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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Wie ein Rausch stieg es ihm ins Gehirn; aber er
preßte die Nägel in seine Handflächen und zwang
seine Augen, klar und nüchtern zu sehen, was dort
vor ihm lag: eine große deichlose Fläche, wer
wußt' es, welchen Stürmen und Fluthen schon in
den nächsten Jahren preisgegeben, an deren äußerstem
Rande jetzt ein Trupp von schmutzigen Schafen
langsam grasend entlang wanderte; dazu für ihn
ein Haufen Arbeit, Kampf und Aerger! Trotz alle-
dem, als er vom Deich hinab und den Fußsteig
über die Fennen auf seine Werfte zuging, ihm
war's, als brächte er einen großen Schatz mit sich
nach Hause.

Auf dem Flur trat Elke ihm entgegen: "Wie
war es mit der Schleuse?" frug sie.

Er sah mit geheimnißvollem Lächeln auf sie
nieder: "Wir werden bald eine andere Schleuse
brauchen," sagte er; "und Sielen und einen neuen
Deich!"

"Ich versteh' Dich nicht." entgegnete Elke,
während sie in das Zimmer gingen; "was willst
Du, Hauke?"

"Ich will," sagte er langsam und hielt dann
einen Augenblick inne, "ich will, daß das große

Wie ein Rauſch ſtieg es ihm ins Gehirn; aber er
preßte die Nägel in ſeine Handflächen und zwang
ſeine Augen, klar und nüchtern zu ſehen, was dort
vor ihm lag: eine große deichloſe Fläche, wer
wußt' es, welchen Stürmen und Fluthen ſchon in
den nächſten Jahren preisgegeben, an deren äußerſtem
Rande jetzt ein Trupp von ſchmutzigen Schafen
langſam graſend entlang wanderte; dazu für ihn
ein Haufen Arbeit, Kampf und Aerger! Trotz alle-
dem, als er vom Deich hinab und den Fußſteig
über die Fennen auf ſeine Werfte zuging, ihm
war's, als brächte er einen großen Schatz mit ſich
nach Hauſe.

Auf dem Flur trat Elke ihm entgegen: „Wie
war es mit der Schleuſe?” frug ſie.

Er ſah mit geheimnißvollem Lächeln auf ſie
nieder: „Wir werden bald eine andere Schleuſe
brauchen,” ſagte er; „und Sielen und einen neuen
Deich!”

„Ich verſteh' Dich nicht.” entgegnete Elke,
während ſie in das Zimmer gingen; „was willſt
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[106/0118] Wie ein Rauſch ſtieg es ihm ins Gehirn; aber er preßte die Nägel in ſeine Handflächen und zwang ſeine Augen, klar und nüchtern zu ſehen, was dort vor ihm lag: eine große deichloſe Fläche, wer wußt' es, welchen Stürmen und Fluthen ſchon in den nächſten Jahren preisgegeben, an deren äußerſtem Rande jetzt ein Trupp von ſchmutzigen Schafen langſam graſend entlang wanderte; dazu für ihn ein Haufen Arbeit, Kampf und Aerger! Trotz alle- dem, als er vom Deich hinab und den Fußſteig über die Fennen auf ſeine Werfte zuging, ihm war's, als brächte er einen großen Schatz mit ſich nach Hauſe. Auf dem Flur trat Elke ihm entgegen: „Wie war es mit der Schleuſe?” frug ſie. Er ſah mit geheimnißvollem Lächeln auf ſie nieder: „Wir werden bald eine andere Schleuſe brauchen,” ſagte er; „und Sielen und einen neuen Deich!” „Ich verſteh' Dich nicht.” entgegnete Elke, während ſie in das Zimmer gingen; „was willſt Du, Hauke?” „Ich will,” ſagte er langſam und hielt dann einen Augenblick inne, „ich will, daß das große

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/118>, abgerufen am 26.04.2024.