Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I Theil. Zweytes Capitel.
ist, finden, so sind hingegen auch wahrhaftig alte Aegyptische Figuren ohne
das geringste von solchen Zeichen; unter denselben sind zween Obelisken,
der vor St. Peter, und der bey St. Maria Maggiore, und Plinius 1)
merket dieses von zween andern an. An den Löwen am Aufgange zum
Campidoglio, und an zween andern von Granit, unter den Königlichen
Alterthümern zu Dreßden, sind keine Hieroglyphen, auch an zwo Figu-
ren in der Gallerie Barberini nicht, von welchen die eine einen Sperber-
Kopf hat, und oben angeführet ist. Eben dieses ist von einer kleinen
Aegyptischen Figur im ältern Stil in der Villa Altieri zu merken.

b. von der
Bekleidung
der Figuren.

Was die Bekleidung anbetrifft, so bemerket man an allen drey oben
angeführten Weiblichen Statuen zwey Unterkleider, einen Rock, und einen
Mantel. Dieses aber widerspricht dem Herodotus nicht, welcher saget 2),
daß die Weiber nur ein einziges Kleid haben: denn dieses ist vermuthlich
von dem Rocke, oder dem Oberkleide derselben, zu verstehen. Das eine
Unterkleid ist an den zwo Statuen im Campidoglio in kleine Falten gele-
get, und hänget vorwerts bis auf die Zehen, und seitwerts auf die Base
derselben herunter; an der dritten Statue in der Villa Albani ist es, weil
die alten Beine fehlen, nicht zu sehen. Dieses Unterkleid, welches, allem
Ansehen nach, von Leinewand scheinet gewesen zu seyn, war etwa über die
Hüfte angeleget. Das andere Unterkleid, welches offenbar eine sehr feine
Leinewand vorstellet, war wie ein Oberhemde; es bedeckete die Weibliche
Brust bis an den Hals, und war mit kurzen Ermeln, welche nur bis an
das Mittel des Obertheils des Armes reichen. An diesen Ermeln, welche
durch einen erhabenen Rand und Vorsprung angezeiget sind, ist dieses Un-
terkleid an den zwo ersteren Statuen nur allein sichtbar; die Brüste schei-
nen völlig bloß zu seyn, so durchsichtig und fein muß man sich dieses Zeug
vorstellen. Auf der dritten Statue aber erscheinet es deutlicher auf den

Brüsten,
1) L. 36. p. 293. ed. Hard. in 4.
2) L. 2. p. 65. l. 11.

I Theil. Zweytes Capitel.
iſt, finden, ſo ſind hingegen auch wahrhaftig alte Aegyptiſche Figuren ohne
das geringſte von ſolchen Zeichen; unter denſelben ſind zween Obelisken,
der vor St. Peter, und der bey St. Maria Maggiore, und Plinius 1)
merket dieſes von zween andern an. An den Loͤwen am Aufgange zum
Campidoglio, und an zween andern von Granit, unter den Koͤniglichen
Alterthuͤmern zu Dreßden, ſind keine Hieroglyphen, auch an zwo Figu-
ren in der Gallerie Barberini nicht, von welchen die eine einen Sperber-
Kopf hat, und oben angefuͤhret iſt. Eben dieſes iſt von einer kleinen
Aegyptiſchen Figur im aͤltern Stil in der Villa Altieri zu merken.

b. von der
Bekleidung
der Figuren.

Was die Bekleidung anbetrifft, ſo bemerket man an allen drey oben
angefuͤhrten Weiblichen Statuen zwey Unterkleider, einen Rock, und einen
Mantel. Dieſes aber widerſpricht dem Herodotus nicht, welcher ſaget 2),
daß die Weiber nur ein einziges Kleid haben: denn dieſes iſt vermuthlich
von dem Rocke, oder dem Oberkleide derſelben, zu verſtehen. Das eine
Unterkleid iſt an den zwo Statuen im Campidoglio in kleine Falten gele-
get, und haͤnget vorwerts bis auf die Zehen, und ſeitwerts auf die Baſe
derſelben herunter; an der dritten Statue in der Villa Albani iſt es, weil
die alten Beine fehlen, nicht zu ſehen. Dieſes Unterkleid, welches, allem
Anſehen nach, von Leinewand ſcheinet geweſen zu ſeyn, war etwa uͤber die
Huͤfte angeleget. Das andere Unterkleid, welches offenbar eine ſehr feine
Leinewand vorſtellet, war wie ein Oberhemde; es bedeckete die Weibliche
Bruſt bis an den Hals, und war mit kurzen Ermeln, welche nur bis an
das Mittel des Obertheils des Armes reichen. An dieſen Ermeln, welche
durch einen erhabenen Rand und Vorſprung angezeiget ſind, iſt dieſes Un-
terkleid an den zwo erſteren Statuen nur allein ſichtbar; die Bruͤſte ſchei-
nen voͤllig bloß zu ſeyn, ſo durchſichtig und fein muß man ſich dieſes Zeug
vorſtellen. Auf der dritten Statue aber erſcheinet es deutlicher auf den

Bruͤſten,
1) L. 36. p. 293. ed. Hard. in 4.
2) L. 2. p. 65. l. 11.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0104" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Zweytes Capitel.</hi></fw><lb/>
i&#x017F;t, finden, &#x017F;o &#x017F;ind hingegen auch wahrhaftig alte Aegypti&#x017F;che Figuren ohne<lb/>
das gering&#x017F;te von &#x017F;olchen Zeichen; unter den&#x017F;elben &#x017F;ind zween Obelisken,<lb/>
der vor St. Peter, und der bey St. Maria Maggiore, und Plinius <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">L. 36. p. 293. ed. Hard. in 4.</hi></note><lb/>
merket die&#x017F;es von zween andern an. An den Lo&#x0364;wen am Aufgange zum<lb/>
Campidoglio, und an zween andern von Granit, unter den Ko&#x0364;niglichen<lb/>
Alterthu&#x0364;mern zu Dreßden, &#x017F;ind keine Hieroglyphen, auch an zwo Figu-<lb/>
ren in der Gallerie Barberini nicht, von welchen die eine einen Sperber-<lb/>
Kopf hat, und oben angefu&#x0364;hret i&#x017F;t. Eben die&#x017F;es i&#x017F;t von einer kleinen<lb/>
Aegypti&#x017F;chen Figur im a&#x0364;ltern Stil in der Villa Altieri zu merken.</p><lb/>
              <note place="left"><hi rendition="#aq">b.</hi> von der<lb/>
Bekleidung<lb/>
der Figuren.</note>
              <p>Was die Bekleidung anbetrifft, &#x017F;o bemerket man an allen drey oben<lb/>
angefu&#x0364;hrten Weiblichen Statuen zwey Unterkleider, einen Rock, und einen<lb/>
Mantel. Die&#x017F;es aber wider&#x017F;pricht dem Herodotus nicht, welcher &#x017F;aget <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">L. 2. p. 65. l. 11.</hi></note>,<lb/>
daß die Weiber nur ein einziges Kleid haben: denn die&#x017F;es i&#x017F;t vermuthlich<lb/>
von dem Rocke, oder dem Oberkleide der&#x017F;elben, zu ver&#x017F;tehen. Das eine<lb/>
Unterkleid i&#x017F;t an den zwo Statuen im Campidoglio in kleine Falten gele-<lb/>
get, und ha&#x0364;nget vorwerts bis auf die Zehen, und &#x017F;eitwerts auf die Ba&#x017F;e<lb/>
der&#x017F;elben herunter; an der dritten Statue in der Villa Albani i&#x017F;t es, weil<lb/>
die alten Beine fehlen, nicht zu &#x017F;ehen. Die&#x017F;es Unterkleid, welches, allem<lb/>
An&#x017F;ehen nach, von Leinewand &#x017F;cheinet gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, war etwa u&#x0364;ber die<lb/>
Hu&#x0364;fte angeleget. Das andere Unterkleid, welches offenbar eine &#x017F;ehr feine<lb/>
Leinewand vor&#x017F;tellet, war wie ein Oberhemde; es bedeckete die Weibliche<lb/>
Bru&#x017F;t bis an den Hals, und war mit kurzen Ermeln, welche nur bis an<lb/>
das Mittel des Obertheils des Armes reichen. An die&#x017F;en Ermeln, welche<lb/>
durch einen erhabenen Rand und Vor&#x017F;prung angezeiget &#x017F;ind, i&#x017F;t die&#x017F;es Un-<lb/>
terkleid an den zwo er&#x017F;teren Statuen nur allein &#x017F;ichtbar; die Bru&#x0364;&#x017F;te &#x017F;chei-<lb/>
nen vo&#x0364;llig bloß zu &#x017F;eyn, &#x017F;o durch&#x017F;ichtig und fein muß man &#x017F;ich die&#x017F;es Zeug<lb/>
vor&#x017F;tellen. Auf der dritten Statue aber er&#x017F;cheinet es deutlicher auf den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bru&#x0364;&#x017F;ten,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0104] I Theil. Zweytes Capitel. iſt, finden, ſo ſind hingegen auch wahrhaftig alte Aegyptiſche Figuren ohne das geringſte von ſolchen Zeichen; unter denſelben ſind zween Obelisken, der vor St. Peter, und der bey St. Maria Maggiore, und Plinius 1) merket dieſes von zween andern an. An den Loͤwen am Aufgange zum Campidoglio, und an zween andern von Granit, unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern zu Dreßden, ſind keine Hieroglyphen, auch an zwo Figu- ren in der Gallerie Barberini nicht, von welchen die eine einen Sperber- Kopf hat, und oben angefuͤhret iſt. Eben dieſes iſt von einer kleinen Aegyptiſchen Figur im aͤltern Stil in der Villa Altieri zu merken. Was die Bekleidung anbetrifft, ſo bemerket man an allen drey oben angefuͤhrten Weiblichen Statuen zwey Unterkleider, einen Rock, und einen Mantel. Dieſes aber widerſpricht dem Herodotus nicht, welcher ſaget 2), daß die Weiber nur ein einziges Kleid haben: denn dieſes iſt vermuthlich von dem Rocke, oder dem Oberkleide derſelben, zu verſtehen. Das eine Unterkleid iſt an den zwo Statuen im Campidoglio in kleine Falten gele- get, und haͤnget vorwerts bis auf die Zehen, und ſeitwerts auf die Baſe derſelben herunter; an der dritten Statue in der Villa Albani iſt es, weil die alten Beine fehlen, nicht zu ſehen. Dieſes Unterkleid, welches, allem Anſehen nach, von Leinewand ſcheinet geweſen zu ſeyn, war etwa uͤber die Huͤfte angeleget. Das andere Unterkleid, welches offenbar eine ſehr feine Leinewand vorſtellet, war wie ein Oberhemde; es bedeckete die Weibliche Bruſt bis an den Hals, und war mit kurzen Ermeln, welche nur bis an das Mittel des Obertheils des Armes reichen. An dieſen Ermeln, welche durch einen erhabenen Rand und Vorſprung angezeiget ſind, iſt dieſes Un- terkleid an den zwo erſteren Statuen nur allein ſichtbar; die Bruͤſte ſchei- nen voͤllig bloß zu ſeyn, ſo durchſichtig und fein muß man ſich dieſes Zeug vorſtellen. Auf der dritten Statue aber erſcheinet es deutlicher auf den Bruͤſten, 1) L. 36. p. 293. ed. Hard. in 4. 2) L. 2. p. 65. l. 11.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/104
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/104>, abgerufen am 04.05.2024.