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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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in undurchdringlichem Nebel gehüllt, und wir selbst
schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen ge¬
macht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee
hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer
halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch
unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder
vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewit¬
ter zog neben uns her nach Katanien zu, und wir
kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das
Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das
Feuer setzten; nehmlich diejenigen, die es wagen
durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise ei¬
ne eigene Vorkehrung getroffen. Weiss der Himmel,
wer es ihnen mag gerathen haben: die meinige war
besser. Sie kamen in Nikolosi in Stiefeln an, setzten
sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zo¬
gen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich
denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten,
schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten.
Der Aufzug liess sonderbar genug; sie sahen mit den
grossen Aetnastöcken, von unten auf alle ziemlich aus,
wie samogetische Bärenführer. Ich ging in meinem
gewöhnlichen Reisezeug mit gewöhnlichen baumwolle¬
nen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hin¬
aufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen;
herabwärts ging es über die Schuhe und die Unter¬
strümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie na¬
türlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam
und fest ohne abzusetzen fortzugehen, hatte nichts ge¬
holfen. Mir fehlte nicht das Geringste. Vorzüglich
hatte Einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit ge¬

in undurchdringlichem Nebel gehüllt, und wir selbst
schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen ge¬
macht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee
hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer
halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch
unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder
vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewit¬
ter zog neben uns her nach Katanien zu, und wir
kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das
Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das
Feuer setzten; nehmlich diejenigen, die es wagen
durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise ei¬
ne eigene Vorkehrung getroffen. Weiſs der Himmel,
wer es ihnen mag gerathen haben: die meinige war
besser. Sie kamen in Nikolosi in Stiefeln an, setzten
sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zo¬
gen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich
denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten,
schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten.
Der Aufzug lieſs sonderbar genug; sie sahen mit den
groſsen Aetnastöcken, von unten auf alle ziemlich aus,
wie samogetische Bärenführer. Ich ging in meinem
gewöhnlichen Reisezeug mit gewöhnlichen baumwolle¬
nen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hin¬
aufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen;
herabwärts ging es über die Schuhe und die Unter¬
strümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie na¬
türlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam
und fest ohne abzusetzen fortzugehen, hatte nichts ge¬
holfen. Mir fehlte nicht das Geringste. Vorzüglich
hatte Einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit ge¬

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[293/0319] in undurchdringlichem Nebel gehüllt, und wir selbst schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen ge¬ macht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewit¬ ter zog neben uns her nach Katanien zu, und wir kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das Feuer setzten; nehmlich diejenigen, die es wagen durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise ei¬ ne eigene Vorkehrung getroffen. Weiſs der Himmel, wer es ihnen mag gerathen haben: die meinige war besser. Sie kamen in Nikolosi in Stiefeln an, setzten sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zo¬ gen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten, schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten. Der Aufzug lieſs sonderbar genug; sie sahen mit den groſsen Aetnastöcken, von unten auf alle ziemlich aus, wie samogetische Bärenführer. Ich ging in meinem gewöhnlichen Reisezeug mit gewöhnlichen baumwolle¬ nen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hin¬ aufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen; herabwärts ging es über die Schuhe und die Unter¬ strümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie na¬ türlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam und fest ohne abzusetzen fortzugehen, hatte nichts ge¬ holfen. Mir fehlte nicht das Geringste. Vorzüglich hatte Einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit ge¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/319>, abgerufen am 26.04.2024.