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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Arteneinheit des Menschengeschlechtes.

Hier schien endlich die Art scharf und glücklich begrenzt zu
sein. So oft zwischen belebten Wesen, mochte ihre Tracht und
Gestalt noch so auffällige Unterschiede wahrnehmen lassen, Nach-
kommen erzeugt wurden, die und deren Nachkommen wiederum
fruchtbare Begattungen vollzogen, wurden sie zu einer Art ver-
einigt. Unfruchtbarkeit, wenn sie bei Nachkommen oder auch bei
Enkeln sich einstellte, entschied das Gegentheil. An diesem Er-
kennungszeichen hielt auch Flourens fest. "Die Fruchtbar-
keit", sagte er, "begründet die Beharrlichkeit der Artenmerkmale.
Die verschiednen Arten erzeugen Mischlinge von nur beschränkter
Fruchtbarkeit 1)." Noch enger zieht Herr von Quatrefages den Be-
griff in den Worten: "Die Art vereinigt alle mehr oder weniger
sich gleichenden Einzelwesen, die von einem einzigen Urelternpaare
durch eine ununterbrochene Familienfolge abstammen oder als ab-
stammend gedacht werden können 2)."

Ehe wir uns über den Werth dieser Artenbestimmung ent-
scheiden, wollen wir zuvor untersuchen, ob das Merkmal der Frucht-
barkeit den Bastarden verschiedener Menschenracen zukommt. Dass
arische Hindu mit Drawida, Chinesen mit Europäerinnen, Araber
mit Negerfrauen Mischlinge und diese Mischlinge wiederum Nach-
kommen erzeugen, ist wohl nie bestritten worden, sehr oft wird
dagegen behauptet, dass die Mulatten in den spätern Geschlechts-
folgen aussterben, auch gelten die Frauen gemischten Blutes in
Mittelamerika gewöhnlich als unfruchtbar. Die Ursache dieser
allerdings häufigen Erscheinung ist hier jedoch keine physiologische,
sondern ein unsittlicher Lebenswandel 3). Die Thatsache, dass auf der
Insel Cuba und auf Haiti halbblütige Bevölkerungen bis zu Hundert-
tausenden angewachsen sind, bestätigt wenigstens, dass die Ab-
kömmlinge von südeuropäischen Creolen und Negern fruchtbar
sind. Völlige Unfruchtbarkeit angelsächsischer Mulatten auf Ja-

1) Flourens, Examen du livre de Mr. Darwin sur l'origine des especes.
Paris 1864. p. 21.
2) Unite de l'espece humaine. Paris 1861, p. 54.
3) Der Verfasser hat über diese durch strenge Beobachtungen nicht zu
schlichtende Streitfrage deutsche Kaufleute, die lange Zeit auf Cuba gelebt
hatten, befragt und stets die Antwort erhalten, dass Mulattinnen von jeder
denkbaren Fruchtbarkeit nicht ungewöhnlich seien, und dass sie den häufigen
Mangel an Kindersegen bei andern Mischlingen nur frühzeitigen Ausschwei-
fungen zuschreiben müssten.
Arteneinheit des Menschengeschlechtes.

Hier schien endlich die Art scharf und glücklich begrenzt zu
sein. So oft zwischen belebten Wesen, mochte ihre Tracht und
Gestalt noch so auffällige Unterschiede wahrnehmen lassen, Nach-
kommen erzeugt wurden, die und deren Nachkommen wiederum
fruchtbare Begattungen vollzogen, wurden sie zu einer Art ver-
einigt. Unfruchtbarkeit, wenn sie bei Nachkommen oder auch bei
Enkeln sich einstellte, entschied das Gegentheil. An diesem Er-
kennungszeichen hielt auch Flourens fest. „Die Fruchtbar-
keit“, sagte er, „begründet die Beharrlichkeit der Artenmerkmale.
Die verschiednen Arten erzeugen Mischlinge von nur beschränkter
Fruchtbarkeit 1).“ Noch enger zieht Herr von Quatrefages den Be-
griff in den Worten: „Die Art vereinigt alle mehr oder weniger
sich gleichenden Einzelwesen, die von einem einzigen Urelternpaare
durch eine ununterbrochene Familienfolge abstammen oder als ab-
stammend gedacht werden können 2).“

Ehe wir uns über den Werth dieser Artenbestimmung ent-
scheiden, wollen wir zuvor untersuchen, ob das Merkmal der Frucht-
barkeit den Bastarden verschiedener Menschenraçen zukommt. Dass
arische Hindu mit Drawida, Chinesen mit Europäerinnen, Araber
mit Negerfrauen Mischlinge und diese Mischlinge wiederum Nach-
kommen erzeugen, ist wohl nie bestritten worden, sehr oft wird
dagegen behauptet, dass die Mulatten in den spätern Geschlechts-
folgen aussterben, auch gelten die Frauen gemischten Blutes in
Mittelamerika gewöhnlich als unfruchtbar. Die Ursache dieser
allerdings häufigen Erscheinung ist hier jedoch keine physiologische,
sondern ein unsittlicher Lebenswandel 3). Die Thatsache, dass auf der
Insel Cuba und auf Haiti halbblütige Bevölkerungen bis zu Hundert-
tausenden angewachsen sind, bestätigt wenigstens, dass die Ab-
kömmlinge von südeuropäischen Creolen und Negern fruchtbar
sind. Völlige Unfruchtbarkeit angelsächsischer Mulatten auf Ja-

1) Flourens, Examen du livre de Mr. Darwin sur l’origine des espèces.
Paris 1864. p. 21.
2) Unité de l’espèce humaine. Paris 1861, p. 54.
3) Der Verfasser hat über diese durch strenge Beobachtungen nicht zu
schlichtende Streitfrage deutsche Kaufleute, die lange Zeit auf Cuba gelebt
hatten, befragt und stets die Antwort erhalten, dass Mulattinnen von jeder
denkbaren Fruchtbarkeit nicht ungewöhnlich seien, und dass sie den häufigen
Mangel an Kindersegen bei andern Mischlingen nur frühzeitigen Ausschwei-
fungen zuschreiben müssten.
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[9/0027] Arteneinheit des Menschengeschlechtes. Hier schien endlich die Art scharf und glücklich begrenzt zu sein. So oft zwischen belebten Wesen, mochte ihre Tracht und Gestalt noch so auffällige Unterschiede wahrnehmen lassen, Nach- kommen erzeugt wurden, die und deren Nachkommen wiederum fruchtbare Begattungen vollzogen, wurden sie zu einer Art ver- einigt. Unfruchtbarkeit, wenn sie bei Nachkommen oder auch bei Enkeln sich einstellte, entschied das Gegentheil. An diesem Er- kennungszeichen hielt auch Flourens fest. „Die Fruchtbar- keit“, sagte er, „begründet die Beharrlichkeit der Artenmerkmale. Die verschiednen Arten erzeugen Mischlinge von nur beschränkter Fruchtbarkeit 1).“ Noch enger zieht Herr von Quatrefages den Be- griff in den Worten: „Die Art vereinigt alle mehr oder weniger sich gleichenden Einzelwesen, die von einem einzigen Urelternpaare durch eine ununterbrochene Familienfolge abstammen oder als ab- stammend gedacht werden können 2).“ Ehe wir uns über den Werth dieser Artenbestimmung ent- scheiden, wollen wir zuvor untersuchen, ob das Merkmal der Frucht- barkeit den Bastarden verschiedener Menschenraçen zukommt. Dass arische Hindu mit Drawida, Chinesen mit Europäerinnen, Araber mit Negerfrauen Mischlinge und diese Mischlinge wiederum Nach- kommen erzeugen, ist wohl nie bestritten worden, sehr oft wird dagegen behauptet, dass die Mulatten in den spätern Geschlechts- folgen aussterben, auch gelten die Frauen gemischten Blutes in Mittelamerika gewöhnlich als unfruchtbar. Die Ursache dieser allerdings häufigen Erscheinung ist hier jedoch keine physiologische, sondern ein unsittlicher Lebenswandel 3). Die Thatsache, dass auf der Insel Cuba und auf Haiti halbblütige Bevölkerungen bis zu Hundert- tausenden angewachsen sind, bestätigt wenigstens, dass die Ab- kömmlinge von südeuropäischen Creolen und Negern fruchtbar sind. Völlige Unfruchtbarkeit angelsächsischer Mulatten auf Ja- 1) Flourens, Examen du livre de Mr. Darwin sur l’origine des espèces. Paris 1864. p. 21. 2) Unité de l’espèce humaine. Paris 1861, p. 54. 3) Der Verfasser hat über diese durch strenge Beobachtungen nicht zu schlichtende Streitfrage deutsche Kaufleute, die lange Zeit auf Cuba gelebt hatten, befragt und stets die Antwort erhalten, dass Mulattinnen von jeder denkbaren Fruchtbarkeit nicht ungewöhnlich seien, und dass sie den häufigen Mangel an Kindersegen bei andern Mischlingen nur frühzeitigen Ausschwei- fungen zuschreiben müssten.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/27>, abgerufen am 26.04.2024.