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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut.
uns diese Eröffnung nicht im mindesten in speculativer
Absicht, wol aber in Ansehung des practischen Ge-
brauchs der reinen Vernunft, zur Erweiterung dieses
unseres Erkenntnisses. Die obige drey Ideen der spe-
culativen Vernunft sind an sich noch keine Erkenntnisse;
doch sind es (transscendente) Gedanken, in denen
nichts Unmögliches ist. Nun bekommen sie durch ein
apodictisches practisches Gesetz, als nothwendige Be-
dingungen der Möglichkeit dessen, was dieses sich zum
Objecte zu machen
gebietet, objective Realität, d. i.
wir werden durch jenes angewiesen, daß sie Objecte
haben,
ohne doch, wie sich ihr Begriff auf ein Ob-
ject bezieht, anzeigen zu können, und das ist auch noch
nicht Erkenntniß dieser Objecte; denn man kann da-
durch gar nichts über sie synthetisch urtheilen, noch die
Anwendung derselben theoretisch bestimmen, mithin von
ihnen gar keinen theoretischen Gebrauch der Vernunft
machen, als worin eigentlich alle speculative Erkennt-
niß derselben besteht. Aber dennoch ward das theore-
tische Erkenntniß, zwar nicht dieser Objecte, aber
der Vernunft überhaupt, dadurch so fern erweitert,
daß durch die practischen Postulate jenen Ideen doch
Objecte gegeben wurden, indem ein blos problemati-
scher Gedanke dadurch allererst objective Realität be-
kam. Also war es keine Erweiterung der Erkenntniß
von gegebenen übersinnlichen Gegenständen, aber
doch eine Erweiterung der theoretischen Vernunft und

der
Q 2

der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.
uns dieſe Eroͤffnung nicht im mindeſten in ſpeculativer
Abſicht, wol aber in Anſehung des practiſchen Ge-
brauchs der reinen Vernunft, zur Erweiterung dieſes
unſeres Erkenntniſſes. Die obige drey Ideen der ſpe-
culativen Vernunft ſind an ſich noch keine Erkenntniſſe;
doch ſind es (transſcendente) Gedanken, in denen
nichts Unmoͤgliches iſt. Nun bekommen ſie durch ein
apodictiſches practiſches Geſetz, als nothwendige Be-
dingungen der Moͤglichkeit deſſen, was dieſes ſich zum
Objecte zu machen
gebietet, objective Realitaͤt, d. i.
wir werden durch jenes angewieſen, daß ſie Objecte
haben,
ohne doch, wie ſich ihr Begriff auf ein Ob-
ject bezieht, anzeigen zu koͤnnen, und das iſt auch noch
nicht Erkenntniß dieſer Objecte; denn man kann da-
durch gar nichts uͤber ſie ſynthetiſch urtheilen, noch die
Anwendung derſelben theoretiſch beſtimmen, mithin von
ihnen gar keinen theoretiſchen Gebrauch der Vernunft
machen, als worin eigentlich alle ſpeculative Erkennt-
niß derſelben beſteht. Aber dennoch ward das theore-
tiſche Erkenntniß, zwar nicht dieſer Objecte, aber
der Vernunft uͤberhaupt, dadurch ſo fern erweitert,
daß durch die practiſchen Poſtulate jenen Ideen doch
Objecte gegeben wurden, indem ein blos problemati-
ſcher Gedanke dadurch allererſt objective Realitaͤt be-
kam. Alſo war es keine Erweiterung der Erkenntniß
von gegebenen uͤberſinnlichen Gegenſtaͤnden, aber
doch eine Erweiterung der theoretiſchen Vernunft und

der
Q 2
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[243/0251] der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. uns dieſe Eroͤffnung nicht im mindeſten in ſpeculativer Abſicht, wol aber in Anſehung des practiſchen Ge- brauchs der reinen Vernunft, zur Erweiterung dieſes unſeres Erkenntniſſes. Die obige drey Ideen der ſpe- culativen Vernunft ſind an ſich noch keine Erkenntniſſe; doch ſind es (transſcendente) Gedanken, in denen nichts Unmoͤgliches iſt. Nun bekommen ſie durch ein apodictiſches practiſches Geſetz, als nothwendige Be- dingungen der Moͤglichkeit deſſen, was dieſes ſich zum Objecte zu machen gebietet, objective Realitaͤt, d. i. wir werden durch jenes angewieſen, daß ſie Objecte haben, ohne doch, wie ſich ihr Begriff auf ein Ob- ject bezieht, anzeigen zu koͤnnen, und das iſt auch noch nicht Erkenntniß dieſer Objecte; denn man kann da- durch gar nichts uͤber ſie ſynthetiſch urtheilen, noch die Anwendung derſelben theoretiſch beſtimmen, mithin von ihnen gar keinen theoretiſchen Gebrauch der Vernunft machen, als worin eigentlich alle ſpeculative Erkennt- niß derſelben beſteht. Aber dennoch ward das theore- tiſche Erkenntniß, zwar nicht dieſer Objecte, aber der Vernunft uͤberhaupt, dadurch ſo fern erweitert, daß durch die practiſchen Poſtulate jenen Ideen doch Objecte gegeben wurden, indem ein blos problemati- ſcher Gedanke dadurch allererſt objective Realitaͤt be- kam. Alſo war es keine Erweiterung der Erkenntniß von gegebenen uͤberſinnlichen Gegenſtaͤnden, aber doch eine Erweiterung der theoretiſchen Vernunft und der Q 2

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/251>, abgerufen am 26.04.2024.