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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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Vorrede.
ten, sie so wohl seine Unentbehrlichkeit, als pro-
blematischen Begriffs, in vollständigem Gebrauche der
speculativen Vernunft, als auch die völlige Unbe-
greiflichkeit
desselben hätten erkennen, und, wenn sie
nachher mit ihm zum practischen Gebrauche giengen,
gerade auf die nämliche Bestimmung des letzteren in
Ansehung seiner Grundsätze von selbst hätten kommen
müssen, zu welcher sie sich sonst so ungern verstehen
wollen. Der Begriff der Freyheit ist der Stein des
Anstoßes für alle Empiristen, aber auch der Schlüs-
sel zu den erhabensten practischen Grundsätzen für cri-
tische
Moralisten, die dadurch einsehen, daß sie noth-
wendig rational verfahren müssen. Um deswillen er-
suche ich den Leser, das was zum Schlusse der Ana-
lytik über diesen Begriff gesagt wird, nicht mit flüch-
tigem Auge zu übersehen.

Ob ein solches System, als hier von der reinen
practischen Vernunft aus der Critik der letzteren ent-
wickelt wird, viel oder wenig Mühe gemacht habe,
um vornehmlich den rechten Gesichtspunct, aus dem
das Ganze derselben richtig vorgezeichnet werden kann,
nicht zu verfehlen, muß ich den Kennern einer der-
gleichen Arbeit zu beurtheilen überlassen. Es setzt

zwar

Vorrede.
ten, ſie ſo wohl ſeine Unentbehrlichkeit, als pro-
blematiſchen Begriffs, in vollſtaͤndigem Gebrauche der
ſpeculativen Vernunft, als auch die voͤllige Unbe-
greiflichkeit
deſſelben haͤtten erkennen, und, wenn ſie
nachher mit ihm zum practiſchen Gebrauche giengen,
gerade auf die naͤmliche Beſtimmung des letzteren in
Anſehung ſeiner Grundſaͤtze von ſelbſt haͤtten kommen
muͤſſen, zu welcher ſie ſich ſonſt ſo ungern verſtehen
wollen. Der Begriff der Freyheit iſt der Stein des
Anſtoßes fuͤr alle Empiriſten, aber auch der Schluͤſ-
ſel zu den erhabenſten practiſchen Grundſaͤtzen fuͤr cri-
tiſche
Moraliſten, die dadurch einſehen, daß ſie noth-
wendig rational verfahren muͤſſen. Um deswillen er-
ſuche ich den Leſer, das was zum Schluſſe der Ana-
lytik uͤber dieſen Begriff geſagt wird, nicht mit fluͤch-
tigem Auge zu uͤberſehen.

Ob ein ſolches Syſtem, als hier von der reinen
practiſchen Vernunft aus der Critik der letzteren ent-
wickelt wird, viel oder wenig Muͤhe gemacht habe,
um vornehmlich den rechten Geſichtspunct, aus dem
das Ganze derſelben richtig vorgezeichnet werden kann,
nicht zu verfehlen, muß ich den Kennern einer der-
gleichen Arbeit zu beurtheilen uͤberlaſſen. Es ſetzt

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[13/0021] Vorrede. ten, ſie ſo wohl ſeine Unentbehrlichkeit, als pro- blematiſchen Begriffs, in vollſtaͤndigem Gebrauche der ſpeculativen Vernunft, als auch die voͤllige Unbe- greiflichkeit deſſelben haͤtten erkennen, und, wenn ſie nachher mit ihm zum practiſchen Gebrauche giengen, gerade auf die naͤmliche Beſtimmung des letzteren in Anſehung ſeiner Grundſaͤtze von ſelbſt haͤtten kommen muͤſſen, zu welcher ſie ſich ſonſt ſo ungern verſtehen wollen. Der Begriff der Freyheit iſt der Stein des Anſtoßes fuͤr alle Empiriſten, aber auch der Schluͤſ- ſel zu den erhabenſten practiſchen Grundſaͤtzen fuͤr cri- tiſche Moraliſten, die dadurch einſehen, daß ſie noth- wendig rational verfahren muͤſſen. Um deswillen er- ſuche ich den Leſer, das was zum Schluſſe der Ana- lytik uͤber dieſen Begriff geſagt wird, nicht mit fluͤch- tigem Auge zu uͤberſehen. Ob ein ſolches Syſtem, als hier von der reinen practiſchen Vernunft aus der Critik der letzteren ent- wickelt wird, viel oder wenig Muͤhe gemacht habe, um vornehmlich den rechten Geſichtspunct, aus dem das Ganze derſelben richtig vorgezeichnet werden kann, nicht zu verfehlen, muß ich den Kennern einer der- gleichen Arbeit zu beurtheilen uͤberlaſſen. Es ſetzt zwar

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/21>, abgerufen am 26.04.2024.