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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
welt wie in der Geisterwelt, in der Physiologie wie in
der Psychologie. Darinn besteht der Uebergang von
schwachen Anlagen zu stärker bestimmten Trieben.
Jn so fern dagegen die neuen, in der sich vereinigenden
Materie enthaltenen Kräfte weniger mit den vorhandenen
Kräften übereinstimmen, und vielmehr ihre Richtungen
abändern, was theils durch die innere Stärke der neuen
Kräfte, theils durch ihre Menge geschehen kann: so
muß auch daraus die Folge entstehen, daß zunächst und
unmittelbar das Verhältniß der ursprünglichen Fibern
verändert werde, daß einige in größer Maße befestiget,
verlängert und verdichtet werden, und andere in einer
geringern, als es den innern Kohäsionskräften der vor-
handenen Fibern gemäs war; und endlich, daß, wenn
nun diese sich entwickelnden Formen auf ihre Art zusam-
mengehen und neue Formen machen, diese letztern als
neue Formen anders ausfallen, als es zufolge der Be-
ziehung der Kräfte in der anfänglichen Organisation ge-
schehen seyn würde.

8.

Die vorhergehenden Betrachtungen vereinigen sich
zu dem folgenden allgemeinen Begriffe von der Naturge-
schichte der organisirten Körper, von denen wir wissen,
daß sie aus Saamen oder Eyern gebildet werden. Es
leiden aber die besondern Theile dieses Abrisses noch ver-
schiedene nähere Bestimmungen; und wenn man diese
auf die gehörige Weise abändert, so läßt sich die allge-
meine Jdee auch auf die übrigen organischen Wesen an-
wenden, bey welchen entweder die nämlichen Perioden
nicht vorkommen, oder doch nicht so merklich unterschie-
den sind. Etliche Hauptveränderungen fallen bey gewis-
sen besondern Arten organischer Körper nahe zusammen
und in einander, oder erfolgen gar zu gleicher Zeit, die

bey

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
welt wie in der Geiſterwelt, in der Phyſiologie wie in
der Pſychologie. Darinn beſteht der Uebergang von
ſchwachen Anlagen zu ſtaͤrker beſtimmten Trieben.
Jn ſo fern dagegen die neuen, in der ſich vereinigenden
Materie enthaltenen Kraͤfte weniger mit den vorhandenen
Kraͤften uͤbereinſtimmen, und vielmehr ihre Richtungen
abaͤndern, was theils durch die innere Staͤrke der neuen
Kraͤfte, theils durch ihre Menge geſchehen kann: ſo
muß auch daraus die Folge entſtehen, daß zunaͤchſt und
unmittelbar das Verhaͤltniß der urſpruͤnglichen Fibern
veraͤndert werde, daß einige in groͤßer Maße befeſtiget,
verlaͤngert und verdichtet werden, und andere in einer
geringern, als es den innern Kohaͤſionskraͤften der vor-
handenen Fibern gemaͤs war; und endlich, daß, wenn
nun dieſe ſich entwickelnden Formen auf ihre Art zuſam-
mengehen und neue Formen machen, dieſe letztern als
neue Formen anders ausfallen, als es zufolge der Be-
ziehung der Kraͤfte in der anfaͤnglichen Organiſation ge-
ſchehen ſeyn wuͤrde.

8.

Die vorhergehenden Betrachtungen vereinigen ſich
zu dem folgenden allgemeinen Begriffe von der Naturge-
ſchichte der organiſirten Koͤrper, von denen wir wiſſen,
daß ſie aus Saamen oder Eyern gebildet werden. Es
leiden aber die beſondern Theile dieſes Abriſſes noch ver-
ſchiedene naͤhere Beſtimmungen; und wenn man dieſe
auf die gehoͤrige Weiſe abaͤndert, ſo laͤßt ſich die allge-
meine Jdee auch auf die uͤbrigen organiſchen Weſen an-
wenden, bey welchen entweder die naͤmlichen Perioden
nicht vorkommen, oder doch nicht ſo merklich unterſchie-
den ſind. Etliche Hauptveraͤnderungen fallen bey gewiſ-
ſen beſondern Arten organiſcher Koͤrper nahe zuſammen
und in einander, oder erfolgen gar zu gleicher Zeit, die

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[534/0564] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt welt wie in der Geiſterwelt, in der Phyſiologie wie in der Pſychologie. Darinn beſteht der Uebergang von ſchwachen Anlagen zu ſtaͤrker beſtimmten Trieben. Jn ſo fern dagegen die neuen, in der ſich vereinigenden Materie enthaltenen Kraͤfte weniger mit den vorhandenen Kraͤften uͤbereinſtimmen, und vielmehr ihre Richtungen abaͤndern, was theils durch die innere Staͤrke der neuen Kraͤfte, theils durch ihre Menge geſchehen kann: ſo muß auch daraus die Folge entſtehen, daß zunaͤchſt und unmittelbar das Verhaͤltniß der urſpruͤnglichen Fibern veraͤndert werde, daß einige in groͤßer Maße befeſtiget, verlaͤngert und verdichtet werden, und andere in einer geringern, als es den innern Kohaͤſionskraͤften der vor- handenen Fibern gemaͤs war; und endlich, daß, wenn nun dieſe ſich entwickelnden Formen auf ihre Art zuſam- mengehen und neue Formen machen, dieſe letztern als neue Formen anders ausfallen, als es zufolge der Be- ziehung der Kraͤfte in der anfaͤnglichen Organiſation ge- ſchehen ſeyn wuͤrde. 8. Die vorhergehenden Betrachtungen vereinigen ſich zu dem folgenden allgemeinen Begriffe von der Naturge- ſchichte der organiſirten Koͤrper, von denen wir wiſſen, daß ſie aus Saamen oder Eyern gebildet werden. Es leiden aber die beſondern Theile dieſes Abriſſes noch ver- ſchiedene naͤhere Beſtimmungen; und wenn man dieſe auf die gehoͤrige Weiſe abaͤndert, ſo laͤßt ſich die allge- meine Jdee auch auf die uͤbrigen organiſchen Weſen an- wenden, bey welchen entweder die naͤmlichen Perioden nicht vorkommen, oder doch nicht ſo merklich unterſchie- den ſind. Etliche Hauptveraͤnderungen fallen bey gewiſ- ſen beſondern Arten organiſcher Koͤrper nahe zuſammen und in einander, oder erfolgen gar zu gleicher Zeit, die bey

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/564>, abgerufen am 26.04.2024.