich dieſen Brief ab. Meine Herzensgrüße an alles was Heim heißt! Es gehe Ihrer ſchönen lichten Seele wol in der verfinſterten Zeit! Ihr 25 J. P. Fr. Richter 448. An Emanuel. [Bayreuth, 26. Jan. 1811] Willkommen, Guter! Ihr Zeichen der Ankunft, nämlich das Eßgeſchenk, kam geſtern nicht ſogleich vor mich; denn ſonſt hätt’ 30 ich mich für ſie früher bedankt als von ihnen gezehrt. Doch haben wir noch die Walfiſch-Forelle. — Aus dem Briefe des Rentmeiſters will Otto ſchließen, daß mein Penſion nun aus der Staatskaſſe gezahlet werde; und Sie? Von Langermann wird Otto Ihnen einen ſchönen Brief an mich 35 geben. 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/192
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/192>, abgerufen am 26.04.2024.