Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

neigten sich alle sieben Weisen, die Esel wurden wieder gebohrt und erwidert; Pythagoras aber ging die Stufen seines Thrones hinab und führte Don Antonio unter Trompetengeschmetter und Paukengewirbel an den Thron zu seiner Rechten, trat sodann wieder zu dem seinigen und sprach, während Thales auf einem Kamme blies, feierlich weiter: Wie glückselig sind doch wir, welche von den neun Thronen der Weisheit empor getragen ruhn und der himmlischen Sphären Musik und Harmonie vernehmen! Wohl uns! Gleich edlen Früchten ließen wir unsres Haupthaars schattige Blüthe fallen, um besser am Sonnenstrahl zu reifen; nun, unmittelbar vom Strome des Lichts getroffen, blicken wir beruhigter in das harmonische Durcheinander des unbegreiflichen Weltalls. Schweige die Stimme der Verläumdung, welche von Einigen unter uns besagt: nicht Minerva hat sie kahl gerupft, sondern Bacchus und die Göttin, die, von kahlen Delphinen gezogen, mit ihrem Muschelwagen auf Paphos landet. Schweige diese Stimme vor dem ehrwürdigen Haupte Don Antonio's, an welchem sich klar erzeigt, daß die unermüdlichen Gedanken solches schaffen, wenn sie Maulwürfen gleich im Gehirn des Menschen arbeiten und mit tiefsinnigem Grübeln die Wurzeln der Haare hinwegzupfen oder ausstoßen; -- und doch, doch entging der vortreffliche Don Antonio nicht dem Spotte zweier Sterblicher, welche noch blind in der Finsterniß ihrer Locken umhertappen, bis Saturn oder die andern Götter sie kahl machen. O ihr Spötter, thut auf die

neigten sich alle sieben Weisen, die Esel wurden wieder gebohrt und erwidert; Pythagoras aber ging die Stufen seines Thrones hinab und führte Don Antonio unter Trompetengeschmetter und Paukengewirbel an den Thron zu seiner Rechten, trat sodann wieder zu dem seinigen und sprach, während Thales auf einem Kamme blies, feierlich weiter: Wie glückselig sind doch wir, welche von den neun Thronen der Weisheit empor getragen ruhn und der himmlischen Sphären Musik und Harmonie vernehmen! Wohl uns! Gleich edlen Früchten ließen wir unsres Haupthaars schattige Blüthe fallen, um besser am Sonnenstrahl zu reifen; nun, unmittelbar vom Strome des Lichts getroffen, blicken wir beruhigter in das harmonische Durcheinander des unbegreiflichen Weltalls. Schweige die Stimme der Verläumdung, welche von Einigen unter uns besagt: nicht Minerva hat sie kahl gerupft, sondern Bacchus und die Göttin, die, von kahlen Delphinen gezogen, mit ihrem Muschelwagen auf Paphos landet. Schweige diese Stimme vor dem ehrwürdigen Haupte Don Antonio's, an welchem sich klar erzeigt, daß die unermüdlichen Gedanken solches schaffen, wenn sie Maulwürfen gleich im Gehirn des Menschen arbeiten und mit tiefsinnigem Grübeln die Wurzeln der Haare hinwegzupfen oder ausstoßen; — und doch, doch entging der vortreffliche Don Antonio nicht dem Spotte zweier Sterblicher, welche noch blind in der Finsterniß ihrer Locken umhertappen, bis Saturn oder die andern Götter sie kahl machen. O ihr Spötter, thut auf die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040"/>
neigten sich alle sieben Weisen, die Esel wurden                wieder gebohrt und erwidert; Pythagoras aber ging die Stufen seines Thrones hinab und                führte Don Antonio unter Trompetengeschmetter und Paukengewirbel an den Thron zu                seiner Rechten, trat sodann wieder zu dem seinigen und sprach, während Thales auf                einem Kamme blies, feierlich weiter: Wie glückselig sind doch wir, welche von den                neun Thronen der Weisheit empor getragen ruhn und der himmlischen Sphären Musik und                Harmonie vernehmen! Wohl uns! Gleich edlen Früchten ließen wir unsres Haupthaars                schattige Blüthe fallen, um besser am Sonnenstrahl zu reifen; nun, unmittelbar vom                Strome des Lichts getroffen, blicken wir beruhigter in das harmonische Durcheinander                des unbegreiflichen Weltalls. Schweige die Stimme der Verläumdung, welche von Einigen                unter uns besagt: nicht Minerva hat sie kahl gerupft, sondern Bacchus und die Göttin,                die, von kahlen Delphinen gezogen, mit ihrem Muschelwagen auf Paphos landet. Schweige                diese Stimme vor dem ehrwürdigen Haupte Don Antonio's, an welchem sich klar erzeigt,                daß die unermüdlichen Gedanken solches schaffen, wenn sie Maulwürfen gleich im Gehirn                des Menschen arbeiten und mit tiefsinnigem Grübeln die Wurzeln der Haare hinwegzupfen                oder ausstoßen; &#x2014; und doch, doch entging der vortreffliche Don Antonio nicht dem                Spotte zweier Sterblicher, welche noch blind in der Finsterniß ihrer Locken                umhertappen, bis Saturn oder die andern Götter sie kahl machen. O ihr Spötter, thut                auf die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] neigten sich alle sieben Weisen, die Esel wurden wieder gebohrt und erwidert; Pythagoras aber ging die Stufen seines Thrones hinab und führte Don Antonio unter Trompetengeschmetter und Paukengewirbel an den Thron zu seiner Rechten, trat sodann wieder zu dem seinigen und sprach, während Thales auf einem Kamme blies, feierlich weiter: Wie glückselig sind doch wir, welche von den neun Thronen der Weisheit empor getragen ruhn und der himmlischen Sphären Musik und Harmonie vernehmen! Wohl uns! Gleich edlen Früchten ließen wir unsres Haupthaars schattige Blüthe fallen, um besser am Sonnenstrahl zu reifen; nun, unmittelbar vom Strome des Lichts getroffen, blicken wir beruhigter in das harmonische Durcheinander des unbegreiflichen Weltalls. Schweige die Stimme der Verläumdung, welche von Einigen unter uns besagt: nicht Minerva hat sie kahl gerupft, sondern Bacchus und die Göttin, die, von kahlen Delphinen gezogen, mit ihrem Muschelwagen auf Paphos landet. Schweige diese Stimme vor dem ehrwürdigen Haupte Don Antonio's, an welchem sich klar erzeigt, daß die unermüdlichen Gedanken solches schaffen, wenn sie Maulwürfen gleich im Gehirn des Menschen arbeiten und mit tiefsinnigem Grübeln die Wurzeln der Haare hinwegzupfen oder ausstoßen; — und doch, doch entging der vortreffliche Don Antonio nicht dem Spotte zweier Sterblicher, welche noch blind in der Finsterniß ihrer Locken umhertappen, bis Saturn oder die andern Götter sie kahl machen. O ihr Spötter, thut auf die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:47:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:47:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/40
Zitationshilfe: Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/40>, abgerufen am 26.04.2024.