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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über das Ent-
stehen der sogenannten Priestleyschen Materie, der Infusorien, Oscillatorien,
Lamelliten etc. und es hat noch nicht einmal bestimmt werden können, ob
diese Uranfänge sich in eine vegetabilische und animalische Masse schei-
den lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäufung der ve-
getabilischen entstehe. - Wir erkennen die ersten Pflanzenanfänge in
dem sogenannten rothen Schnee des Polareises, welcher aus jenen nördlichen
Regionen zu uns gebracht, bei einer Temperatur von 15-16° R. in England
und Frankreich ausgehalten hat, und dessen Fortpflanzung ich selbst beobach-
tet habe. Es ist dies eine unendlich kleine Art von Pilzen, früher Uredo,
vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe
Farbe von Keimkörnern herrührt, welche indem sie platzen 4-5 kleine
Sporen auf dem Schnee ausstreuen. - Wie nun diese auf dem ewigen
Polareise wurzeln, so vegetiren andere Pflanzenanfänge, Usneen und
Conferven mitten in den heißen Quellen von 60-70° Reaumur.

Es giebt kaum einen größeren Contrast, als zwischen diesen microscopischen
Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen und animalen Natur, und
den Riesenproducten der Tropenwelt, unter denen die Palmen Beispiele des
höchsten Pflanzenwuchses gewähren. Die Wachspalme, welche wir auf dem An-
desrücken zwischen Ibague und Carthago in der Montanna de Quindiu ent-
deckt haben, Ceraxylon andicola erreicht eine Höhe von 160-180'. Die
dem Tannengeschlechte verwandte Araucaria excelsa, auf den Norfolk-In-
seln
ist sogar 240' hoch, und Dr. Douglas, welcher den Capt. Franklin

auf

große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über das Ent-
stehen der sogenannten Priestleyschen Materie, der Infusorien, Oscillatorien,
Lamelliten etc. und es hat noch nicht einmal bestimmt werden können, ob
diese Uranfänge sich in eine vegetabilische und animalische Masse schei-
den lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäufung der ve-
getabilischen entstehe. – Wir erkennen die ersten Pflanzenanfänge in
dem sogenannten rothen Schnee des Polareises, welcher aus jenen nördlichen
Regionen zu uns gebracht, bei einer Temperatur von 15–16° R. in England
und Frankreich ausgehalten hat, und dessen Fortpflanzung ich selbst beobach-
tet habe. Es ist dies eine unendlich kleine Art von Pilzen, früher Uredo,
vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe
Farbe von Keimkörnern herrührt, welche indem sie platzen 4–5 kleine
Sporen auf dem Schnee ausstreuen. – Wie nun diese auf dem ewigen
Polareise wurzeln, so vegetiren andere Pflanzenanfänge, Usneen und
Conferven mitten in den heißen Quellen von 60–70° Reaumur.

Es giebt kaum einen größeren Contrast, als zwischen diesen microscopischen
Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen und animalen Natur, und
den Riesenproducten der Tropenwelt, unter denen die Palmen Beispiele des
höchsten Pflanzenwuchses gewähren. Die Wachspalme, welche wir auf dem An-
desrücken zwischen Ibague und Carthago in der Montaña de Quindiu ent-
deckt haben, Ceraxylon andicola erreicht eine Höhe von 160–180′. Die
dem Tannengeschlechte verwandte Araucaria excelsa, auf den Norfolk-In-
seln
ist sogar 240′ hoch, und Dr. Douglas, welcher den Capt. Franklin

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[35v/0074] große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über das Ent- stehen der sogenannten Priestleyschen Materie, der Infusorien, Oscillatorien, Lamelliten etc. und es hat noch nicht einmal bestimmt werden können, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische und animalische Masse schei- den lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäufung der ve- getabilischen entstehe. – Wir erkennen die ersten Pflanzenanfänge in dem sogenannten rothen Schnee des Polareises, welcher aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Temperatur von 15–16° R. in England und Frankreich ausgehalten hat, und dessen Fortpflanzung ich selbst beobach- tet habe. Es ist dies eine unendlich kleine Art von Pilzen, früher Uredo, vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe Farbe von Keimkörnern herrührt, welche indem sie platzen 4–5 kleine Sporen auf dem Schnee ausstreuen. – Wie nun diese auf dem ewigen Polareise wurzeln, so vegetiren andere Pflanzenanfänge, Usneen und Conferven mitten in den heißen Quellen von 60–70° Reaumur. Es giebt kaum einen größeren Contrast, als zwischen diesen microscopischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen und animalen Natur, und den Riesenproducten der Tropenwelt, unter denen die Palmen Beispiele des höchsten Pflanzenwuchses gewähren. Die Wachspalme, welche wir auf dem An- desrücken zwischen Ibague und Carthago in der Montaña de Quindiu ent- deckt haben, Ceraxylon andicola erreicht eine Höhe von 160–180′. Die dem Tannengeschlechte verwandte Araucaria excelsa, auf den Norfolk In- seln ist sogar 240′ hoch, und Dr. Douglas, welcher den Capt. Franklin auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 35v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/74>, abgerufen am 26.04.2024.