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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst der Samniter, Volsker u. Campaner.
vius 1), eine Stadt der Samniter war, das ist, wie er 2) anderswo be-
richtet, von diesen jenen abgenommen worden, war wegen der Wollust
und Weichlichkeit berühmt.

Die Volsker hatten, so wie die Hetrurier, und andere benachbarte Völ-II.
Der Volsker.

ker, ein Aristocratisches Regiment 3): sie wähleten daher nur bey entste-
hendem Kriege 4) einen König, oder Heerführer, und die Einrichtung der
Samniter war der zu Sparta und in Creta ähnlich. Von der großen
Bevölkerung dieser Nation zeugen noch itzo die häufigen Trümmer vertil-
geter Städte auf nahe gelegenen Hügeln, und von ihrer Macht die Ge-
schichte von so viel blutigen Kriegen mit den Römern, welche jene nicht
eher, als nach vier und zwanzig Triumphen, bezwingen konnten. Die große
Bevölkerung und die Pracht erweckete das Gehirn und den Fleiß, und
die Freyheit erhob den Geist; Umstände welche der Kunst sehr vortheil-
haft sind.

Die Römer bedienten sich in den ältesten Zeiten Künstler aus beyden
Völkern; Tarquinius Priscus ließ von Fregellä, aus dem Lande der
Volsker, einen Künstler, mit Namen Turrianus, kommen, welcher eine
Statue des Jupiters von gebrannter Erde machte, und man will aus der
großen Aehnlichkeit einer Münze des Servilischen Geschlechts zu Rom,
mit einer Samnitischen, muthmaßen 5), daß jene von Künstlern dieser
Nation gepräget worden. Eine sehr alte Münze 6) von Anxur, einer
Stadt der Volsker, itzo Terracina, hat einen schönen Kopf der Pallas.

Die Campaner waren ein Volk, denen ein sanfter Himmel,III.
Der Campa-
ner.

welchen sie genossen, und der reiche Boden, welchen sie baueten, die Wol-
lust einflößeten. Dieses Land so wohl, als der Samniter ihres, war in den älte-

sten
1) Liv. L. 4. c. 52.
2) Liv. L. 10. c. 38.
3) Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 6. p. 374. l. 45.
4) Strabo L. 6. p. 254.
5) Olivieri Diss. sopra alc. Med. Sannit. p. 136.
6) Beger. Thes. Brand. T. 1. p. 357.
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Von der Kunſt der Samniter, Volsker u. Campaner.
vius 1), eine Stadt der Samniter war, das iſt, wie er 2) anderswo be-
richtet, von dieſen jenen abgenommen worden, war wegen der Wolluſt
und Weichlichkeit beruͤhmt.

Die Volsker hatten, ſo wie die Hetrurier, und andere benachbarte Voͤl-II.
Der Volsker.

ker, ein Ariſtocratiſches Regiment 3): ſie waͤhleten daher nur bey entſte-
hendem Kriege 4) einen Koͤnig, oder Heerfuͤhrer, und die Einrichtung der
Samniter war der zu Sparta und in Creta aͤhnlich. Von der großen
Bevoͤlkerung dieſer Nation zeugen noch itzo die haͤufigen Truͤmmer vertil-
geter Staͤdte auf nahe gelegenen Huͤgeln, und von ihrer Macht die Ge-
ſchichte von ſo viel blutigen Kriegen mit den Roͤmern, welche jene nicht
eher, als nach vier und zwanzig Triumphen, bezwingen konnten. Die große
Bevoͤlkerung und die Pracht erweckete das Gehirn und den Fleiß, und
die Freyheit erhob den Geiſt; Umſtaͤnde welche der Kunſt ſehr vortheil-
haft ſind.

Die Roͤmer bedienten ſich in den aͤlteſten Zeiten Kuͤnſtler aus beyden
Voͤlkern; Tarquinius Priſcus ließ von Fregellaͤ, aus dem Lande der
Volsker, einen Kuͤnſtler, mit Namen Turrianus, kommen, welcher eine
Statue des Jupiters von gebrannter Erde machte, und man will aus der
großen Aehnlichkeit einer Muͤnze des Serviliſchen Geſchlechts zu Rom,
mit einer Samnitiſchen, muthmaßen 5), daß jene von Kuͤnſtlern dieſer
Nation gepraͤget worden. Eine ſehr alte Muͤnze 6) von Anxur, einer
Stadt der Volsker, itzo Terracina, hat einen ſchoͤnen Kopf der Pallas.

Die Campaner waren ein Volk, denen ein ſanfter Himmel,III.
Der Campa-
ner.

welchen ſie genoſſen, und der reiche Boden, welchen ſie baueten, die Wol-
luſt einfloͤßeten. Dieſes Land ſo wohl, als der Samniter ihres, war in den aͤlte-

ſten
1) Liv. L. 4. c. 52.
2) Liv. L. 10. c. 38.
3) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. 6. p. 374. l. 45.
4) Strabo L. 6. p. 254.
5) Olivieri Diſſ. ſopra alc. Med. Sannit. p. 136.
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[117/0167] Von der Kunſt der Samniter, Volsker u. Campaner. vius 1), eine Stadt der Samniter war, das iſt, wie er 2) anderswo be- richtet, von dieſen jenen abgenommen worden, war wegen der Wolluſt und Weichlichkeit beruͤhmt. Die Volsker hatten, ſo wie die Hetrurier, und andere benachbarte Voͤl- ker, ein Ariſtocratiſches Regiment 3): ſie waͤhleten daher nur bey entſte- hendem Kriege 4) einen Koͤnig, oder Heerfuͤhrer, und die Einrichtung der Samniter war der zu Sparta und in Creta aͤhnlich. Von der großen Bevoͤlkerung dieſer Nation zeugen noch itzo die haͤufigen Truͤmmer vertil- geter Staͤdte auf nahe gelegenen Huͤgeln, und von ihrer Macht die Ge- ſchichte von ſo viel blutigen Kriegen mit den Roͤmern, welche jene nicht eher, als nach vier und zwanzig Triumphen, bezwingen konnten. Die große Bevoͤlkerung und die Pracht erweckete das Gehirn und den Fleiß, und die Freyheit erhob den Geiſt; Umſtaͤnde welche der Kunſt ſehr vortheil- haft ſind. II. Der Volsker. Die Roͤmer bedienten ſich in den aͤlteſten Zeiten Kuͤnſtler aus beyden Voͤlkern; Tarquinius Priſcus ließ von Fregellaͤ, aus dem Lande der Volsker, einen Kuͤnſtler, mit Namen Turrianus, kommen, welcher eine Statue des Jupiters von gebrannter Erde machte, und man will aus der großen Aehnlichkeit einer Muͤnze des Serviliſchen Geſchlechts zu Rom, mit einer Samnitiſchen, muthmaßen 5), daß jene von Kuͤnſtlern dieſer Nation gepraͤget worden. Eine ſehr alte Muͤnze 6) von Anxur, einer Stadt der Volsker, itzo Terracina, hat einen ſchoͤnen Kopf der Pallas. Die Campaner waren ein Volk, denen ein ſanfter Himmel, welchen ſie genoſſen, und der reiche Boden, welchen ſie baueten, die Wol- luſt einfloͤßeten. Dieſes Land ſo wohl, als der Samniter ihres, war in den aͤlte- ſten III. Der Campa- ner. 1) Liv. L. 4. c. 52. 2) Liv. L. 10. c. 38. 3) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. 6. p. 374. l. 45. 4) Strabo L. 6. p. 254. 5) Olivieri Diſſ. ſopra alc. Med. Sannit. p. 136. 6) Beger. Theſ. Brand. T. 1. p. 357. P 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/167>, abgerufen am 26.04.2024.