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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Gemäldehandel in Venedig.
eines Pfarrers abpasste, zu dem die Bildershylocks Vertrauen
hatten und der sich nicht zierte, ihnen maskirt in einen alten
Palast zu folgen. Von den ungezählten Kennern, welche dort
apokryphe Leonardos, Correggios, Holbeins, Giorgiones ent-
deckten, erzählt die Chronik nur gelegentlich. Der grosse Peter
von Cortona selbst kaufte damals einen falschen Paolo für den
Cardinal Bichi1). Wer aber einen solchen geriebenen Agenten
hatte, der konnte wol in zwanzig Jahren mit fürstlichem Geld
eine fürstliche Collektion zusammenbringen. Ein solcher war
Niccolo Rinieri, der schöne Paolos und Bassanos besass; und
Paolo del Sera, ein reicher Kaufmann und Sammler, der ein
Haus am Canal grande bewohnte, und vordem bei dem Prete
Genovese malen gelernt hatte. Er war der Agent Ferdinand II
von Toscana, und erhielt stets die allerersten geheimsten Offer-
ten. Aber selten kamen Fremde, welche die Preise dieser Herrn
bezahlen mochten, Sera wollte wie er selbst sagte, eine offerta
da Re
für sein Studio. Der Erzherzog Leopold hat sie ihm ge-
macht. Kurz vor der Ankunft des Velazquez (1647) verkauft einer
der drei Söhne und Erben des Vincenzo Grimani Calerge eine
Tapisserie nach raphaelschen Zeichnungen einem Genuesen, für
die früher Graf Arundel zehntausend Dukaten geboten hatte.

Von den Erwerbungen des spanischen Malers nennt Palo-
mino vier Gemälde; das beste ist wol ein Paolo, Venus und
Adonis (Prado 526), ein öfters von ihm gemalter Gegenstand;
zwei Temperabilder aus dem Leben Christi, das eine, die Heilung
des Blinden, "ein Wunder der Kunst", wagte er nicht der Ge-
fahr des Transports auszusetzen. Von Tintoretto brachte er mit
die Bekehrung des Paulus(?), ein Deckengemälde aus der Ge-
schichte Mosis, die Reinigung der Töchter der Midianiter (415),
endlich eine figurenreiche Glorie (428), die ausgeführte Skizze
seines Hauptwerks im Gran Consiglio. Boschini, der ihn damals
kennen lernte und in der Carta del navegar pitoresco als Spiegel
eines vornehmen, einnehmenden Cavaliers schildert:

Cavalier, che spirava un gran decoro --
de si perfeta, e nobile maniera,
che ogn' un' el lauda, e somamente el precia

(S. 56 f.)
bemerkt, dass ihm diese das liebste gewesen sei; er traf

1) Ci vuol bene il fondamento dell' arte, ma nel resto si ricerca una grandissima
pratica, bemerkt dazu Paolo del Sera. Seine Correspondenz mit Ferdinand II be-
findet sich im Archiv der Uffizien.

Gemäldehandel in Venedig.
eines Pfarrers abpasste, zu dem die Bildershylocks Vertrauen
hatten und der sich nicht zierte, ihnen maskirt in einen alten
Palast zu folgen. Von den ungezählten Kennern, welche dort
apokryphe Leonardos, Correggios, Holbeins, Giorgiones ent-
deckten, erzählt die Chronik nur gelegentlich. Der grosse Peter
von Cortona selbst kaufte damals einen falschen Paolo für den
Cardinal Bichi1). Wer aber einen solchen geriebenen Agenten
hatte, der konnte wol in zwanzig Jahren mit fürstlichem Geld
eine fürstliche Collektion zusammenbringen. Ein solcher war
Niccolò Rinieri, der schöne Paolos und Bassanos besass; und
Paolo del Sera, ein reicher Kaufmann und Sammler, der ein
Haus am Canal grande bewohnte, und vordem bei dem Prete
Genovese malen gelernt hatte. Er war der Agent Ferdinand II
von Toscana, und erhielt stets die allerersten geheimsten Offer-
ten. Aber selten kamen Fremde, welche die Preise dieser Herrn
bezahlen mochten, Sera wollte wie er selbst sagte, eine offerta
da Rè
für sein Studio. Der Erzherzog Leopold hat sie ihm ge-
macht. Kurz vor der Ankunft des Velazquez (1647) verkauft einer
der drei Söhne und Erben des Vincenzo Grimani Calerge eine
Tapisserie nach raphaelschen Zeichnungen einem Genuesen, für
die früher Graf Arundel zehntausend Dukaten geboten hatte.

Von den Erwerbungen des spanischen Malers nennt Palo-
mino vier Gemälde; das beste ist wol ein Paolo, Venus und
Adonis (Prado 526), ein öfters von ihm gemalter Gegenstand;
zwei Temperabilder aus dem Leben Christi, das eine, die Heilung
des Blinden, „ein Wunder der Kunst“, wagte er nicht der Ge-
fahr des Transports auszusetzen. Von Tintoretto brachte er mit
die Bekehrung des Paulus(?), ein Deckengemälde aus der Ge-
schichte Mosis, die Reinigung der Töchter der Midianiter (415),
endlich eine figurenreiche Glorie (428), die ausgeführte Skizze
seines Hauptwerks im Gran Consiglio. Boschini, der ihn damals
kennen lernte und in der Carta del navegar pitoresco als Spiegel
eines vornehmen, einnehmenden Cavaliers schildert:

Cavalier, che spirava un gran decoro —
de sì perfeta, e nobile maniera,
che ogn’ un’ el lauda, e somamente el precia

(S. 56 f.)
bemerkt, dass ihm diese das liebste gewesen sei; er traf

1) Ci vuol bene il fondamento dell’ arte, ma nel resto si ricerca una grandissima
pratica, bemerkt dazu Paolo del Sera. Seine Correspondenz mit Ferdinand II be-
findet sich im Archiv der Uffizien.
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[159/0179] Gemäldehandel in Venedig. eines Pfarrers abpasste, zu dem die Bildershylocks Vertrauen hatten und der sich nicht zierte, ihnen maskirt in einen alten Palast zu folgen. Von den ungezählten Kennern, welche dort apokryphe Leonardos, Correggios, Holbeins, Giorgiones ent- deckten, erzählt die Chronik nur gelegentlich. Der grosse Peter von Cortona selbst kaufte damals einen falschen Paolo für den Cardinal Bichi 1). Wer aber einen solchen geriebenen Agenten hatte, der konnte wol in zwanzig Jahren mit fürstlichem Geld eine fürstliche Collektion zusammenbringen. Ein solcher war Niccolò Rinieri, der schöne Paolos und Bassanos besass; und Paolo del Sera, ein reicher Kaufmann und Sammler, der ein Haus am Canal grande bewohnte, und vordem bei dem Prete Genovese malen gelernt hatte. Er war der Agent Ferdinand II von Toscana, und erhielt stets die allerersten geheimsten Offer- ten. Aber selten kamen Fremde, welche die Preise dieser Herrn bezahlen mochten, Sera wollte wie er selbst sagte, eine offerta da Rè für sein Studio. Der Erzherzog Leopold hat sie ihm ge- macht. Kurz vor der Ankunft des Velazquez (1647) verkauft einer der drei Söhne und Erben des Vincenzo Grimani Calerge eine Tapisserie nach raphaelschen Zeichnungen einem Genuesen, für die früher Graf Arundel zehntausend Dukaten geboten hatte. Von den Erwerbungen des spanischen Malers nennt Palo- mino vier Gemälde; das beste ist wol ein Paolo, Venus und Adonis (Prado 526), ein öfters von ihm gemalter Gegenstand; zwei Temperabilder aus dem Leben Christi, das eine, die Heilung des Blinden, „ein Wunder der Kunst“, wagte er nicht der Ge- fahr des Transports auszusetzen. Von Tintoretto brachte er mit die Bekehrung des Paulus(?), ein Deckengemälde aus der Ge- schichte Mosis, die Reinigung der Töchter der Midianiter (415), endlich eine figurenreiche Glorie (428), die ausgeführte Skizze seines Hauptwerks im Gran Consiglio. Boschini, der ihn damals kennen lernte und in der Carta del navegar pitoresco als Spiegel eines vornehmen, einnehmenden Cavaliers schildert: Cavalier, che spirava un gran decoro — de sì perfeta, e nobile maniera, che ogn’ un’ el lauda, e somamente el precia (S. 56 f.) bemerkt, dass ihm diese das liebste gewesen sei; er traf 1) Ci vuol bene il fondamento dell’ arte, ma nel resto si ricerca una grandissima pratica, bemerkt dazu Paolo del Sera. Seine Correspondenz mit Ferdinand II be- findet sich im Archiv der Uffizien.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/179>, abgerufen am 26.04.2024.