Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut.
Object bestimmt. Und da zeigt sich, nicht allein in ih-
rer unvermeidlichen Aufgabe, nemlich der nothwendigen
Richtung des Willens auf das höchste Gut, die Noth-
wendigkeit, ein solches Urwesen, in Beziehung auf die
Möglichkeit dieses Guten in der Welt, anzunehmen, son-
dern, was das Merkwürdigste ist, etwas, was dem
Fortgange der Vernunft auf dem Naturwege ganz man-
gelte, nemlich ein genau bestimmter Begriff dieses
Urwesens.
Da wir diese Welt nur zu einem kleinen
Theile kennen, noch weniger sie mit allen möglichen
Welten vergleichen können, so können wir von ihrer
Ordnung, Zweckmäßigkeit und Größe wol auf einen
weisen, gütigen, mächtigen etc. Urheber derselben
schließen, aber nicht auf seine Allwissenheit, Allgütig-
keit, Allmacht,
u. s. w. Man kann auch gar wohl
einräumen: daß man diesen unvermeidlichen Mangel
durch eine erlaubte ganz vernünftige Hypothese zu ergän-
zen wohl befugt sey; daß nemlich, wenn in so viel Stü-
cken, als sich unserer näheren Kenntniß darbieten, Weis-
heit, Gütigkeit etc. hervorleuchtet, in allen übrigen es
eben so seyn werde, und es also vernünftig sey, dem
Welturheber alle mögliche Vollkommenheit beyzulegen;
aber das sind keine Schlüsse, wodurch wir uns auf un-
sere Einsicht etwas dünken, sondern nur Befugnisse, die man
uns nachsehen kann, und doch noch einer anderweitigen
Empfehlung bedürfen, um davon Gebrauch zu machen.
Der Begriff von Gott bleibt also auf dem empirischen

We-

der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.
Object beſtimmt. Und da zeigt ſich, nicht allein in ih-
rer unvermeidlichen Aufgabe, nemlich der nothwendigen
Richtung des Willens auf das hoͤchſte Gut, die Noth-
wendigkeit, ein ſolches Urweſen, in Beziehung auf die
Moͤglichkeit dieſes Guten in der Welt, anzunehmen, ſon-
dern, was das Merkwuͤrdigſte iſt, etwas, was dem
Fortgange der Vernunft auf dem Naturwege ganz man-
gelte, nemlich ein genau beſtimmter Begriff dieſes
Urweſens.
Da wir dieſe Welt nur zu einem kleinen
Theile kennen, noch weniger ſie mit allen moͤglichen
Welten vergleichen koͤnnen, ſo koͤnnen wir von ihrer
Ordnung, Zweckmaͤßigkeit und Groͤße wol auf einen
weiſen, guͤtigen, maͤchtigen etc. Urheber derſelben
ſchließen, aber nicht auf ſeine Allwiſſenheit, Allguͤtig-
keit, Allmacht,
u. ſ. w. Man kann auch gar wohl
einraͤumen: daß man dieſen unvermeidlichen Mangel
durch eine erlaubte ganz vernuͤnftige Hypotheſe zu ergaͤn-
zen wohl befugt ſey; daß nemlich, wenn in ſo viel Stuͤ-
cken, als ſich unſerer naͤheren Kenntniß darbieten, Weis-
heit, Guͤtigkeit etc. hervorleuchtet, in allen uͤbrigen es
eben ſo ſeyn werde, und es alſo vernuͤnftig ſey, dem
Welturheber alle moͤgliche Vollkommenheit beyzulegen;
aber das ſind keine Schluͤſſe, wodurch wir uns auf un-
ſere Einſicht etwas duͤnken, ſondern nur Befugniſſe, die man
uns nachſehen kann, und doch noch einer anderweitigen
Empfehlung beduͤrfen, um davon Gebrauch zu machen.
Der Begriff von Gott bleibt alſo auf dem empiriſchen

We-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0259" n="251"/><fw place="top" type="header">der rein. Vern. in Be&#x017F;t. des Begr. vom ho&#x0364;ch&#x017F;t. Gut.</fw><lb/>
Object be&#x017F;timmt. Und da zeigt &#x017F;ich, nicht allein in ih-<lb/>
rer unvermeidlichen Aufgabe, nemlich der nothwendigen<lb/>
Richtung des Willens auf das ho&#x0364;ch&#x017F;te Gut, die Noth-<lb/>
wendigkeit, ein &#x017F;olches Urwe&#x017F;en, in Beziehung auf die<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit die&#x017F;es Guten in der Welt, anzunehmen, &#x017F;on-<lb/>
dern, was das Merkwu&#x0364;rdig&#x017F;te i&#x017F;t, etwas, was dem<lb/>
Fortgange der Vernunft auf dem Naturwege ganz man-<lb/>
gelte, nemlich <hi rendition="#fr">ein genau be&#x017F;timmter Begriff die&#x017F;es<lb/>
Urwe&#x017F;ens.</hi> Da wir die&#x017F;e Welt nur zu einem kleinen<lb/>
Theile kennen, noch weniger &#x017F;ie mit allen mo&#x0364;glichen<lb/>
Welten vergleichen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir von ihrer<lb/>
Ordnung, Zweckma&#x0364;ßigkeit und Gro&#x0364;ße wol auf einen<lb/><hi rendition="#fr">wei&#x017F;en, gu&#x0364;tigen, ma&#x0364;chtigen</hi> etc. Urheber der&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;chließen, aber nicht auf &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Allwi&#x017F;&#x017F;enheit, Allgu&#x0364;tig-<lb/>
keit, Allmacht,</hi> u. &#x017F;. w. Man kann auch gar wohl<lb/>
einra&#x0364;umen: daß man die&#x017F;en unvermeidlichen Mangel<lb/>
durch eine erlaubte ganz vernu&#x0364;nftige Hypothe&#x017F;e zu erga&#x0364;n-<lb/>
zen wohl befugt &#x017F;ey; daß nemlich, wenn in &#x017F;o viel Stu&#x0364;-<lb/>
cken, als &#x017F;ich un&#x017F;erer na&#x0364;heren Kenntniß darbieten, Weis-<lb/>
heit, Gu&#x0364;tigkeit etc. hervorleuchtet, in allen u&#x0364;brigen es<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;eyn werde, und es al&#x017F;o vernu&#x0364;nftig &#x017F;ey, dem<lb/>
Welturheber alle mo&#x0364;gliche Vollkommenheit beyzulegen;<lb/>
aber das &#x017F;ind keine <hi rendition="#fr">Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</hi> wodurch wir uns auf un-<lb/>
&#x017F;ere Ein&#x017F;icht etwas du&#x0364;nken, &#x017F;ondern nur Befugni&#x017F;&#x017F;e, die man<lb/>
uns nach&#x017F;ehen kann, und doch noch einer anderweitigen<lb/>
Empfehlung bedu&#x0364;rfen, um davon Gebrauch zu machen.<lb/>
Der Begriff von Gott bleibt al&#x017F;o auf dem empiri&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">We-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0259] der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. Object beſtimmt. Und da zeigt ſich, nicht allein in ih- rer unvermeidlichen Aufgabe, nemlich der nothwendigen Richtung des Willens auf das hoͤchſte Gut, die Noth- wendigkeit, ein ſolches Urweſen, in Beziehung auf die Moͤglichkeit dieſes Guten in der Welt, anzunehmen, ſon- dern, was das Merkwuͤrdigſte iſt, etwas, was dem Fortgange der Vernunft auf dem Naturwege ganz man- gelte, nemlich ein genau beſtimmter Begriff dieſes Urweſens. Da wir dieſe Welt nur zu einem kleinen Theile kennen, noch weniger ſie mit allen moͤglichen Welten vergleichen koͤnnen, ſo koͤnnen wir von ihrer Ordnung, Zweckmaͤßigkeit und Groͤße wol auf einen weiſen, guͤtigen, maͤchtigen etc. Urheber derſelben ſchließen, aber nicht auf ſeine Allwiſſenheit, Allguͤtig- keit, Allmacht, u. ſ. w. Man kann auch gar wohl einraͤumen: daß man dieſen unvermeidlichen Mangel durch eine erlaubte ganz vernuͤnftige Hypotheſe zu ergaͤn- zen wohl befugt ſey; daß nemlich, wenn in ſo viel Stuͤ- cken, als ſich unſerer naͤheren Kenntniß darbieten, Weis- heit, Guͤtigkeit etc. hervorleuchtet, in allen uͤbrigen es eben ſo ſeyn werde, und es alſo vernuͤnftig ſey, dem Welturheber alle moͤgliche Vollkommenheit beyzulegen; aber das ſind keine Schluͤſſe, wodurch wir uns auf un- ſere Einſicht etwas duͤnken, ſondern nur Befugniſſe, die man uns nachſehen kann, und doch noch einer anderweitigen Empfehlung beduͤrfen, um davon Gebrauch zu machen. Der Begriff von Gott bleibt alſo auf dem empiriſchen We-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/259
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/259>, abgerufen am 26.04.2024.