Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Camoens.
Camoens, der Musen Liebling,
Lag erkrankt im Hospitale.
In derselben armen Kammer
Lag ein Schüler aus Coimbra,
Ihm des Tages Stunden kürzend
Mit unendlichem Geplauder.
"Edler Herr und großer Dichter,
Was sie melden, ist es Wahrheit?
Daß gescheitert eines Tages
Am Gestad von Coromandel
Sei das undankbare Fahrzeug,
Das beehrt war, Euch zu tragen?
Daß Ihr, kämpfend in der Brandung,
Mit der Rechten kühn gerudert,
Doch in ausgestreckter Linken,
Unerreicht vom Wellenwurfe,
Hieltet Eures Liedes Handschrift?
Schwer wird solches mir zu glauben.
Herr, auch mir, wann ich verliebt bin,
Sind Apollo's Schwestern günstig;
Aber ging' es mir ans Leben,
Flattern meine schönsten Verse
Ließ' ich wahrlich mit dem Winde,
Brauchte meine beiden Arme!"
Camoëns.
Camoëns, der Muſen Liebling,
Lag erkrankt im Hoſpitale.
In derſelben armen Kammer
Lag ein Schüler aus Coimbra,
Ihm des Tages Stunden kürzend
Mit unendlichem Geplauder.
„Edler Herr und großer Dichter,
Was ſie melden, iſt es Wahrheit?
Daß geſcheitert eines Tages
Am Geſtad von Coromandel
Sei das undankbare Fahrzeug,
Das beehrt war, Euch zu tragen?
Daß Ihr, kämpfend in der Brandung,
Mit der Rechten kühn gerudert,
Doch in ausgeſtreckter Linken,
Unerreicht vom Wellenwurfe,
Hieltet Eures Liedes Handſchrift?
Schwer wird ſolches mir zu glauben.
Herr, auch mir, wann ich verliebt bin,
Sind Apollo's Schweſtern günſtig;
Aber ging' es mir ans Leben,
Flattern meine ſchönſten Verſe
Ließ' ich wahrlich mit dem Winde,
Brauchte meine beiden Arme!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0293" n="[279]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Camo</hi> <hi rendition="#aq #b">ë</hi> <hi rendition="#b">ns.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Camo<hi rendition="#aq">ë</hi>ns, der Mu&#x017F;en Liebling,</l><lb/>
              <l>Lag erkrankt im Ho&#x017F;pitale.</l><lb/>
              <l>In der&#x017F;elben armen Kammer</l><lb/>
              <l>Lag ein Schüler aus Coimbra,</l><lb/>
              <l>Ihm des Tages Stunden kürzend</l><lb/>
              <l>Mit unendlichem Geplauder.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>&#x201E;Edler Herr und großer Dichter,</l><lb/>
              <l>Was &#x017F;ie melden, i&#x017F;t es Wahrheit?</l><lb/>
              <l>Daß ge&#x017F;cheitert eines Tages</l><lb/>
              <l>Am Ge&#x017F;tad von Coromandel</l><lb/>
              <l>Sei das undankbare Fahrzeug,</l><lb/>
              <l>Das beehrt war, Euch zu tragen?</l><lb/>
              <l>Daß Ihr, kämpfend in der Brandung,</l><lb/>
              <l>Mit der Rechten kühn gerudert,</l><lb/>
              <l>Doch in ausge&#x017F;treckter Linken,</l><lb/>
              <l>Unerreicht vom Wellenwurfe,</l><lb/>
              <l>Hieltet Eures Liedes Hand&#x017F;chrift?</l><lb/>
              <l>Schwer wird &#x017F;olches mir zu glauben.</l><lb/>
              <l>Herr, auch mir, wann ich verliebt bin,</l><lb/>
              <l>Sind Apollo's Schwe&#x017F;tern gün&#x017F;tig;</l><lb/>
              <l>Aber ging' es mir ans Leben,</l><lb/>
              <l>Flattern meine &#x017F;chön&#x017F;ten Ver&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Ließ' ich wahrlich mit dem Winde,</l><lb/>
              <l>Brauchte meine beiden Arme!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[279]/0293] Camoëns. Camoëns, der Muſen Liebling, Lag erkrankt im Hoſpitale. In derſelben armen Kammer Lag ein Schüler aus Coimbra, Ihm des Tages Stunden kürzend Mit unendlichem Geplauder. „Edler Herr und großer Dichter, Was ſie melden, iſt es Wahrheit? Daß geſcheitert eines Tages Am Geſtad von Coromandel Sei das undankbare Fahrzeug, Das beehrt war, Euch zu tragen? Daß Ihr, kämpfend in der Brandung, Mit der Rechten kühn gerudert, Doch in ausgeſtreckter Linken, Unerreicht vom Wellenwurfe, Hieltet Eures Liedes Handſchrift? Schwer wird ſolches mir zu glauben. Herr, auch mir, wann ich verliebt bin, Sind Apollo's Schweſtern günſtig; Aber ging' es mir ans Leben, Flattern meine ſchönſten Verſe Ließ' ich wahrlich mit dem Winde, Brauchte meine beiden Arme!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/293
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. [279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/293>, abgerufen am 26.04.2024.