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Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47.

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halten beobachten, muss gleichfalls erst durch Versuche entschieden
werden; indessen dürfte man vermuthen, dass in wichtigen Puncten
eine principielle Verschiedenheit nicht vorkommen könne, da die Ein-
heit
im Entwicklungsplane des organischen Lebens ausser Frage steht.

Zum Schlusse verdienen noch eine besondere Erwähnung die von
Kölreuter, Gärtner u. a. durchgeführten Versuche über die Umwand-
lung einer Art in eine andere durch künstliche Befruch-
tung
. Diesen Experimenten wurde eine besondere Wichtigkeit beige-
legt, Gärtner rechnet dieselben zu den "allerschwierigsten in der Ba-
starderzeugung."

Sollte eine Art A in eine andere B verwandelt werden, so wur-
den beide durch Befruchtung verbunden und die erhaltenen Hybriden
abermals mit dem Pollen von B befruchtet; dann wurde aus den ver-
schiedenen Abkömmlingen derselben jene Form ausgewählt, welche der
Art B am nächsten stand und wiederholt mit dieser befruchtet, und
sofort, bis man endlich eine Form erhielt, welche der B gleich kam
und in ihren Nachkommen constant blieb. Damit war die Art A in die
andere Art B umgewandelt. Gärtner allein hat 30 derartige Versuche
mit Pflanzen aus den Geschlechtern: Aquilegia, Dianthus, Geum, Lava-
tera, Lychnis, Malva, Nicotiana und Oenothera durchgeführt. Die Um-
wandlungsdauer war nicht für alle Arten eine gleiche. Während bei
einzelnen eine 3malige Befruchtung hinreichte, musste diese bei ande-
ren 5- bis 6mal wiederholt werden; auch für die nämlichen Arten wur-
den bei verschiedenen Versuchen Schwankungen beobachtet. Gärtner
schreibt diese Verschiedenheit dem Umstande zu, dass "die typische
Kraft, womit eine Art bei der Zeugung zur Veränderung und Umbil-
dung des mütterlichen Typus wirkt, bei den verschiedenen Gewächsen
sehr verschieden ist, und dass folglich die Perioden, innerhalb welcher
und die Anzahl von Generationen, durch welche die eine Art in die
andere umgewandelt wird, auch verschieden sein müssen, und die Um-
wandlung bei manchen Arten durch mehr, bei anderen aber durch we-
niger Generationen vollbracht wird." Ferner bemerkt derselbe Beobach-
ter, "dass es auch bei dem Umwandlungsgeschäfte darauf ankommt,
welcher Typus und welches Individuum zu der weiteren Umwandlung
gewählt wird."

Dürfte man voraussetzen, dass bei diesen Versuchen die Entwick-
lung der Formen auf eine ähnliche Weise wie bei Pisum erfolgte, so

halten beobachten, muss gleichfalls erst durch Versuche entschieden
werden; indessen dürfte man vermuthen, dass in wichtigen Puncten
eine principielle Verschiedenheit nicht vorkommen könne, da die Ein-
heit
im Entwicklungsplane des organischen Lebens ausser Frage steht.

Zum Schlusse verdienen noch eine besondere Erwähnung die von
Kölreuter, Gärtner u. a. durchgeführten Versuche über die Umwand-
lung einer Art in eine andere durch künstliche Befruch-
tung
. Diesen Experimenten wurde eine besondere Wichtigkeit beige-
legt, Gärtner rechnet dieselben zu den „allerschwierigsten in der Ba-
starderzeugung.“

Sollte eine Art A in eine andere B verwandelt werden, so wur-
den beide durch Befruchtung verbunden und die erhaltenen Hybriden
abermals mit dem Pollen von B befruchtet; dann wurde aus den ver-
schiedenen Abkömmlingen derselben jene Form ausgewählt, welche der
Art B am nächsten stand und wiederholt mit dieser befruchtet, und
sofort, bis man endlich eine Form erhielt, welche der B gleich kam
und in ihren Nachkommen constant blieb. Damit war die Art A in die
andere Art B umgewandelt. Gärtner allein hat 30 derartige Versuche
mit Pflanzen aus den Geschlechtern: Aquilegia, Dianthus, Geum, Lava-
tera, Lychnis, Malva, Nicotiana und Oenothera durchgeführt. Die Um-
wandlungsdauer war nicht für alle Arten eine gleiche. Während bei
einzelnen eine 3malige Befruchtung hinreichte, musste diese bei ande-
ren 5- bis 6mal wiederholt werden; auch für die nämlichen Arten wur-
den bei verschiedenen Versuchen Schwankungen beobachtet. Gärtner
schreibt diese Verschiedenheit dem Umstande zu, dass „die typische
Kraft, womit eine Art bei der Zeugung zur Veränderung und Umbil-
dung des mütterlichen Typus wirkt, bei den verschiedenen Gewächsen
sehr verschieden ist, und dass folglich die Perioden, innerhalb welcher
und die Anzahl von Generationen, durch welche die eine Art in die
andere umgewandelt wird, auch verschieden sein müssen, und die Um-
wandlung bei manchen Arten durch mehr, bei anderen aber durch we-
niger Generationen vollbracht wird.“ Ferner bemerkt derselbe Beobach-
ter, „dass es auch bei dem Umwandlungsgeschäfte darauf ankommt,
welcher Typus und welches Individuum zu der weiteren Umwandlung
gewählt wird.“

Dürfte man voraussetzen, dass bei diesen Versuchen die Entwick-
lung der Formen auf eine ähnliche Weise wie bei Pisum erfolgte, so

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[43/0054] halten beobachten, muss gleichfalls erst durch Versuche entschieden werden; indessen dürfte man vermuthen, dass in wichtigen Puncten eine principielle Verschiedenheit nicht vorkommen könne, da die Ein- heit im Entwicklungsplane des organischen Lebens ausser Frage steht. Zum Schlusse verdienen noch eine besondere Erwähnung die von Kölreuter, Gärtner u. a. durchgeführten Versuche über die Umwand- lung einer Art in eine andere durch künstliche Befruch- tung. Diesen Experimenten wurde eine besondere Wichtigkeit beige- legt, Gärtner rechnet dieselben zu den „allerschwierigsten in der Ba- starderzeugung.“ Sollte eine Art A in eine andere B verwandelt werden, so wur- den beide durch Befruchtung verbunden und die erhaltenen Hybriden abermals mit dem Pollen von B befruchtet; dann wurde aus den ver- schiedenen Abkömmlingen derselben jene Form ausgewählt, welche der Art B am nächsten stand und wiederholt mit dieser befruchtet, und sofort, bis man endlich eine Form erhielt, welche der B gleich kam und in ihren Nachkommen constant blieb. Damit war die Art A in die andere Art B umgewandelt. Gärtner allein hat 30 derartige Versuche mit Pflanzen aus den Geschlechtern: Aquilegia, Dianthus, Geum, Lava- tera, Lychnis, Malva, Nicotiana und Oenothera durchgeführt. Die Um- wandlungsdauer war nicht für alle Arten eine gleiche. Während bei einzelnen eine 3malige Befruchtung hinreichte, musste diese bei ande- ren 5- bis 6mal wiederholt werden; auch für die nämlichen Arten wur- den bei verschiedenen Versuchen Schwankungen beobachtet. Gärtner schreibt diese Verschiedenheit dem Umstande zu, dass „die typische Kraft, womit eine Art bei der Zeugung zur Veränderung und Umbil- dung des mütterlichen Typus wirkt, bei den verschiedenen Gewächsen sehr verschieden ist, und dass folglich die Perioden, innerhalb welcher und die Anzahl von Generationen, durch welche die eine Art in die andere umgewandelt wird, auch verschieden sein müssen, und die Um- wandlung bei manchen Arten durch mehr, bei anderen aber durch we- niger Generationen vollbracht wird.“ Ferner bemerkt derselbe Beobach- ter, „dass es auch bei dem Umwandlungsgeschäfte darauf ankommt, welcher Typus und welches Individuum zu der weiteren Umwandlung gewählt wird.“ Dürfte man voraussetzen, dass bei diesen Versuchen die Entwick- lung der Formen auf eine ähnliche Weise wie bei Pisum erfolgte, so

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Zitationshilfe: Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47, hier S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendel_pflanzenhybriden_1866/54>, abgerufen am 26.04.2024.