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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. XXVI.
den) wäre das letzte/ kan sie nicht jungfrau mit öffentlichem falso genannt/ noch
also zur traue gestattet werden: wäre aber das erste (gesetzt/ Pastor wüste die
wahrheit der sache davon privata scientia) so kan ihr in der proclamation und bey
copulation publice dasjenige nicht verweigert werden/ was ihr publica au-
toritate
deren/ die darüber zu cognosciren haben/ nicht abgesprochen ist. Also
muß eine jungfrau heissen/ die sich darvor angibt/ so lang das gegentheil von ihr
nicht dargethan und kund worden ist. Und gilt auch hie: de occultis non judi-
cat Ecclesia,
sondern richtet sich in denjenigen stücken/ die die zeitliche dinge (als
dahin auch ehr/ gerücht und dergleichen gehören) angehen nach demjenigen/ was
nach der weltlichen ordnung einem jeden zukommen mag; nennet also iegliche auff
die art/ wovor sie öffentlich passiren: andern/ denen die policey anbefohlen ist/
überlassende/ mit was recht und unrecht jeder seinen titul führe. 1699.

SECTIO XXVI.
Als ein Prediger sich unterstanden hatte/ einige
ritus in anmeldung derer/ die sich verheyrathen wolten/ und
einleitung der wöchnerinnen seiner gemeinde zu
obtrudiren/ darüber
in derselben bewegung entstanden/ und er solche widersetzlichkeit
der zuhörer als eine schwehre sünde hart
bestraffet.
1.
DAß ich demselben meine meinung und zwar mit völliger einstimmung aller/
mit denen davon zu communiciren gehabt hatte/ offenhertzig vorstelle/
bestehet es darinnen: 1. Daß der Herr Pfarrherr nicht macht gehabt/
habe/ die zwey in streit gezogene ritus propria autoritate zu introduciren. Denn
solche gewalt gehöret der gantzen kirchen. Zwar wird aus der Augsp. Confess.
allegir
et/ daß die Pastores solche macht haben/ nicht aber singuli, sondern der
gantze status Ecclesiastic9 conjunctim, oder ie in einem lande dieselbe miteinander
oder die meiste. Daß sich aber ein Prediger an einem ort dergleichen unterfangen
dörffte/ ist so gar unsrer Confession nicht gemäß/ daß vielmehr fast in allen kirchen-
ordnungen solche macht ausdrücklich den Predigern benommen wird. Ein an-
ders ist/ wo consensu der gesamten gemeinde etwas anzunehmen beliebet wor-
den/ in welchem fall dennoch die sache noch nicht immer sicher gnug ist/ wo nicht
auch der Obrigkeit/ so eines der vornehmsten glieder der kirchen ist/ einstimmung
dazu kommet.
2. Weil
m 3

ARTIC. IV. SECT. XXVI.
den) waͤre das letzte/ kan ſie nicht jungfrau mit oͤffentlichem falſo genannt/ noch
alſo zur traue geſtattet werden: waͤre aber das erſte (geſetzt/ Paſtor wuͤſte die
wahrheit der ſache davon privata ſcientia) ſo kan ihr in der proclamation und bey
copulation publicè dasjenige nicht verweigert werden/ was ihr publica au-
toritate
deren/ die daruͤber zu cognoſciren haben/ nicht abgeſprochen iſt. Alſo
muß eine jungfrau heiſſen/ die ſich darvor angibt/ ſo lang das gegentheil von ihr
nicht dargethan und kund worden iſt. Und gilt auch hie: de occultis non judi-
cat Eccleſia,
ſondern richtet ſich in denjenigen ſtuͤcken/ die die zeitliche dinge (als
dahin auch ehr/ geruͤcht und dergleichen gehoͤren) angehen nach demjenigen/ was
nach der weltlichen ordnung einem jeden zukommen mag; nennet alſo iegliche auff
die art/ wovor ſie oͤffentlich paſſiren: andern/ denen die policey anbefohlen iſt/
uͤberlaſſende/ mit was recht und unrecht jeder ſeinen titul fuͤhre. 1699.

SECTIO XXVI.
Als ein Prediger ſich unterſtanden hatte/ einige
ritus in anmeldung derer/ die ſich verheyrathen wolten/ und
einleitung der woͤchnerinnen ſeiner gemeinde zu
obtrudiren/ daruͤber
in derſelben bewegung entſtanden/ und er ſolche widerſetzlichkeit
der zuhoͤrer als eine ſchwehre ſuͤnde hart
beſtraffet.
1.
DAß ich demſelben meine meinung und zwar mit voͤlliger einſtimmung aller/
mit denen davon zu communiciren gehabt hatte/ offenhertzig vorſtelle/
beſtehet es darinnen: 1. Daß der Herr Pfarrherr nicht macht gehabt/
habe/ die zwey in ſtreit gezogene ritus propriâ autoritate zu introduciren. Denn
ſolche gewalt gehoͤret der gantzen kirchen. Zwar wird aus der Augſp. Confeſſ.
allegir
et/ daß die Paſtores ſolche macht haben/ nicht aber ſinguli, ſondern der
gantze ſtatus Eccleſiaſtic9 conjunctim, oder ie in einem lande dieſelbe miteinander
oder die meiſte. Daß ſich aber ein Prediger an einem ort dergleichen unterfangen
doͤrffte/ iſt ſo gar unſrer Confeſſion nicht gemaͤß/ daß vielmehr faſt in allen kirchen-
ordnungen ſolche macht ausdruͤcklich den Predigern benommen wird. Ein an-
ders iſt/ wo conſenſu der geſamten gemeinde etwas anzunehmen beliebet wor-
den/ in welchem fall dennoch die ſache noch nicht immer ſicher gnug iſt/ wo nicht
auch der Obrigkeit/ ſo eines der vornehmſten glieder der kirchen iſt/ einſtimmung
dazu kommet.
2. Weil
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[93/0893] ARTIC. IV. SECT. XXVI. den) waͤre das letzte/ kan ſie nicht jungfrau mit oͤffentlichem falſo genannt/ noch alſo zur traue geſtattet werden: waͤre aber das erſte (geſetzt/ Paſtor wuͤſte die wahrheit der ſache davon privata ſcientia) ſo kan ihr in der proclamation und bey copulation publicè dasjenige nicht verweigert werden/ was ihr publica au- toritate deren/ die daruͤber zu cognoſciren haben/ nicht abgeſprochen iſt. Alſo muß eine jungfrau heiſſen/ die ſich darvor angibt/ ſo lang das gegentheil von ihr nicht dargethan und kund worden iſt. Und gilt auch hie: de occultis non judi- cat Eccleſia, ſondern richtet ſich in denjenigen ſtuͤcken/ die die zeitliche dinge (als dahin auch ehr/ geruͤcht und dergleichen gehoͤren) angehen nach demjenigen/ was nach der weltlichen ordnung einem jeden zukommen mag; nennet alſo iegliche auff die art/ wovor ſie oͤffentlich paſſiren: andern/ denen die policey anbefohlen iſt/ uͤberlaſſende/ mit was recht und unrecht jeder ſeinen titul fuͤhre. 1699. SECTIO XXVI. Als ein Prediger ſich unterſtanden hatte/ einige ritus in anmeldung derer/ die ſich verheyrathen wolten/ und einleitung der woͤchnerinnen ſeiner gemeinde zu obtrudiren/ daruͤber in derſelben bewegung entſtanden/ und er ſolche widerſetzlichkeit der zuhoͤrer als eine ſchwehre ſuͤnde hart beſtraffet. 1. DAß ich demſelben meine meinung und zwar mit voͤlliger einſtimmung aller/ mit denen davon zu communiciren gehabt hatte/ offenhertzig vorſtelle/ beſtehet es darinnen: 1. Daß der Herr Pfarrherr nicht macht gehabt/ habe/ die zwey in ſtreit gezogene ritus propriâ autoritate zu introduciren. Denn ſolche gewalt gehoͤret der gantzen kirchen. Zwar wird aus der Augſp. Confeſſ. allegiret/ daß die Paſtores ſolche macht haben/ nicht aber ſinguli, ſondern der gantze ſtatus Eccleſiaſtic9 conjunctim, oder ie in einem lande dieſelbe miteinander oder die meiſte. Daß ſich aber ein Prediger an einem ort dergleichen unterfangen doͤrffte/ iſt ſo gar unſrer Confeſſion nicht gemaͤß/ daß vielmehr faſt in allen kirchen- ordnungen ſolche macht ausdruͤcklich den Predigern benommen wird. Ein an- ders iſt/ wo conſenſu der geſamten gemeinde etwas anzunehmen beliebet wor- den/ in welchem fall dennoch die ſache noch nicht immer ſicher gnug iſt/ wo nicht auch der Obrigkeit/ ſo eines der vornehmſten glieder der kirchen iſt/ einſtimmung dazu kommet. 2. Weil m 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/893>, abgerufen am 26.04.2024.