Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

Das wir nun weiter fortfahren/ so ist erstlich ein jeglicher
verß/ wie sie die Frantzosen auch abtheilen/ (denn der Jtalie-
ner zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) ent-
weder ein foemininus, welcher zue ende abschiessig ist/ vnd den
accent in der letzten sylben ohne eine hat/ Als:

Er hat rund vmb sich her das wasser außgespreitet/
Den köstlichen pallast des Himmels zue bereitet;

Oder masculinus, das ist/ männlicher verß/ da der then
auff der letzten sylben in die höhe steiget; als:


Den donner/ reiff vnd schnee/ der wolcken blaw-
es zelt/

Ost/ Norden/ Sud vnd West in seinen dienst
bestelt.

Nachmals ist auch ein jeder verß entweder ein iambicus o-
der trochaicus; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd
lateiner eine gewisse grösse der sylben können inn acht nemen;
sondern das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen/
welche sylbe hoch vnnd welche niedrig gesetzt soll werden. Ein
Jambus ist dieser:

Erhalt vns Herr bey deinem wort.

Der folgende ein Troeheus:

Mitten wir im leben sind.

Dann in dem ersten verse die erste sylbe niedrig/ die andere
hoch/ die dritte niedrig/ die vierde hoch/ vnd so fortan/ in dem
anderen verse die erste sylbe hoch/ die andere ntedrig/ die dritte
hoch/ etc. außgesprochen werden. Wiewol nun meines wissens
noch niemand/ ich auch vor derzeit selber nicht/ dieses genawe
in acht genommen/ scheinet es doch so hoch von nöthen zue sein/
als hoch von nöthen ist/ das die Lateiner noch den quantirati-
bus
oder grössen der sylben jhre verse richten vnd reguliren. Denn
es gar einen übelen klang hat:

Venus
G ij

Das wir nun weiter fortfahren/ ſo iſt erſtlich ein jeglicher
verß/ wie ſie die Frantzoſen auch abtheilen/ (denn der Jtalie-
ner zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) ent-
weder ein fœmininus, welcher zue ende abſchieſſig iſt/ vnd den
accent in der letzten ſylben ohne eine hat/ Als:

Er hat rund vmb ſich her das waſſer außgeſpreitet/
Den koͤſtlichen pallaſt des Himmels zue bereitet;

Oder maſculinus, das iſt/ maͤnnlicher verß/ da der then
auff der letzten ſylben in die hoͤhe ſteiget; als:


Den donner/ reiff vnd ſchnee/ der wolcken blaw-
es zelt/

Oſt/ Norden/ Sud vnd Weſt in ſeinen dienſt
beſtelt.

Nachmals iſt auch ein jeder verß entweder ein iambicus o-
der trochaicus; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd
lateiner eine gewiſſe groͤſſe der ſylben koͤnnen inn acht nemen;
ſondern das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen/
welche ſylbe hoch vnnd welche niedrig geſetzt ſoll werden. Ein
Jambus iſt dieſer:

Erhalt vns Herr bey deinem wort.

Der folgende ein Troeheus:

Mitten wir im leben ſind.

Dann in dem erſten verſe die erſte ſylbe niedrig/ die andere
hoch/ die dritte niedrig/ die vierde hoch/ vnd ſo fortan/ in dem
anderen verſe die erſte ſylbe hoch/ die andere ntedrig/ die dritte
hoch/ ꝛc. außgeſprochen werden. Wiewol nun meines wiſſens
noch niemand/ ich auch vor derzeit ſelber nicht/ dieſes genawe
in acht genommen/ ſcheinet es doch ſo hoch von noͤthen zue ſein/
als hoch von noͤthen iſt/ das die Lateiner noch den quantirati-
bus
oder groͤſſen der ſylben jhre verſe richten vñ reguliren. Deñ
es gar einen uͤbelen klang hat:

Venus
G ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0057"/>
        <p>Das wir nun weiter fortfahren/ &#x017F;o i&#x017F;t er&#x017F;tlich ein jeglicher<lb/>
verß/ wie &#x017F;ie die Frantzo&#x017F;en auch abtheilen/ (denn der Jtalie-<lb/>
ner zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) ent-<lb/>
weder ein <hi rendition="#aq">f&#x0153;mininus,</hi> welcher zue ende ab&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;ig i&#x017F;t/ vnd den<lb/>
accent in der letzten &#x017F;ylben ohne eine hat/ Als:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Er hat rund vmb &#x017F;ich her das wa&#x017F;&#x017F;er außge&#x017F;preitet/</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Den ko&#x0364;&#x017F;tlichen palla&#x017F;t des Himmels zue bereitet;</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Oder <hi rendition="#aq">ma&#x017F;culinus,</hi> das i&#x017F;t/ ma&#x0364;nnlicher verß/ da der then<lb/>
auff der letzten &#x017F;ylben in die ho&#x0364;he &#x017F;teiget; als:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem"><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Den donner/ reiff vnd &#x017F;chnee/ der wolcken blaw-<lb/><hi rendition="#et">es zelt/</hi></hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">O&#x017F;t/ Norden/ Sud vnd We&#x017F;t in &#x017F;einen dien&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;telt.</hi></hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Nachmals i&#x017F;t auch ein jeder verß entweder ein <hi rendition="#aq">iambicus</hi> o-<lb/>
der <hi rendition="#aq">trochaicus;</hi> nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd<lb/>
lateiner eine gewi&#x017F;&#x017F;e gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der &#x017F;ylben ko&#x0364;nnen inn acht nemen;<lb/>
&#x017F;ondern das wir aus den <hi rendition="#aq">accenten</hi> vnnd dem thone erkennen/<lb/>
welche &#x017F;ylbe hoch vnnd welche niedrig ge&#x017F;etzt &#x017F;oll werden. Ein<lb/>
Jambus i&#x017F;t die&#x017F;er:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Erhalt vns Herr bey deinem wort.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Der folgende ein Troeheus:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">Mitten wir im leben &#x017F;ind.</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Dann in dem er&#x017F;ten ver&#x017F;e die er&#x017F;te &#x017F;ylbe niedrig/ die andere<lb/>
hoch/ die dritte niedrig/ die vierde hoch/ vnd &#x017F;o fortan/ in dem<lb/>
anderen ver&#x017F;e die er&#x017F;te &#x017F;ylbe hoch/ die andere ntedrig/ die dritte<lb/>
hoch/ &#xA75B;c. außge&#x017F;prochen werden. Wiewol nun meines wi&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
noch niemand/ ich auch vor derzeit &#x017F;elber nicht/ die&#x017F;es genawe<lb/>
in acht genommen/ &#x017F;cheinet es doch &#x017F;o hoch von no&#x0364;then zue &#x017F;ein/<lb/>
als hoch von no&#x0364;then i&#x017F;t/ das die Lateiner noch den <hi rendition="#aq">quantirati-<lb/>
bus</hi> oder gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;en der &#x017F;ylben jhre ver&#x017F;e richten vn&#x0303; reguliren. Den&#x0303;<lb/>
es gar einen u&#x0364;belen klang hat:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G ij</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Venus</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] Das wir nun weiter fortfahren/ ſo iſt erſtlich ein jeglicher verß/ wie ſie die Frantzoſen auch abtheilen/ (denn der Jtalie- ner zarte reimen alleine auf die weibliche endung außgehen) ent- weder ein fœmininus, welcher zue ende abſchieſſig iſt/ vnd den accent in der letzten ſylben ohne eine hat/ Als: Er hat rund vmb ſich her das waſſer außgeſpreitet/ Den koͤſtlichen pallaſt des Himmels zue bereitet; Oder maſculinus, das iſt/ maͤnnlicher verß/ da der then auff der letzten ſylben in die hoͤhe ſteiget; als: Den donner/ reiff vnd ſchnee/ der wolcken blaw- es zelt/ Oſt/ Norden/ Sud vnd Weſt in ſeinen dienſt beſtelt. Nachmals iſt auch ein jeder verß entweder ein iambicus o- der trochaicus; nicht zwar das wir auff art der griechen vnnd lateiner eine gewiſſe groͤſſe der ſylben koͤnnen inn acht nemen; ſondern das wir aus den accenten vnnd dem thone erkennen/ welche ſylbe hoch vnnd welche niedrig geſetzt ſoll werden. Ein Jambus iſt dieſer: Erhalt vns Herr bey deinem wort. Der folgende ein Troeheus: Mitten wir im leben ſind. Dann in dem erſten verſe die erſte ſylbe niedrig/ die andere hoch/ die dritte niedrig/ die vierde hoch/ vnd ſo fortan/ in dem anderen verſe die erſte ſylbe hoch/ die andere ntedrig/ die dritte hoch/ ꝛc. außgeſprochen werden. Wiewol nun meines wiſſens noch niemand/ ich auch vor derzeit ſelber nicht/ dieſes genawe in acht genommen/ ſcheinet es doch ſo hoch von noͤthen zue ſein/ als hoch von noͤthen iſt/ das die Lateiner noch den quantirati- bus oder groͤſſen der ſylben jhre verſe richten vñ reguliren. Deñ es gar einen uͤbelen klang hat: Venus G ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/57
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/57>, abgerufen am 26.04.2024.