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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Zweytes Capitel.

Die Perser ließen 1) ihre Haare wachsen, welche an einigen Männ-
lichen Figuren, wie an den Hetrurischen, in Strippe oder in Flechten 2) über
die Achseln vorwerts herunter hängen, und sie banden insgemein ein feines
Tuch 3) um dem Kopf. Im Kriege trugen sie gewöhnlich einen Hut 4), wie
ein Cylinder oder Thurm gestaltet; auf geschnittenen Steinen finden sich auch
Mützen mit einem hinaufgeschlagenen Rande, wie an Pelz-Mützen.

c. aus ihrem
Gottesdienste.

Eine andere Ursache von dem geringen Wachsthume der Kunst unter
den Persern, ist ihr Gottesdienst, welcher der Kunst ganz und gar nicht vor-
theilhaft war: denn die Götter, glaubeten sie, könnten oder müßten 5) nicht
in Menschlicher Gestalt gebildet werden; der sichtbare Himmel nebst dem
Feuer waren die größten Gegenstände ihrer Verehrung; und die ältesten
Griechischen Scribenten behaupten so gar, daß sie weder Tempel, noch Altäre
gehabt. Man findet zwar den Persischen Gott Mithras an verschiedenen
Orten in Rom, als in der Villa Borghese, Albani, und am Pallaste Della
Valle, aber es findet sich keine Nachricht, daß die Perser denselben also vor-
gestellet haben. Es ist vielmehr zu glauben, daß die angezeigten und ihnen
ähnlichen Vorstellungen des Mithras von der Kaiser Zeiten sind, wie der Stil
der Arbeit zeiget, und daß die Verehrung dieser Gottheit etwa von den Par-
thern hergenommen sey, als welche 6) nicht bey der Reinigkeit ihrer Vorfah-
ren blieben, und sich etwa Symbolische Bilder von demjenigen macheten,
was die Perser nicht sinnlich verehreten. Man sieht unterdessen aus ihren
Arbeiten, daß das Dichten und Bilder der Einbildung hervorbringen, auch
unter einem Volke, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat, den-
noch auch daselbst der Kunst eigen gewesen ist. Denn es finden sich auf
Persischen geschnittenen Steinen Thiere mit Flügeln und Menschlichen Kö-
pfen, welche zuweilen zackigte Kronen haben, und andere erdichtete Geschöpfe

und
1) Herod. L. 6. p. 214. l. 37. conf. Id. L. 9. p. 329. l. 23. Appian. Parth. p. 97. l. 40.
2) Greave Descr. des antiq. de Persepol.
3) Strabo. L. 15. p. 734. C.
4) Ibid.
5) Herodot. L. 1. c. 131.
6) conf. Hyde de relig. Pers. c. 4. p. 111.
I Theil. Zweytes Capitel.

Die Perſer ließen 1) ihre Haare wachſen, welche an einigen Maͤnn-
lichen Figuren, wie an den Hetruriſchen, in Strippe oder in Flechten 2) uͤber
die Achſeln vorwerts herunter haͤngen, und ſie banden insgemein ein feines
Tuch 3) um dem Kopf. Im Kriege trugen ſie gewoͤhnlich einen Hut 4), wie
ein Cylinder oder Thurm geſtaltet; auf geſchnittenen Steinen finden ſich auch
Muͤtzen mit einem hinaufgeſchlagenen Rande, wie an Pelz-Muͤtzen.

c. aus ihrem
Gottesdienſte.

Eine andere Urſache von dem geringen Wachsthume der Kunſt unter
den Perſern, iſt ihr Gottesdienſt, welcher der Kunſt ganz und gar nicht vor-
theilhaft war: denn die Goͤtter, glaubeten ſie, koͤnnten oder muͤßten 5) nicht
in Menſchlicher Geſtalt gebildet werden; der ſichtbare Himmel nebſt dem
Feuer waren die groͤßten Gegenſtaͤnde ihrer Verehrung; und die aͤlteſten
Griechiſchen Scribenten behaupten ſo gar, daß ſie weder Tempel, noch Altaͤre
gehabt. Man findet zwar den Perſiſchen Gott Mithras an verſchiedenen
Orten in Rom, als in der Villa Borgheſe, Albani, und am Pallaſte Della
Valle, aber es findet ſich keine Nachricht, daß die Perſer denſelben alſo vor-
geſtellet haben. Es iſt vielmehr zu glauben, daß die angezeigten und ihnen
aͤhnlichen Vorſtellungen des Mithras von der Kaiſer Zeiten ſind, wie der Stil
der Arbeit zeiget, und daß die Verehrung dieſer Gottheit etwa von den Par-
thern hergenommen ſey, als welche 6) nicht bey der Reinigkeit ihrer Vorfah-
ren blieben, und ſich etwa Symboliſche Bilder von demjenigen macheten,
was die Perſer nicht ſinnlich verehreten. Man ſieht unterdeſſen aus ihren
Arbeiten, daß das Dichten und Bilder der Einbildung hervorbringen, auch
unter einem Volke, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat, den-
noch auch daſelbſt der Kunſt eigen geweſen iſt. Denn es finden ſich auf
Perſiſchen geſchnittenen Steinen Thiere mit Fluͤgeln und Menſchlichen Koͤ-
pfen, welche zuweilen zackigte Kronen haben, und andere erdichtete Geſchoͤpfe

und
1) Herod. L. 6. p. 214. l. 37. conf. Id. L. 9. p. 329. l. 23. Appian. Parth. p. 97. l. 40.
2) Greave Deſcr. des antiq. de Perſepol.
3) Strabo. L. 15. p. 734. C.
4) Ibid.
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[76/0126] I Theil. Zweytes Capitel. Die Perſer ließen 1) ihre Haare wachſen, welche an einigen Maͤnn- lichen Figuren, wie an den Hetruriſchen, in Strippe oder in Flechten 2) uͤber die Achſeln vorwerts herunter haͤngen, und ſie banden insgemein ein feines Tuch 3) um dem Kopf. Im Kriege trugen ſie gewoͤhnlich einen Hut 4), wie ein Cylinder oder Thurm geſtaltet; auf geſchnittenen Steinen finden ſich auch Muͤtzen mit einem hinaufgeſchlagenen Rande, wie an Pelz-Muͤtzen. Eine andere Urſache von dem geringen Wachsthume der Kunſt unter den Perſern, iſt ihr Gottesdienſt, welcher der Kunſt ganz und gar nicht vor- theilhaft war: denn die Goͤtter, glaubeten ſie, koͤnnten oder muͤßten 5) nicht in Menſchlicher Geſtalt gebildet werden; der ſichtbare Himmel nebſt dem Feuer waren die groͤßten Gegenſtaͤnde ihrer Verehrung; und die aͤlteſten Griechiſchen Scribenten behaupten ſo gar, daß ſie weder Tempel, noch Altaͤre gehabt. Man findet zwar den Perſiſchen Gott Mithras an verſchiedenen Orten in Rom, als in der Villa Borgheſe, Albani, und am Pallaſte Della Valle, aber es findet ſich keine Nachricht, daß die Perſer denſelben alſo vor- geſtellet haben. Es iſt vielmehr zu glauben, daß die angezeigten und ihnen aͤhnlichen Vorſtellungen des Mithras von der Kaiſer Zeiten ſind, wie der Stil der Arbeit zeiget, und daß die Verehrung dieſer Gottheit etwa von den Par- thern hergenommen ſey, als welche 6) nicht bey der Reinigkeit ihrer Vorfah- ren blieben, und ſich etwa Symboliſche Bilder von demjenigen macheten, was die Perſer nicht ſinnlich verehreten. Man ſieht unterdeſſen aus ihren Arbeiten, daß das Dichten und Bilder der Einbildung hervorbringen, auch unter einem Volke, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat, den- noch auch daſelbſt der Kunſt eigen geweſen iſt. Denn es finden ſich auf Perſiſchen geſchnittenen Steinen Thiere mit Fluͤgeln und Menſchlichen Koͤ- pfen, welche zuweilen zackigte Kronen haben, und andere erdichtete Geſchoͤpfe und 1) Herod. L. 6. p. 214. l. 37. conf. Id. L. 9. p. 329. l. 23. Appian. Parth. p. 97. l. 40. 2) Greave Deſcr. des antiq. de Perſepol. 3) Strabo. L. 15. p. 734. C. 4) Ibid. 5) Herodot. L. 1. c. 131. 6) conf. Hyde de relig. Perſ. c. 4. p. 111.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/126>, abgerufen am 26.04.2024.