Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] und Bruder: welcher letzere/ mit so vielen Liebesdiensten und Thren- gemängten Bitten/ ihm keine Milde abgewinnen können. Es wäre zu bewundern/ daß von so frommen Eltern eine so böse Blatter gezeugt worden/ und zween so ungleiche Brüder in einer Mutter Leibe gelegen: wann wir nicht/ an den ersten zweyen Brudern der Welt/ ein gleiches Beyspiel hätten/ welches auch an dem Cham/ Esau und Absalom erschienen. Es zeiget sich auch hieraus/ daß von dem Geblüt wenig Adels herkomme. Man muß nicht allein von edlen Geblüte/ sondern auch selbst edel am Gemüte seyn: dann das ist nicht mehr unser/ was vor uns gewesen.

Seine Jugend. Die Studia waren ihme von Jugend auf wenig angelegen/ auser daß er Kais. Tiberii Lebensgeschicht lase/ und unterweilen im Verse-machen sich geübet/ oder eine gute Rede setzen gelernet/ und die Sprüche der Weisen zu Gedächtnis gefasset. Hierdurch gelangte er zu einer ziemlichen Redseeligkeit/ und konte oft gar zierlich von einer Sache reden: wie er dann/ unter andern/ den Kopf eines Kerls/ der zugleich grau und rothärig gewesen/ einen Meet-gemengten Schnee genennet. Sonsten hatte er so gut mit dem Bogen schiessen gelernet/ daß er einem ferne von ihm stehenden Knaben/ (der gleichen man auch von K. Cambyse in Persien aufgeschrieben) durch aufgereckte zween Finger/ unverletzt mit dem Pfeil hindurch schiessen können.

Seine Gemahlin. Seine Gemahlin war Domitia Longina, eine wunder-schöne Dame/ die er ihrem Eheherrn dem Aelio Lamiae abgenommen/ und zwey Jahre lang für eine Beyschläfferin gebrauchet: aber nach diesem ließe er ihren Mann heimlich hinrichten/ und hielte mit ihr ein offentliches Beylager. Er ließe sie auch Kaiserin nennen/ als sie ihm einen Sohn gebohren. Er hat sie zwar nachgehends verstossen/ als sie in den Paris, einen Comoedianten/ sich verliebet: aber bald darauf/ aus häfftiger Liebe/ unter dem Schein als wann er vom Römischen Volk hierzu gezwungen würde/ sie wieder zu sich genommen. Man hat ihm zwar Juliam, seines Bruders Titi Tochter/ zur Braut angebotten: die er aber/ in der Domitiae Liebe verwickelt/ durchaus nicht haben wollen. Aber/ nachdem sie an einen andern verheuratet worden/ hat er/ noch bey lebzeiten ihres Vatters/ sie in Unehren beschlaffen/ und nach ihres Vatters und Mannes Tod sie öffentlich geliebet: da er auch die Ursach ihres Todes worden/ indem er sie ein Kind abtreiben heissen.

Sein Regirung-Antrit Zur Kaiserlichen Höchst-Würde/ ist er durch Hinterlist und Boßheit gelanget. Nach seines Vatters Tod/ liesse er sich ungescheut vernehmen: sein Vatter hätte ihn zum Reichs-Erben benennet und eingesetzt/ aber das Testament wäre vertuscht worden. Er liesse auch nicht nach/ seinem Bruder nach dem Leben zu stellen/ biß er ihn endlich zum Tode vergifftet. Andere wollen/ er habe/ als Kaiser Titus erkrancket/ es also angestellet/ daß er von jederman verlassen worden/ und also verschmachten müssen.

[Spaltenumbruch]

Seine Regirung. Er ware im Anfang seiner Regirung/ fromm und erleidlich/ und hielte insonderheit scharffe Aufsicht auf die Amtleute/ also daß man sagte/ es seyen vorher nie gerechtere und bescheidnere gewesen. Einen Vornehmen schaffte er aus dem Raht/ weil er sich gar zu sehr auf das Dantzen und anderes Gauckelwerck verleget. Einen Ritter straffte er/ der sein Weib/ mit Beschuldigung des Ehbruchs/ von sich gethan/ und hernach sie wieder zu sich genommen. Unzüchtigen Weibern verbote er/ daß sie sich nicht auf der Sänfte tragen/ noch etwas durch Testament erben dorften. Die Fiscal-Calumnianten nahme er in harte Straffe/ und liesse oft dieses Spruches sich vernehmen: Ein Fürst reitzet die Verläumder/ der sie nicht züchtiget. Also hat er auch die Pasquillanten/ als von denen ehrliche Leute offentlich verleumdet wurden/ ernstlich abgestraffet. Ja er hielte solche Leute für eine böse Pest des Menschlichen Geschlechtes/ und verwiese sie gar aus der Stadt/ dabey sagend: wie daß die/ so solchen bösen Leuten Gehör geben/ viel böser als dieselben seyen. Sonsten/ ob er wol ein Wüterich worden/ wolte er doch allemal für gütig angesehen seyn/ und pflage im Raht dieser Tugend/ als der Güte und Sanfftmut/ manchen Lobspruch zu thun.

Es scheinet aber/ er habe das/ was im Anfang seiner Regirung löbliches von ihm geschrieben wird/ allein durch andere gethan: massen ja sein Thun damals gewesen/ daß er gar nichts gethan Er war ein Muckenfänger. hat. Dann er pflegte täglich eine Stunde lang sich zu verschliessen/ und in derselben sonst nichts zu thun/ als daß er Mucken gefangen/ und dieselben mit einem zugespitzten Griffel gespiesset. Daher/ als einsmals einer fragte/ ob niemand beym Kaiser wäre? Fibius Crispius geantwortet: nicht einmal eine Mucke. Und hieraus ist leicht zu mutmassen/ was sonst sein Thun/ oder vielmehr sein Müssiggang/ müsse gewesen seyn.

Seine Untugenden. Er ward auch im Fortgang seiner Regirung-Jahre/ ein Freund der Verleumder/ deren so scharfer Feind er vorher gewesen. Dann weil er alles zu verschwenden begunte/ brauchte er Leute/ die ihme wieder etwas in die Rentkammer jagten. Doch trachtete er auch/ die durch Feuersbrunst verzehrte Bibliotheken wieder aufzurichten/ schickte nach Alexandria, liesse allda viel Bücher abschreiben und nach Rom bringen.

Seine Wüterey. Es scheinet/ er habe an den Mucken gelernet/ die Leute zu spissen und hinzurichten: massen er sich offt im Schiessen geübet/ und gemeinlich hundert Stücke allerley Wilds zusammen bringen lassen/ die er dann also zu treffen wuste/ daß er mit zweyen Schüssen ihnen die Hörner am Haubt ledig machte. Es wäre dennoch zu wünschen gewesen/ daß er Kaiser Titi Wildschütz/ und nicht sein Nachfolger am Reich/ worden wäre. Metius Pomposianus muste seine Grausamkeit fühlen/ dessen doch sein Vatter Kais. Vespasianus verschont hatte. Man sagte von ihm/ er wäre vom Geschlecht der Cäsaren: und weil er auch seinen Knechten die Namen Mago und Hannibal gegeben/ als must

[Spaltenumbruch] und Bruder: welcher letzere/ mit so vielen Liebesdiensten und Thren- gemängten Bitten/ ihm keine Milde abgewinnen können. Es wäre zu bewundern/ daß von so frommen Eltern eine so böse Blatter gezeugt worden/ und zween so ungleiche Brüder in einer Mutter Leibe gelegen: wann wir nicht/ an den ersten zweyen Brudern der Welt/ ein gleiches Beyspiel hätten/ welches auch an dem Cham/ Esau und Absalom erschienen. Es zeiget sich auch hieraus/ daß von dem Geblüt wenig Adels herkomme. Man muß nicht allein von edlen Geblüte/ sondern auch selbst edel am Gemüte seyn: dann das ist nicht mehr unser/ was vor uns gewesen.

Seine Jugend. Die Studia waren ihme von Jugend auf wenig angelegen/ auser daß er Kais. Tiberii Lebensgeschicht lase/ und unterweilen im Verse-machen sich geübet/ oder eine gute Rede setzen gelernet/ und die Sprüche der Weisen zu Gedächtnis gefasset. Hierdurch gelangte er zu einer ziemlichen Redseeligkeit/ und konte oft gar zierlich von einer Sache reden: wie er dann/ unter andern/ den Kopf eines Kerls/ der zugleich grau und rothärig gewesen/ einen Meet-gemengten Schnee genennet. Sonsten hatte er so gut mit dem Bogen schiessen gelernet/ daß er einem ferne von ihm stehenden Knaben/ (der gleichen man auch von K. Cambyse in Persien aufgeschrieben) durch aufgereckte zween Finger/ unverletzt mit dem Pfeil hindurch schiessen können.

Seine Gemahlin. Seine Gemahlin war Domitia Longina, eine wunder-schöne Dame/ die er ihrem Eheherrn dem Aelio Lamiae abgenommen/ und zwey Jahre lang für eine Beyschläfferin gebrauchet: aber nach diesem ließe er ihren Mann heimlich hinrichten/ und hielte mit ihr ein offentliches Beylager. Er ließe sie auch Kaiserin nennen/ als sie ihm einen Sohn gebohren. Er hat sie zwar nachgehends verstossen/ als sie in den Paris, einen Comoedianten/ sich verliebet: aber bald darauf/ aus häfftiger Liebe/ unter dem Schein als wann er vom Römischen Volk hierzu gezwungen würde/ sie wieder zu sich genommen. Man hat ihm zwar Juliam, seines Bruders Titi Tochter/ zur Braut angebotten: die er aber/ in der Domitiae Liebe verwickelt/ durchaus nicht haben wollen. Aber/ nachdem sie an einen andern verheuratet worden/ hat er/ noch bey lebzeiten ihres Vatters/ sie in Unehren beschlaffen/ und nach ihres Vatters und Mannes Tod sie öffentlich geliebet: da er auch die Ursach ihres Todes worden/ indem er sie ein Kind abtreiben heissen.

Sein Regirung-Antrit Zur Kaiserlichen Höchst-Würde/ ist er durch Hinterlist und Boßheit gelanget. Nach seines Vatters Tod/ liesse er sich ungescheut vernehmen: sein Vatter hätte ihn zum Reichs-Erben benennet und eingesetzt/ aber das Testament wäre vertuscht worden. Er liesse auch nicht nach/ seinem Bruder nach dem Leben zu stellen/ biß er ihn endlich zum Tode vergifftet. Andere wollen/ er habe/ als Kaiser Titus erkrancket/ es also angestellet/ daß er von jederman verlassen worden/ und also verschmachten müssen.

[Spaltenumbruch]

Seine Regirung. Er ware im Anfang seiner Regirung/ fromm und erleidlich/ und hielte insonderheit scharffe Aufsicht auf die Amtleute/ also daß man sagte/ es seyen vorher nie gerechtere und bescheidnere gewesen. Einen Vornehmen schaffte er aus dem Raht/ weil er sich gar zu sehr auf das Dantzen und anderes Gauckelwerck verleget. Einen Ritter straffte er/ der sein Weib/ mit Beschuldigung des Ehbruchs/ von sich gethan/ und hernach sie wieder zu sich genommen. Unzüchtigen Weibern verbote er/ daß sie sich nicht auf der Sänfte tragen/ noch etwas durch Testament erben dorften. Die Fiscal-Calumnianten nahme er in harte Straffe/ und liesse oft dieses Spruches sich vernehmen: Ein Fürst reitzet die Verläumder/ der sie nicht züchtiget. Also hat er auch die Pasquillanten/ als von denen ehrliche Leute offentlich verleumdet wurden/ ernstlich abgestraffet. Ja er hielte solche Leute für eine böse Pest des Menschlichen Geschlechtes/ und verwiese sie gar aus der Stadt/ dabey sagend: wie daß die/ so solchen bösen Leuten Gehör geben/ viel böser als dieselben seyen. Sonsten/ ob er wol ein Wüterich worden/ wolte er doch allemal für gütig angesehen seyn/ und pflage im Raht dieser Tugend/ als der Güte und Sanfftmut/ manchen Lobspruch zu thun.

Es scheinet aber/ er habe das/ was im Anfang seiner Regirung löbliches von ihm geschrieben wird/ allein durch andere gethan: massen ja sein Thun damals gewesen/ daß er gar nichts gethan Er war ein Muckenfänger. hat. Dann er pflegte täglich eine Stunde lang sich zu verschliessen/ und in derselben sonst nichts zu thun/ als daß er Mucken gefangen/ und dieselben mit einem zugespitzten Griffel gespiesset. Daher/ als einsmals einer fragte/ ob niemand beym Kaiser wäre? Fibius Crispius geantwortet: nicht einmal eine Mucke. Und hieraus ist leicht zu mutmassen/ was sonst sein Thun/ oder vielmehr sein Müssiggang/ müsse gewesen seyn.

Seine Untugenden. Er ward auch im Fortgang seiner Regirung-Jahre/ ein Freund der Verleumder/ deren so scharfer Feind er vorher gewesen. Dann weil er alles zu verschwenden begunte/ brauchte er Leute/ die ihme wieder etwas in die Rentkammer jagten. Doch trachtete er auch/ die durch Feuersbrunst verzehrte Bibliotheken wieder aufzurichten/ schickte nach Alexandria, liesse allda viel Bücher abschreiben und nach Rom bringen.

Seine Wüterey. Es scheinet/ er habe an den Mucken gelernet/ die Leute zu spissen und hinzurichten: massen er sich offt im Schiessen geübet/ und gemeinlich hundert Stücke allerley Wilds zusammen bringen lassen/ die er dann also zu treffen wuste/ daß er mit zweyen Schüssen ihnen die Hörner am Haubt ledig machte. Es wäre dennoch zu wünschen gewesen/ daß er Kaiser Titi Wildschütz/ und nicht sein Nachfolger am Reich/ worden wäre. Metius Pomposianus muste seine Grausamkeit fühlen/ dessen doch sein Vatter Kais. Vespasianus verschont hatte. Man sagte von ihm/ er wäre vom Geschlecht der Cäsaren: und weil er auch seinen Knechten die Namen Mago und Hannibal gegeben/ als must

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div xml:id="d956">
          <p xml:id="p956.8"><pb facs="#f0097" xml:id="pb-958" n="[II (Skulptur), S. 67]"/><cb/>
und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Bruder</persName>: welcher letzere/ mit so vielen Liebesdiensten und Thren- gemängten Bitten/ ihm keine Milde abgewinnen können. Es wäre zu bewundern/ daß von so frommen Eltern eine so böse Blatter gezeugt worden/ und zween so ungleiche Brüder in einer <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1228">Mutter</persName> Leibe gelegen: wann wir nicht/ an den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2471 http://d-nb.info/gnd/118714732 http://viaf.org/viaf/27866160">ersten zweyen Brudern der Welt</persName>/ ein gleiches Beyspiel hätten/ welches auch an dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4119 http://d-nb.info/gnd/120339994 http://viaf.org/viaf/62376564">Cham</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2472 http://d-nb.info/gnd/118531018 http://viaf.org/viaf/8178951">Esau</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2473 http://d-nb.info/gnd/120527057 http://viaf.org/viaf/5764680">Absalom</persName> erschienen. Es zeiget sich auch hieraus/ daß von dem Geblüt wenig Adels herkomme. Man muß nicht allein von edlen Geblüte/ sondern auch selbst edel am Gemüte seyn: dann das ist nicht mehr unser/ was vor uns gewesen.</p>
          <p xml:id="p958.1"><note place="right">Seine Jugend.</note> Die <hi rendition="#aq">Studia</hi> waren ihme von Jugend auf wenig angelegen/ auser daß er <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-482 http://d-nb.info/gnd/118622501 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500115693 http://viaf.org/viaf/89600176">Kais. <hi rendition="#aq">Tiberii</hi></persName> Lebensgeschicht lase/ und unterweilen im Verse-machen sich geübet/ oder eine gute Rede setzen gelernet/ und die Sprüche der Weisen zu Gedächtnis gefasset. Hierdurch gelangte er zu einer ziemlichen Redseeligkeit/ und konte oft gar zierlich von einer Sache reden: wie er dann/ unter andern/ den Kopf eines Kerls/ der zugleich grau und rothärig gewesen/ einen Meet-gemengten Schnee genennet. Sonsten hatte er so gut mit dem Bogen schiessen gelernet/ daß er einem ferne von ihm stehenden Knaben/ (der gleichen man auch von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3286 http://d-nb.info/gnd/118800582 http://viaf.org/viaf/69725750">K. <hi rendition="#aq">Cambyse</hi></persName> in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-114 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7024079">Persien</placeName> aufgeschrieben) durch aufgereckte zween Finger/ unverletzt mit dem Pfeil hindurch schiessen können.</p>
          <p xml:id="p958.2"><note place="right">Seine Gemahlin.</note> Seine Gemahlin war <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2429">Domitia Longina</persName>,</hi> eine wunder-schöne Dame/ die er ihrem Eheherrn dem <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2474">Aelio Lamiae</persName></hi> abgenommen/ und zwey Jahre lang für eine Beyschläfferin gebrauchet: aber nach diesem ließe er ihren Mann heimlich hinrichten/ und hielte mit ihr ein offentliches Beylager. Er ließe sie auch Kaiserin nennen/ als sie ihm einen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4154">Sohn</persName> gebohren. Er hat sie zwar nachgehends verstossen/ als sie in den <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2476">Paris</persName>,</hi> einen Comoedianten/ sich verliebet: aber bald darauf/ aus häfftiger Liebe/ unter dem Schein als wann er vom Römischen Volk hierzu gezwungen würde/ sie wieder zu sich genommen. Man hat ihm zwar <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2475">Juliam</persName>,</hi> seines Bruders <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Titi</persName></hi> Tochter/ zur Braut angebotten: die er aber/ in der <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2429">Domitiae</persName></hi> Liebe verwickelt/ durchaus nicht haben wollen. Aber/ nachdem sie an einen andern verheuratet worden/ hat er/ noch bey lebzeiten ihres <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Vatters</persName>/ sie in Unehren beschlaffen/ und nach ihres Vatters und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Mannes</persName> Tod sie öffentlich geliebet: da er auch die Ursach ihres Todes worden/ indem er sie ein Kind abtreiben heissen.</p>
          <p xml:id="p958.3"><note place="right">Sein Regirung-Antrit</note> Zur Kaiserlichen Höchst-Würde/ ist er durch Hinterlist und Boßheit gelanget. Nach seines <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-289 http://d-nb.info/gnd/11862671X http://viaf.org/viaf/96539514">Vatters</persName> Tod/ liesse er sich ungescheut vernehmen: sein Vatter hätte ihn zum Reichs-Erben benennet und eingesetzt/ aber das Testament wäre vertuscht worden. Er liesse auch nicht nach/ seinem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Bruder</persName> nach dem Leben zu stellen/ biß er ihn endlich zum Tode vergifftet. Andere wollen/ er habe/ als <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Kaiser Titus</persName> erkrancket/ es also angestellet/ daß er von jederman verlassen worden/ und also verschmachten müssen.</p>
          <cb/>
          <p xml:id="p958.4"><note place="right">Seine Regirung.</note> Er ware im Anfang seiner Regirung/ fromm und erleidlich/ und hielte insonderheit scharffe Aufsicht auf die Amtleute/ also daß man sagte/ es seyen vorher nie gerechtere und bescheidnere gewesen. Einen Vornehmen schaffte er aus dem Raht/ weil er sich gar zu sehr auf das Dantzen und anderes Gauckelwerck verleget. Einen Ritter straffte er/ der sein Weib/ mit Beschuldigung des Ehbruchs/ von sich gethan/ und hernach sie wieder zu sich genommen. Unzüchtigen Weibern verbote er/ daß sie sich nicht auf der Sänfte tragen/ noch etwas durch Testament erben dorften. Die <hi rendition="#aq">Fiscal-Calumniant</hi>en nahme er in harte Straffe/ und liesse oft dieses Spruches sich vernehmen: Ein Fürst reitzet die Verläumder/ der sie nicht züchtiget. Also hat er auch die <hi rendition="#aq">Pasquillant</hi>en/ als von denen ehrliche Leute offentlich verleumdet wurden/ ernstlich abgestraffet. Ja er hielte solche Leute für eine böse Pest des Menschlichen Geschlechtes/ und verwiese sie gar aus der Stadt/ dabey sagend: wie daß die/ so solchen bösen Leuten Gehör geben/ viel böser als dieselben seyen. Sonsten/ ob er wol ein Wüterich worden/ wolte er doch allemal für gütig angesehen seyn/ und pflage im Raht dieser Tugend/ als der Güte und Sanfftmut/ manchen Lobspruch zu thun.</p>
          <p xml:id="p958.5">Es scheinet aber/ er habe das/ was im Anfang seiner Regirung löbliches von ihm geschrieben wird/ allein durch andere gethan: massen ja sein Thun damals gewesen/ daß er gar nichts gethan <note place="right">Er war ein Muckenfänger.</note> hat. Dann er pflegte täglich eine Stunde lang sich zu verschliessen/ und in derselben sonst nichts zu thun/ als daß er Mucken gefangen/ und dieselben mit einem zugespitzten Griffel gespiesset. Daher/ als einsmals einer fragte/ ob niemand beym Kaiser wäre? <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5350 http://d-nb.info/gnd/102409218 http://viaf.org/viaf/10236797">Fibius Crispius</persName></hi> geantwortet: nicht einmal eine Mucke. Und hieraus ist leicht zu mutmassen/ was sonst sein Thun/ oder vielmehr sein Müssiggang/ müsse gewesen seyn.</p>
          <p xml:id="p958.6"><note place="right">Seine Untugenden.</note> Er ward auch im Fortgang seiner Regirung-Jahre/ ein Freund der Verleumder/ deren so scharfer Feind er vorher gewesen. Dann weil er alles zu verschwenden begunte/ brauchte er Leute/ die ihme wieder etwas in die Rentkammer jagten. Doch trachtete er auch/ die durch Feuersbrunst verzehrte <hi rendition="#aq">Bibliotheken</hi> wieder aufzurichten/ schickte nach <hi rendition="#aq"><placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-98 http://www.geonames.org/361058/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001188">Alexandria</placeName>,</hi> liesse allda viel Bücher abschreiben und nach <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-6 http://www.geonames.org/3169070/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000874">Rom</placeName> bringen.</p>
          <p xml:id="p958.7"><note place="right">Seine Wüterey.</note> Es scheinet/ er habe an den Mucken gelernet/ die Leute zu spissen und hinzurichten: massen er sich offt im Schiessen geübet/ und gemeinlich hundert <choice><sic>Sücke</sic><corr>Stücke</corr></choice> allerley Wilds zusammen bringen lassen/ die er dann also zu treffen wuste/ daß er mit zweyen Schüssen ihnen die Hörner am Haubt ledig machte. Es wäre dennoch zu wünschen gewesen/ daß er <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Kaiser <hi rendition="#aq">Titi</hi></persName> Wildschütz/ und nicht sein Nachfolger am Reich/ worden wäre. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5248">Metius Pomposianus</persName></hi> muste seine Grausamkeit fühlen/ dessen doch sein Vatter <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-289 http://d-nb.info/gnd/11862671X http://viaf.org/viaf/96539514">Kais. <hi rendition="#aq">Vespasianus</hi></persName> verschont hatte. Man sagte von ihm/ er wäre vom Geschlecht der Cäsaren: und weil er auch seinen Knechten die Namen <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Mago</persName></hi> und <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Hannibal</persName></hi> gegeben/ als must
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[II (Skulptur), S. 67]/0097] und Bruder: welcher letzere/ mit so vielen Liebesdiensten und Thren- gemängten Bitten/ ihm keine Milde abgewinnen können. Es wäre zu bewundern/ daß von so frommen Eltern eine so böse Blatter gezeugt worden/ und zween so ungleiche Brüder in einer Mutter Leibe gelegen: wann wir nicht/ an den ersten zweyen Brudern der Welt/ ein gleiches Beyspiel hätten/ welches auch an dem Cham/ Esau und Absalom erschienen. Es zeiget sich auch hieraus/ daß von dem Geblüt wenig Adels herkomme. Man muß nicht allein von edlen Geblüte/ sondern auch selbst edel am Gemüte seyn: dann das ist nicht mehr unser/ was vor uns gewesen. Die Studia waren ihme von Jugend auf wenig angelegen/ auser daß er Kais. Tiberii Lebensgeschicht lase/ und unterweilen im Verse-machen sich geübet/ oder eine gute Rede setzen gelernet/ und die Sprüche der Weisen zu Gedächtnis gefasset. Hierdurch gelangte er zu einer ziemlichen Redseeligkeit/ und konte oft gar zierlich von einer Sache reden: wie er dann/ unter andern/ den Kopf eines Kerls/ der zugleich grau und rothärig gewesen/ einen Meet-gemengten Schnee genennet. Sonsten hatte er so gut mit dem Bogen schiessen gelernet/ daß er einem ferne von ihm stehenden Knaben/ (der gleichen man auch von K. Cambyse in Persien aufgeschrieben) durch aufgereckte zween Finger/ unverletzt mit dem Pfeil hindurch schiessen können. Seine Jugend. Seine Gemahlin war Domitia Longina, eine wunder-schöne Dame/ die er ihrem Eheherrn dem Aelio Lamiae abgenommen/ und zwey Jahre lang für eine Beyschläfferin gebrauchet: aber nach diesem ließe er ihren Mann heimlich hinrichten/ und hielte mit ihr ein offentliches Beylager. Er ließe sie auch Kaiserin nennen/ als sie ihm einen Sohn gebohren. Er hat sie zwar nachgehends verstossen/ als sie in den Paris, einen Comoedianten/ sich verliebet: aber bald darauf/ aus häfftiger Liebe/ unter dem Schein als wann er vom Römischen Volk hierzu gezwungen würde/ sie wieder zu sich genommen. Man hat ihm zwar Juliam, seines Bruders Titi Tochter/ zur Braut angebotten: die er aber/ in der Domitiae Liebe verwickelt/ durchaus nicht haben wollen. Aber/ nachdem sie an einen andern verheuratet worden/ hat er/ noch bey lebzeiten ihres Vatters/ sie in Unehren beschlaffen/ und nach ihres Vatters und Mannes Tod sie öffentlich geliebet: da er auch die Ursach ihres Todes worden/ indem er sie ein Kind abtreiben heissen. Seine Gemahlin. Zur Kaiserlichen Höchst-Würde/ ist er durch Hinterlist und Boßheit gelanget. Nach seines Vatters Tod/ liesse er sich ungescheut vernehmen: sein Vatter hätte ihn zum Reichs-Erben benennet und eingesetzt/ aber das Testament wäre vertuscht worden. Er liesse auch nicht nach/ seinem Bruder nach dem Leben zu stellen/ biß er ihn endlich zum Tode vergifftet. Andere wollen/ er habe/ als Kaiser Titus erkrancket/ es also angestellet/ daß er von jederman verlassen worden/ und also verschmachten müssen. Sein Regirung-Antrit Er ware im Anfang seiner Regirung/ fromm und erleidlich/ und hielte insonderheit scharffe Aufsicht auf die Amtleute/ also daß man sagte/ es seyen vorher nie gerechtere und bescheidnere gewesen. Einen Vornehmen schaffte er aus dem Raht/ weil er sich gar zu sehr auf das Dantzen und anderes Gauckelwerck verleget. Einen Ritter straffte er/ der sein Weib/ mit Beschuldigung des Ehbruchs/ von sich gethan/ und hernach sie wieder zu sich genommen. Unzüchtigen Weibern verbote er/ daß sie sich nicht auf der Sänfte tragen/ noch etwas durch Testament erben dorften. Die Fiscal-Calumnianten nahme er in harte Straffe/ und liesse oft dieses Spruches sich vernehmen: Ein Fürst reitzet die Verläumder/ der sie nicht züchtiget. Also hat er auch die Pasquillanten/ als von denen ehrliche Leute offentlich verleumdet wurden/ ernstlich abgestraffet. Ja er hielte solche Leute für eine böse Pest des Menschlichen Geschlechtes/ und verwiese sie gar aus der Stadt/ dabey sagend: wie daß die/ so solchen bösen Leuten Gehör geben/ viel böser als dieselben seyen. Sonsten/ ob er wol ein Wüterich worden/ wolte er doch allemal für gütig angesehen seyn/ und pflage im Raht dieser Tugend/ als der Güte und Sanfftmut/ manchen Lobspruch zu thun. Seine Regirung.Es scheinet aber/ er habe das/ was im Anfang seiner Regirung löbliches von ihm geschrieben wird/ allein durch andere gethan: massen ja sein Thun damals gewesen/ daß er gar nichts gethan hat. Dann er pflegte täglich eine Stunde lang sich zu verschliessen/ und in derselben sonst nichts zu thun/ als daß er Mucken gefangen/ und dieselben mit einem zugespitzten Griffel gespiesset. Daher/ als einsmals einer fragte/ ob niemand beym Kaiser wäre? Fibius Crispius geantwortet: nicht einmal eine Mucke. Und hieraus ist leicht zu mutmassen/ was sonst sein Thun/ oder vielmehr sein Müssiggang/ müsse gewesen seyn. Er war ein Muckenfänger. Er ward auch im Fortgang seiner Regirung-Jahre/ ein Freund der Verleumder/ deren so scharfer Feind er vorher gewesen. Dann weil er alles zu verschwenden begunte/ brauchte er Leute/ die ihme wieder etwas in die Rentkammer jagten. Doch trachtete er auch/ die durch Feuersbrunst verzehrte Bibliotheken wieder aufzurichten/ schickte nach Alexandria, liesse allda viel Bücher abschreiben und nach Rom bringen. Seine Untugenden. Es scheinet/ er habe an den Mucken gelernet/ die Leute zu spissen und hinzurichten: massen er sich offt im Schiessen geübet/ und gemeinlich hundert Stücke allerley Wilds zusammen bringen lassen/ die er dann also zu treffen wuste/ daß er mit zweyen Schüssen ihnen die Hörner am Haubt ledig machte. Es wäre dennoch zu wünschen gewesen/ daß er Kaiser Titi Wildschütz/ und nicht sein Nachfolger am Reich/ worden wäre. Metius Pomposianus muste seine Grausamkeit fühlen/ dessen doch sein Vatter Kais. Vespasianus verschont hatte. Man sagte von ihm/ er wäre vom Geschlecht der Cäsaren: und weil er auch seinen Knechten die Namen Mago und Hannibal gegeben/ als must Seine Wüterey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/97
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 67]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/97>, abgerufen am 26.04.2024.