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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

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Nachdenkliche Beschreibung

Unser Leib/ samt seinen Gliedern/ Knochen/ Mark
und Blut ist beqwem und von GOtt und der Natur da-
zu also erschaffen/ daß solches alles allerlei Arten Marter
und Pein annehmen/ entfinden/ leiden und ausstehen
kan/ darum ist auch die Marterqwaal und Höllen-
pein/
als die eine höllische Hauptstraffe darauf ange-
sehen: Unsere Seele samt allen ihren Kräften und Ver-
mögenheiten/ als ein sonderbares geistliches Wesen/ ist
nicht weniger von GOtt also erschaffen/ daß sie aller
Angst und allem Leidwesen kan unterworfen/ der Angst
und des Leides entpfindlich sein/ und durch Angst und
Leid grausamst geqweelet werden/ darüm ist auch die
Angstqwaal und Höllenleid/ als die andere höllische
Hauptstraffe darauf gerichtet: Unser Gewissen samt
allem ewigwehrendem Angedächtniß ist gleichfalls von
einer solchen wesentlichen Art/ daß es alle betrübte Reu
und trauriges Nachdenken gar wol annehmen/ behal-
ten/ bewahren/ wiederkeuen und sich gleichfalls damit
verewigen muß/ darum wird auch die dritte höllische
schrekliche Hauptstraffe/ die Reuqwaal und Höl-
lenwurm
dadurch angedeutet: Und kan also ein jeder
leichtlich ermessen/ weil die Seele nicht vom Leibe/ noch
der Leib von der Seel hinfort mehr sich abscheiden kan/
sondern ewige traurigste Bewirtung ein dem andern ge-
ben und gönnen müssen; Auch dan das Gewissen gar
wol und genau weiß/ und gedenket was diese beide Gä-
ste/ der Leib und Seel bei solcher ihrer vörigen Verei-
nigung und Bewirtung unter sich verrichtet/ und wie
und woran sie sich versündiget haben/ und solches Ge-
wissen auch in der Seel und in dem Leibe ewig mit ver-
bleiben/ und also dieses Qwaalwesen sich mit einander
und durch einander vermengen wird und vermengen
muß/ ist daher/ wie gesagt/ wol zu ermessen/ was ein wun-

der-
Nachdenkliche Beſchreibung

Unſer Leib/ ſamt ſeinen Gliedern/ Knochen/ Mark
und Blut iſt beqwem und von GOtt und der Natur da-
zu alſo erſchaffen/ daß ſolches alles allerlei Arten Marter
und Pein annehmen/ entfinden/ leiden und ausſtehen
kan/ darum iſt auch die Marterqwaal und Hoͤllen-
pein/
als die eine hoͤlliſche Hauptſtraffe darauf ange-
ſehen: Unſere Seele ſamt allen ihren Kraͤften und Ver-
moͤgenheiten/ als ein ſonderbares geiſtliches Weſen/ iſt
nicht weniger von GOtt alſo erſchaffen/ daß ſie aller
Angſt und allem Leidweſen kan unterworfen/ der Angſt
und des Leides entpfindlich ſein/ und durch Angſt und
Leid grauſamſt geqweelet werden/ daruͤm iſt auch die
Angſtqwaal und Hoͤllenleid/ als die andere hoͤlliſche
Hauptſtraffe darauf gerichtet: Unſer Gewiſſen ſamt
allem ewigwehrendem Angedaͤchtniß iſt gleichfalls von
einer ſolchen weſentlichen Art/ daß es alle betruͤbte Reu
und trauriges Nachdenken gar wol annehmen/ behal-
ten/ bewahren/ wiederkeuen und ſich gleichfalls damit
verewigen muß/ darum wird auch die dritte hoͤlliſche
ſchrekliche Hauptſtraffe/ die Reuqwaal und Hoͤl-
lenwurm
dadurch angedeutet: Und kan alſo ein jeder
leichtlich ermeſſen/ weil die Seele nicht vom Leibe/ noch
der Leib von der Seel hinfort mehr ſich abſcheiden kan/
ſondern ewige traurigſte Bewirtung ein dem andern ge-
ben und goͤnnen muͤſſen; Auch dan das Gewiſſen gar
wol und genau weiß/ und gedenket was dieſe beide Gaͤ-
ſte/ der Leib und Seel bei ſolcher ihrer voͤrigen Verei-
nigung und Bewirtung unter ſich verrichtet/ und wie
und woran ſie ſich verſuͤndiget haben/ und ſolches Ge-
wiſſen auch in der Seel und in dem Leibe ewig mit ver-
bleiben/ und alſo dieſes Qwaalweſen ſich mit einander
und durch einander vermengen wird und vermengen
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[80/0148] Nachdenkliche Beſchreibung Unſer Leib/ ſamt ſeinen Gliedern/ Knochen/ Mark und Blut iſt beqwem und von GOtt und der Natur da- zu alſo erſchaffen/ daß ſolches alles allerlei Arten Marter und Pein annehmen/ entfinden/ leiden und ausſtehen kan/ darum iſt auch die Marterqwaal und Hoͤllen- pein/ als die eine hoͤlliſche Hauptſtraffe darauf ange- ſehen: Unſere Seele ſamt allen ihren Kraͤften und Ver- moͤgenheiten/ als ein ſonderbares geiſtliches Weſen/ iſt nicht weniger von GOtt alſo erſchaffen/ daß ſie aller Angſt und allem Leidweſen kan unterworfen/ der Angſt und des Leides entpfindlich ſein/ und durch Angſt und Leid grauſamſt geqweelet werden/ daruͤm iſt auch die Angſtqwaal und Hoͤllenleid/ als die andere hoͤlliſche Hauptſtraffe darauf gerichtet: Unſer Gewiſſen ſamt allem ewigwehrendem Angedaͤchtniß iſt gleichfalls von einer ſolchen weſentlichen Art/ daß es alle betruͤbte Reu und trauriges Nachdenken gar wol annehmen/ behal- ten/ bewahren/ wiederkeuen und ſich gleichfalls damit verewigen muß/ darum wird auch die dritte hoͤlliſche ſchrekliche Hauptſtraffe/ die Reuqwaal und Hoͤl- lenwurm dadurch angedeutet: Und kan alſo ein jeder leichtlich ermeſſen/ weil die Seele nicht vom Leibe/ noch der Leib von der Seel hinfort mehr ſich abſcheiden kan/ ſondern ewige traurigſte Bewirtung ein dem andern ge- ben und goͤnnen muͤſſen; Auch dan das Gewiſſen gar wol und genau weiß/ und gedenket was dieſe beide Gaͤ- ſte/ der Leib und Seel bei ſolcher ihrer voͤrigen Verei- nigung und Bewirtung unter ſich verrichtet/ und wie und woran ſie ſich verſuͤndiget haben/ und ſolches Ge- wiſſen auch in der Seel und in dem Leibe ewig mit ver- bleiben/ und alſo dieſes Qwaalweſen ſich mit einander und durch einander vermengen wird und vermengen muß/ iſt daher/ wie geſagt/ wol zu ermeſſen/ was ein wun- der-

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Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/148>, abgerufen am 26.04.2024.