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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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der Geisshöhle an, die aber jetzt ausser Uebung kommt.
Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo
die Fremden eintreten und sich bey einem Feuer
wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und
ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es
nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch
besser als nichts und vermuthlich bequemer als die
Höhle. Hier blieben wir eine kleine Halbestunde, be¬
stiegen wieder unsere Maulthiere und ritten nunmehr
aus der waldigen Region in den Schnee hinein. Un¬
gefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der
Höhle hörte die Vegetation ganz auf und der Schnee
fing an hoch zu werden, der schon um das Haus her
hier und da neu und alt lag. Wir mussten nun ab¬
steigen und unsere Maulthiere hier lassen. Der Schnee
ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwer¬
lich. Unsere Führer riethen uns nur langsam zu ge¬
hen, und sie hatten Recht: aber die Herren ruhten
zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht Recht.
Methinks I smell the morning air, sagte der Major,
und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant
durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und
über den Fuss klagte: Alack, what dangers do inviron
the man that meddles with cold iron!
Die Kälte des
Morgens ward schneidend und die Engländer, die
wohl in Aegypten und Malta eine solche Parthie nicht
gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen.
Endlich erreichten wir den Steinhaufen des so genann¬
ten Philosophenthurms, und die Sonne stieg eben glü¬
hend über die Berge von Kalabrien herauf und ver¬
goldete was wir von der Meerenge sehen konnten, die

der Geiſshöhle an, die aber jetzt auſser Uebung kommt.
Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo
die Fremden eintreten und sich bey einem Feuer
wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und
ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es
nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch
besser als nichts und vermuthlich bequemer als die
Höhle. Hier blieben wir eine kleine Halbestunde, be¬
stiegen wieder unsere Maulthiere und ritten nunmehr
aus der waldigen Region in den Schnee hinein. Un¬
gefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der
Höhle hörte die Vegetation ganz auf und der Schnee
fing an hoch zu werden, der schon um das Haus her
hier und da neu und alt lag. Wir muſsten nun ab¬
steigen und unsere Maulthiere hier lassen. Der Schnee
ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwer¬
lich. Unsere Führer riethen uns nur langsam zu ge¬
hen, und sie hatten Recht: aber die Herren ruhten
zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht Recht.
Methinks I smell the morning air, sagte der Major,
und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant
durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und
über den Fuſs klagte: Alack, what dangers do inviron
the man that meddles with cold iron!
Die Kälte des
Morgens ward schneidend und die Engländer, die
wohl in Aegypten und Malta eine solche Parthie nicht
gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen.
Endlich erreichten wir den Steinhaufen des so genann¬
ten Philosophenthurms, und die Sonne stieg eben glü¬
hend über die Berge von Kalabrien herauf und ver¬
goldete was wir von der Meerenge sehen konnten, die

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[286/0312] der Geiſshöhle an, die aber jetzt auſser Uebung kommt. Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo die Fremden eintreten und sich bey einem Feuer wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch besser als nichts und vermuthlich bequemer als die Höhle. Hier blieben wir eine kleine Halbestunde, be¬ stiegen wieder unsere Maulthiere und ritten nunmehr aus der waldigen Region in den Schnee hinein. Un¬ gefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der Höhle hörte die Vegetation ganz auf und der Schnee fing an hoch zu werden, der schon um das Haus her hier und da neu und alt lag. Wir muſsten nun ab¬ steigen und unsere Maulthiere hier lassen. Der Schnee ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwer¬ lich. Unsere Führer riethen uns nur langsam zu ge¬ hen, und sie hatten Recht: aber die Herren ruhten zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht Recht. Methinks I smell the morning air, sagte der Major, und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und über den Fuſs klagte: Alack, what dangers do inviron the man that meddles with cold iron! Die Kälte des Morgens ward schneidend und die Engländer, die wohl in Aegypten und Malta eine solche Parthie nicht gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen. Endlich erreichten wir den Steinhaufen des so genann¬ ten Philosophenthurms, und die Sonne stieg eben glü¬ hend über die Berge von Kalabrien herauf und ver¬ goldete was wir von der Meerenge sehen konnten, die

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/312>, abgerufen am 26.04.2024.