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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

3. Der Anspruch auf öffentlichrechtliche Entschädigung bedeutet
ein subjektives öffentliches Recht des Geschädigten (Bd. I
S. 113). Es ist voll ausgebildet in der Richtung auf seine Verfügbar-
keit: der Berechtigte kann darauf verzichten, kann es übertragen, ver-
erben. Für den Rechtsschutz sorgen mancherlei Sondergesetze, so
namentlich bei der Enteignung, den Rayonservituten, Quartierleistungen,
Manöverschäden. Soweit nichts vorgesehen ist, wird nach gemeinem
deutschen Rechte die Zuständigkeit der Civilgerichte gegeben sein,
was ja der öffentlichrechtlichen Natur des Anspruchs keinen Eintrag
thut (Bd. I § 16, II).

§ 54.
Fortsetzung; Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

Aus der Art der schädigenden Handlung ergeben sich unter Um-
ständen Besonderheiten für die Anwendung unseres Rechtsinstituts,
so daß die Entschädigungspflicht noch weiter bedingt oder ganz aus-
geschlossen wird. Wir haben hier darzuthun, wie sich das einfügt in
das Ganze dieser Lehre.

I. Der Rechtssatz, der den Anspruch auf öffentlichrechtliche Ent-
schädigung giebt, lautet allgemein, umfaßt also auch die besonderen
Opfer, welche dem Einzelnen auferlegt sein können durch Gesetz.
In dieser Beziehung ist jedoch folgendes zu bemerken.

1. Der in Form des Gesetzes geäußerte Staatswille hat die
Eigenschaft der Unverbrüchlichkeit, vermöge deren er auch bereits
vorhandene Rechtssätze außer Anwendung setzen kann (Bd. I S. 72).
Diese Kraft kann sich auch gegen unsern Rechtssatz wenden. Wenn
das Gesetz, im Einzelfall oder als Rechtssatz, ein besonderes Opfer

nichts erhalten. Die Bevorzugung des Klägers "wurzelt in den obligatorischen
Beziehungen, welche durch die Enteignung zwischen ihm und der Expropriation
herbeigeführt sind". In dieser Ausdrucksweise dämmert etwas von dem wirklichen
Grund des Unterschiedes. Auferlegung von Umwegen ist für sich allein kein be-
sonderes Opfer und wird deshalb überhaupt nicht entschädigt (oben § 37 Note 36).
Entziehung eines Grundstückes ist ein besonderes Opfer und dafür ist zu ersetzen,
was das Grundstück wert war; ein Stück seines Wertes ist aber der Dienst, den
es bisher leistete, einen nähern Weg zu vermitteln. -- In der Praxis ergeben sich
auf diese Weise sehr auffallende Ungleichheiten; aber so ist es ja immer mit
großen, folgerichtig durchgeführten Rechtsideen: irgendwo muß durchgeschnitten
werden, und an der Schnittlinie sieht der Nichtjurist keinen rechten Grund, wes-
halb sie gerade da läuft. Zieht man sie aber anders, so entstehen noch viel mehr
neue Bedenken dieser Art.
§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

3. Der Anspruch auf öffentlichrechtliche Entschädigung bedeutet
ein subjektives öffentliches Recht des Geschädigten (Bd. I
S. 113). Es ist voll ausgebildet in der Richtung auf seine Verfügbar-
keit: der Berechtigte kann darauf verzichten, kann es übertragen, ver-
erben. Für den Rechtsschutz sorgen mancherlei Sondergesetze, so
namentlich bei der Enteignung, den Rayonservituten, Quartierleistungen,
Manöverschäden. Soweit nichts vorgesehen ist, wird nach gemeinem
deutschen Rechte die Zuständigkeit der Civilgerichte gegeben sein,
was ja der öffentlichrechtlichen Natur des Anspruchs keinen Eintrag
thut (Bd. I § 16, II).

§ 54.
Fortsetzung; Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

Aus der Art der schädigenden Handlung ergeben sich unter Um-
ständen Besonderheiten für die Anwendung unseres Rechtsinstituts,
so daß die Entschädigungspflicht noch weiter bedingt oder ganz aus-
geschlossen wird. Wir haben hier darzuthun, wie sich das einfügt in
das Ganze dieser Lehre.

I. Der Rechtssatz, der den Anspruch auf öffentlichrechtliche Ent-
schädigung giebt, lautet allgemein, umfaßt also auch die besonderen
Opfer, welche dem Einzelnen auferlegt sein können durch Gesetz.
In dieser Beziehung ist jedoch folgendes zu bemerken.

1. Der in Form des Gesetzes geäußerte Staatswille hat die
Eigenschaft der Unverbrüchlichkeit, vermöge deren er auch bereits
vorhandene Rechtssätze außer Anwendung setzen kann (Bd. I S. 72).
Diese Kraft kann sich auch gegen unsern Rechtssatz wenden. Wenn
das Gesetz, im Einzelfall oder als Rechtssatz, ein besonderes Opfer

nichts erhalten. Die Bevorzugung des Klägers „wurzelt in den obligatorischen
Beziehungen, welche durch die Enteignung zwischen ihm und der Expropriation
herbeigeführt sind“. In dieser Ausdrucksweise dämmert etwas von dem wirklichen
Grund des Unterschiedes. Auferlegung von Umwegen ist für sich allein kein be-
sonderes Opfer und wird deshalb überhaupt nicht entschädigt (oben § 37 Note 36).
Entziehung eines Grundstückes ist ein besonderes Opfer und dafür ist zu ersetzen,
was das Grundstück wert war; ein Stück seines Wertes ist aber der Dienst, den
es bisher leistete, einen nähern Weg zu vermitteln. — In der Praxis ergeben sich
auf diese Weise sehr auffallende Ungleichheiten; aber so ist es ja immer mit
großen, folgerichtig durchgeführten Rechtsideen: irgendwo muß durchgeschnitten
werden, und an der Schnittlinie sieht der Nichtjurist keinen rechten Grund, wes-
halb sie gerade da läuft. Zieht man sie aber anders, so entstehen noch viel mehr
neue Bedenken dieser Art.
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[357/0369] § 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht. 3. Der Anspruch auf öffentlichrechtliche Entschädigung bedeutet ein subjektives öffentliches Recht des Geschädigten (Bd. I S. 113). Es ist voll ausgebildet in der Richtung auf seine Verfügbar- keit: der Berechtigte kann darauf verzichten, kann es übertragen, ver- erben. Für den Rechtsschutz sorgen mancherlei Sondergesetze, so namentlich bei der Enteignung, den Rayonservituten, Quartierleistungen, Manöverschäden. Soweit nichts vorgesehen ist, wird nach gemeinem deutschen Rechte die Zuständigkeit der Civilgerichte gegeben sein, was ja der öffentlichrechtlichen Natur des Anspruchs keinen Eintrag thut (Bd. I § 16, II). § 54. Fortsetzung; Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht. Aus der Art der schädigenden Handlung ergeben sich unter Um- ständen Besonderheiten für die Anwendung unseres Rechtsinstituts, so daß die Entschädigungspflicht noch weiter bedingt oder ganz aus- geschlossen wird. Wir haben hier darzuthun, wie sich das einfügt in das Ganze dieser Lehre. I. Der Rechtssatz, der den Anspruch auf öffentlichrechtliche Ent- schädigung giebt, lautet allgemein, umfaßt also auch die besonderen Opfer, welche dem Einzelnen auferlegt sein können durch Gesetz. In dieser Beziehung ist jedoch folgendes zu bemerken. 1. Der in Form des Gesetzes geäußerte Staatswille hat die Eigenschaft der Unverbrüchlichkeit, vermöge deren er auch bereits vorhandene Rechtssätze außer Anwendung setzen kann (Bd. I S. 72). Diese Kraft kann sich auch gegen unsern Rechtssatz wenden. Wenn das Gesetz, im Einzelfall oder als Rechtssatz, ein besonderes Opfer 16 16 nichts erhalten. Die Bevorzugung des Klägers „wurzelt in den obligatorischen Beziehungen, welche durch die Enteignung zwischen ihm und der Expropriation herbeigeführt sind“. In dieser Ausdrucksweise dämmert etwas von dem wirklichen Grund des Unterschiedes. Auferlegung von Umwegen ist für sich allein kein be- sonderes Opfer und wird deshalb überhaupt nicht entschädigt (oben § 37 Note 36). Entziehung eines Grundstückes ist ein besonderes Opfer und dafür ist zu ersetzen, was das Grundstück wert war; ein Stück seines Wertes ist aber der Dienst, den es bisher leistete, einen nähern Weg zu vermitteln. — In der Praxis ergeben sich auf diese Weise sehr auffallende Ungleichheiten; aber so ist es ja immer mit großen, folgerichtig durchgeführten Rechtsideen: irgendwo muß durchgeschnitten werden, und an der Schnittlinie sieht der Nichtjurist keinen rechten Grund, wes- halb sie gerade da läuft. Zieht man sie aber anders, so entstehen noch viel mehr neue Bedenken dieser Art.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/369>, abgerufen am 26.04.2024.