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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Vogt. Im Ernst. Du sollst am Montag ins
Schloß kommen.

Wenn's Ernst ist, so sag ich schuldigen Dank,
Herr Untervogt! da siehest du jezt, warum ich heute
singen und pfeifen mag. Lachend gieng der Vogt
von ihm weg, und sagte im Gehen: Keine Stunde
in meinem Leben ist mir so wohl als diesem Bett-
ler.

Der Bär aber gieng in seine Stube zu seinem
Weib. Ha, nur immer gutes Muths! Unser lie-
ber Herr Gott meynt's immer noch gut, Frau!
ich bin Taglöhner am Kirchbau.

Frau. Ja, es wird lange gehen, bis es an
dich kommen wird. Du hast immer den Sack voll
Trost; aber nie Brod.

Bär. Das Brod soll nicht fehlen, wenn ich
einst den Taglohn haben werde.

Frau. Aber der Taglohn kann fehlen.

Bär. Nein, mein Sack nicht. Arner zahlt
die Taglöhner brav; das wird nicht fehlen.

Frau. Spassest du; oder ist's wahr mit dem
Bau?

Bär Der Vogt kommt so eben und sagte: Ich
müsse am Montag mit den Taglöhnern, die an
der Kirche arbeiten, ins Schloß; also kann's doch
nicht wohl fehlen.

Frau. Das wär doch auch. Gott Lob! wenn
ich einst eine ruhige Stunde hoffen könnte.

Bär.

Vogt. Im Ernſt. Du ſollſt am Montag ins
Schloß kommen.

Wenn’s Ernſt iſt, ſo ſag ich ſchuldigen Dank,
Herr Untervogt! da ſieheſt du jezt, warum ich heute
ſingen und pfeifen mag. Lachend gieng der Vogt
von ihm weg, und ſagte im Gehen: Keine Stunde
in meinem Leben iſt mir ſo wohl als dieſem Bett-
ler.

Der Baͤr aber gieng in ſeine Stube zu ſeinem
Weib. Ha, nur immer gutes Muths! Unſer lie-
ber Herr Gott meynt’s immer noch gut, Frau!
ich bin Tagloͤhner am Kirchbau.

Frau. Ja, es wird lange gehen, bis es an
dich kommen wird. Du haſt immer den Sack voll
Troſt; aber nie Brod.

Baͤr. Das Brod ſoll nicht fehlen, wenn ich
einſt den Taglohn haben werde.

Frau. Aber der Taglohn kann fehlen.

Baͤr. Nein, mein Sack nicht. Arner zahlt
die Tagloͤhner brav; das wird nicht fehlen.

Frau. Spaſſeſt du; oder iſt’s wahr mit dem
Bau?

Baͤr Der Vogt kommt ſo eben und ſagte: Ich
muͤſſe am Montag mit den Tagloͤhnern, die an
der Kirche arbeiten, ins Schloß; alſo kann’s doch
nicht wohl fehlen.

Frau. Das waͤr doch auch. Gott Lob! wenn
ich einſt eine ruhige Stunde hoffen koͤnnte.

Baͤr.
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[111/0136] Vogt. Im Ernſt. Du ſollſt am Montag ins Schloß kommen. Wenn’s Ernſt iſt, ſo ſag ich ſchuldigen Dank, Herr Untervogt! da ſieheſt du jezt, warum ich heute ſingen und pfeifen mag. Lachend gieng der Vogt von ihm weg, und ſagte im Gehen: Keine Stunde in meinem Leben iſt mir ſo wohl als dieſem Bett- ler. Der Baͤr aber gieng in ſeine Stube zu ſeinem Weib. Ha, nur immer gutes Muths! Unſer lie- ber Herr Gott meynt’s immer noch gut, Frau! ich bin Tagloͤhner am Kirchbau. Frau. Ja, es wird lange gehen, bis es an dich kommen wird. Du haſt immer den Sack voll Troſt; aber nie Brod. Baͤr. Das Brod ſoll nicht fehlen, wenn ich einſt den Taglohn haben werde. Frau. Aber der Taglohn kann fehlen. Baͤr. Nein, mein Sack nicht. Arner zahlt die Tagloͤhner brav; das wird nicht fehlen. Frau. Spaſſeſt du; oder iſt’s wahr mit dem Bau? Baͤr Der Vogt kommt ſo eben und ſagte: Ich muͤſſe am Montag mit den Tagloͤhnern, die an der Kirche arbeiten, ins Schloß; alſo kann’s doch nicht wohl fehlen. Frau. Das waͤr doch auch. Gott Lob! wenn ich einſt eine ruhige Stunde hoffen koͤnnte. Baͤr.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/136>, abgerufen am 26.04.2024.