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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Aegypt. Phöniciern etc.
der Arbeit gesuchet haben, welches aus ihren Münzen zu schließen ist. Denn
ihr Handel wird auch mit Werken der Kunst in andere Länder gegangen
seyn, welches bey den Aegyptern nicht geschah; und daher ist zu glauben,
daß die Phönicischen Künstler sonderlich in Metall, und Werke von der Art
gearbeitet haben, welche allenthalben gefallen konnten. Daher kann es ge-
schehen, daß wir einige kleine Figuren in Erzt, für Griechisch halten, wel-
che Phönicisch sind.

Es sind keine Statuen aus dem Alterthume mehr zertrümmert, als die
Aegyptischen, und zwar von schwarzen Steinen. Von Griechischen Sta-
tuen hat die Wuth der Menschen sich begnüget, den Kopf und die Arme ab-
zuschlagen, und das übrige von der Base herunter zu werfen, welches im umstür-
zen zerbrochen ist. Die Aegyptischen Statuen aber, welche im umwerfen nichts
würden gelitten haben, sind mit großer Gewalt zerschlagen, und die Köpfe,
die durch abwerfen und im wegschläudern unversehrt geblieben seyn würden,
werden in viele Stücken zertrümmert gefunden. Diese Wuth veranlassete
vermuthlich die schwarze Farbe dieser Statuen, und der daraus erwachsene
Begriff von Werken des Fürsten der Finsterniß, und von Bildern böser Gei-
ster, die man sich in schwarzer Gestalt einbildete. Zuweilen, sonderlich an
Gebäuden, ist es geschehen, daß dasjenige zerstöhret worden, was die Zeit
nicht hätte verwüsten können, und dasjenige, was leichter durch allerhand
Zufälle Schaden nehmen können, ist stehen blieben, wie Scamozzi 1) bey
dem sogenannten Tempel des Nerva anmerket.

Zuletzt sind, als etwas besonders, einige kleine Figuren in Erzt anzuzei-
gen, welche auf Aegyptische Art geformet, aber mit Arabischer Schrift be-
zeichnet sind. Es sind mir von denselben zwo bekannt: die eine besitzet
Hr. Aßemanni, Custos der Vaticanischen Bibliothec, und die andere ist in der
Gallerie des Collegii S. Ignatii zu Rom: beyde sind etwa einen Palm hoch,
und sitzend, und die letztere hat Schrift auf beyden Schenkeln, auf dem Rü-
cken, und oben auf der platten Mütze. Es sind dieselben bey den Drusen,

Völkern
1) Antich. di Rom. alla Tav. 7.

Von der Kunſt unter den Aegypt. Phoͤniciern ꝛc.
der Arbeit geſuchet haben, welches aus ihren Muͤnzen zu ſchließen iſt. Denn
ihr Handel wird auch mit Werken der Kunſt in andere Laͤnder gegangen
ſeyn, welches bey den Aegyptern nicht geſchah; und daher iſt zu glauben,
daß die Phoͤniciſchen Kuͤnſtler ſonderlich in Metall, und Werke von der Art
gearbeitet haben, welche allenthalben gefallen konnten. Daher kann es ge-
ſchehen, daß wir einige kleine Figuren in Erzt, fuͤr Griechiſch halten, wel-
che Phoͤniciſch ſind.

Es ſind keine Statuen aus dem Alterthume mehr zertruͤmmert, als die
Aegyptiſchen, und zwar von ſchwarzen Steinen. Von Griechiſchen Sta-
tuen hat die Wuth der Menſchen ſich begnuͤget, den Kopf und die Arme ab-
zuſchlagen, und das uͤbrige von der Baſe herunter zu werfen, welches im umſtuͤr-
zen zerbrochen iſt. Die Aegyptiſchen Statuen aber, welche im umwerfen nichts
wuͤrden gelitten haben, ſind mit großer Gewalt zerſchlagen, und die Koͤpfe,
die durch abwerfen und im wegſchlaͤudern unverſehrt geblieben ſeyn wuͤrden,
werden in viele Stuͤcken zertruͤmmert gefunden. Dieſe Wuth veranlaſſete
vermuthlich die ſchwarze Farbe dieſer Statuen, und der daraus erwachſene
Begriff von Werken des Fuͤrſten der Finſterniß, und von Bildern boͤſer Gei-
ſter, die man ſich in ſchwarzer Geſtalt einbildete. Zuweilen, ſonderlich an
Gebaͤuden, iſt es geſchehen, daß dasjenige zerſtoͤhret worden, was die Zeit
nicht haͤtte verwuͤſten koͤnnen, und dasjenige, was leichter durch allerhand
Zufaͤlle Schaden nehmen koͤnnen, iſt ſtehen blieben, wie Scamozzi 1) bey
dem ſogenannten Tempel des Nerva anmerket.

Zuletzt ſind, als etwas beſonders, einige kleine Figuren in Erzt anzuzei-
gen, welche auf Aegyptiſche Art geformet, aber mit Arabiſcher Schrift be-
zeichnet ſind. Es ſind mir von denſelben zwo bekannt: die eine beſitzet
Hr. Aßemanni, Cuſtos der Vaticaniſchen Bibliothec, und die andere iſt in der
Gallerie des Collegii S. Ignatii zu Rom: beyde ſind etwa einen Palm hoch,
und ſitzend, und die letztere hat Schrift auf beyden Schenkeln, auf dem Ruͤ-
cken, und oben auf der platten Muͤtze. Es ſind dieſelben bey den Druſen,

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1) Antich. di Rom. alla Tav. 7.
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[79/0129] Von der Kunſt unter den Aegypt. Phoͤniciern ꝛc. der Arbeit geſuchet haben, welches aus ihren Muͤnzen zu ſchließen iſt. Denn ihr Handel wird auch mit Werken der Kunſt in andere Laͤnder gegangen ſeyn, welches bey den Aegyptern nicht geſchah; und daher iſt zu glauben, daß die Phoͤniciſchen Kuͤnſtler ſonderlich in Metall, und Werke von der Art gearbeitet haben, welche allenthalben gefallen konnten. Daher kann es ge- ſchehen, daß wir einige kleine Figuren in Erzt, fuͤr Griechiſch halten, wel- che Phoͤniciſch ſind. Es ſind keine Statuen aus dem Alterthume mehr zertruͤmmert, als die Aegyptiſchen, und zwar von ſchwarzen Steinen. Von Griechiſchen Sta- tuen hat die Wuth der Menſchen ſich begnuͤget, den Kopf und die Arme ab- zuſchlagen, und das uͤbrige von der Baſe herunter zu werfen, welches im umſtuͤr- zen zerbrochen iſt. Die Aegyptiſchen Statuen aber, welche im umwerfen nichts wuͤrden gelitten haben, ſind mit großer Gewalt zerſchlagen, und die Koͤpfe, die durch abwerfen und im wegſchlaͤudern unverſehrt geblieben ſeyn wuͤrden, werden in viele Stuͤcken zertruͤmmert gefunden. Dieſe Wuth veranlaſſete vermuthlich die ſchwarze Farbe dieſer Statuen, und der daraus erwachſene Begriff von Werken des Fuͤrſten der Finſterniß, und von Bildern boͤſer Gei- ſter, die man ſich in ſchwarzer Geſtalt einbildete. Zuweilen, ſonderlich an Gebaͤuden, iſt es geſchehen, daß dasjenige zerſtoͤhret worden, was die Zeit nicht haͤtte verwuͤſten koͤnnen, und dasjenige, was leichter durch allerhand Zufaͤlle Schaden nehmen koͤnnen, iſt ſtehen blieben, wie Scamozzi 1) bey dem ſogenannten Tempel des Nerva anmerket. Zuletzt ſind, als etwas beſonders, einige kleine Figuren in Erzt anzuzei- gen, welche auf Aegyptiſche Art geformet, aber mit Arabiſcher Schrift be- zeichnet ſind. Es ſind mir von denſelben zwo bekannt: die eine beſitzet Hr. Aßemanni, Cuſtos der Vaticaniſchen Bibliothec, und die andere iſt in der Gallerie des Collegii S. Ignatii zu Rom: beyde ſind etwa einen Palm hoch, und ſitzend, und die letztere hat Schrift auf beyden Schenkeln, auf dem Ruͤ- cken, und oben auf der platten Muͤtze. Es ſind dieſelben bey den Druſen, Voͤlkern 1) Antich. di Rom. alla Tav. 7.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/129>, abgerufen am 26.04.2024.