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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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I. Th. II. B. II. Hauptst. Von der Dialectik
auf Gütigkeit gegründet wäre. Denn dieser ihre Wir-
kung (in Ansehung der Glückseligkeit der vernünftigen
Wesen) kann man nur unter den einschränkenden Be-
dingungen der Uebereinstimmung mit der Heiligkeit *)
seines Willens, als dem höchsten ursprünglichen Gute
angemessen, denken. Daher diejenige, welche den
Zweck der Schöpfung in die Ehre Gottes (vorausge-
setzt, daß man diese nicht anthropomorphistisch, als
Neigung gepriesen zu werden, denkt,) setzten, wol den
besten Ausdruck getroffen haben. Denn nichts ehrt
Gott mehr, als das, was das schätzbarste in der Welt
ist, die Achtung für sein Gebot, die Beobachtung der
heiligen Pflicht, die uns sein Gesetz auferlegt, wenn

seine
*) Hiebey, und um das Eigenthümliche dieser Begriffe kenntlich
zu machen, merke ich nur noch an: daß, da man Gott ver-
schiedene Eigenschaften beylegt, deren Qualität man auch den
Geschöpfen angemessen findet, nur daß sie dort zum höchsten
Grade erhoben werden, z. B. Macht, Wissenschaft, Gegen-
wart, Güte etc. unter den Benennungen der Allmacht, der All-
wissenheit, der Allgegenwart, der Allgütigkeit etc. es doch drey
giebt, die ausschließungsweise, und doch ohne Beysatz von Größe,
Gott beygelegt werden, und die insgesamt moralisch sind. Er
ist der allein Heilige, der allein Selige, der allein Weise;
weil diese Begriffe schon die Uneingeschränktheit bey sich führen.
Nach der Ordnung derselben ist er denn also auch der heilige
Gesetzgeber (und Schöpfer) der gütige Regierer (und Er-
halter) und der gerechte Richter. Drey Eigenschaften, die
alles in sich enthalten, wodurch Gott der Gegenstand der Re-
ligion wird, und denen angemessen die metaphysischen Voll-
kommenheiten sich von selbst in der Vernunft hinzu fügen.

I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik
auf Guͤtigkeit gegruͤndet waͤre. Denn dieſer ihre Wir-
kung (in Anſehung der Gluͤckſeligkeit der vernuͤnftigen
Weſen) kann man nur unter den einſchraͤnkenden Be-
dingungen der Uebereinſtimmung mit der Heiligkeit *)
ſeines Willens, als dem hoͤchſten urſpruͤnglichen Gute
angemeſſen, denken. Daher diejenige, welche den
Zweck der Schoͤpfung in die Ehre Gottes (vorausge-
ſetzt, daß man dieſe nicht anthropomorphiſtiſch, als
Neigung geprieſen zu werden, denkt,) ſetzten, wol den
beſten Ausdruck getroffen haben. Denn nichts ehrt
Gott mehr, als das, was das ſchaͤtzbarſte in der Welt
iſt, die Achtung fuͤr ſein Gebot, die Beobachtung der
heiligen Pflicht, die uns ſein Geſetz auferlegt, wenn

ſeine
*) Hiebey, und um das Eigenthuͤmliche dieſer Begriffe kenntlich
zu machen, merke ich nur noch an: daß, da man Gott ver-
ſchiedene Eigenſchaften beylegt, deren Qualitaͤt man auch den
Geſchoͤpfen angemeſſen findet, nur daß ſie dort zum hoͤchſten
Grade erhoben werden, z. B. Macht, Wiſſenſchaft, Gegen-
wart, Guͤte etc. unter den Benennungen der Allmacht, der All-
wiſſenheit, der Allgegenwart, der Allguͤtigkeit etc. es doch drey
giebt, die ausſchließungsweiſe, und doch ohne Beyſatz von Groͤße,
Gott beygelegt werden, und die insgeſamt moraliſch ſind. Er
iſt der allein Heilige, der allein Selige, der allein Weiſe;
weil dieſe Begriffe ſchon die Uneingeſchraͤnktheit bey ſich fuͤhren.
Nach der Ordnung derſelben iſt er denn alſo auch der heilige
Geſetzgeber (und Schoͤpfer) der guͤtige Regierer (und Er-
halter) und der gerechte Richter. Drey Eigenſchaften, die
alles in ſich enthalten, wodurch Gott der Gegenſtand der Re-
ligion wird, und denen angemeſſen die metaphyſiſchen Voll-
kommenheiten ſich von ſelbſt in der Vernunft hinzu fuͤgen.
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[236/0244] I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik auf Guͤtigkeit gegruͤndet waͤre. Denn dieſer ihre Wir- kung (in Anſehung der Gluͤckſeligkeit der vernuͤnftigen Weſen) kann man nur unter den einſchraͤnkenden Be- dingungen der Uebereinſtimmung mit der Heiligkeit *) ſeines Willens, als dem hoͤchſten urſpruͤnglichen Gute angemeſſen, denken. Daher diejenige, welche den Zweck der Schoͤpfung in die Ehre Gottes (vorausge- ſetzt, daß man dieſe nicht anthropomorphiſtiſch, als Neigung geprieſen zu werden, denkt,) ſetzten, wol den beſten Ausdruck getroffen haben. Denn nichts ehrt Gott mehr, als das, was das ſchaͤtzbarſte in der Welt iſt, die Achtung fuͤr ſein Gebot, die Beobachtung der heiligen Pflicht, die uns ſein Geſetz auferlegt, wenn ſeine *) Hiebey, und um das Eigenthuͤmliche dieſer Begriffe kenntlich zu machen, merke ich nur noch an: daß, da man Gott ver- ſchiedene Eigenſchaften beylegt, deren Qualitaͤt man auch den Geſchoͤpfen angemeſſen findet, nur daß ſie dort zum hoͤchſten Grade erhoben werden, z. B. Macht, Wiſſenſchaft, Gegen- wart, Guͤte etc. unter den Benennungen der Allmacht, der All- wiſſenheit, der Allgegenwart, der Allguͤtigkeit etc. es doch drey giebt, die ausſchließungsweiſe, und doch ohne Beyſatz von Groͤße, Gott beygelegt werden, und die insgeſamt moraliſch ſind. Er iſt der allein Heilige, der allein Selige, der allein Weiſe; weil dieſe Begriffe ſchon die Uneingeſchraͤnktheit bey ſich fuͤhren. Nach der Ordnung derſelben iſt er denn alſo auch der heilige Geſetzgeber (und Schoͤpfer) der guͤtige Regierer (und Er- halter) und der gerechte Richter. Drey Eigenſchaften, die alles in ſich enthalten, wodurch Gott der Gegenſtand der Re- ligion wird, und denen angemeſſen die metaphyſiſchen Voll- kommenheiten ſich von ſelbſt in der Vernunft hinzu fuͤgen.

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/244>, abgerufen am 26.04.2024.