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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
in welcher dieselben muthmaßlich gemacht sind, nebst einer Anzeige von Grie-
chischen und Römischen Gemälden unter denselben; und zum dritten die
Art der Malerey selbst untersuchen.

I.
Von der
Malerey auf
der Mauer,
allgemein.

Alle diese Gemälde sind, außer vier auf Marmor gezeichneten Stücken,
auf der Mauer gemalet, und obgleich Plinius sagt 1), daß kein berühmter
Maler auf der Mauer gemalet habe, so dienet eben dieses ungegründete
Vorgeben desselben mit zum Beweis von der Vortrefflichkeit der besten
Werke im Alterthume, da einige von denen, welche übrig geblieben sind,
und gegen so viel gerühmte Meisterstücke geringe seyn würden, große Schön-
heiten der Zeichnung und des Pinsels haben.

Die ersten Gemälde wurden auf der Mauer gemalet, und schon bey
den Chaldäern wurden die Zimmer ausgemalet, wie wir bey dem Prophe-
ten lesen 2), welches nicht, wie jemand meynet, von aufgehängten
Gemälden zu verstehen ist 3). Polygnotus, Onatas, Pausias, und andere
berühmte Griechische Maler, zeigeten sich in Auszierung verschiedener Tem-
pel und öffentlicher Gebäude; Apelles selbst soll zu Pergamus einen Tempel
ausgemalet haben 4). Es gereichete zur Beförderung der Kunst, daß,
weil ausgeschlagene Zimmer mit Tapeten nicht üblich waren, die Zimmer
bemalet wurden: denn die Alten liebeten nicht die Wände bloß anzusehen,
und wo es zu kostbar war, dieselben mit Figuren anzufüllen, wurden sie in
verschiedene angestrichene Felder durch ihre Leisten eingetheilet.

II.
Von den übrig
gebliebenen
Gemälden auf
d[e]r Mauer.

Die gegenwärtigen alten Gemälde in Rom sind, die sogenannte Ve-
nus und die Roma im Pallaste Barberini, die Aldrovandinische Hochzeit,
der vermeynte Marcus Coriolanus, sieben Stücke in der Gallerie des Col-
A.
Die ehemals
in Rom entde-
cket worden.
legii S. Ignatii, und eins, welches der Herr Cardinal Alexander Albani
besitzet.

Die
1) L. 34. c. 37.
2) Isai. c. 23. v. 14.
3) Cuper. Lettr. p. 363.
4) Solin. Polyh. c. 27.

I Theil. Viertes Capitel.
in welcher dieſelben muthmaßlich gemacht ſind, nebſt einer Anzeige von Grie-
chiſchen und Roͤmiſchen Gemaͤlden unter denſelben; und zum dritten die
Art der Malerey ſelbſt unterſuchen.

I.
Von der
Malerey auf
der Mauer,
allgemein.

Alle dieſe Gemaͤlde ſind, außer vier auf Marmor gezeichneten Stuͤcken,
auf der Mauer gemalet, und obgleich Plinius ſagt 1), daß kein beruͤhmter
Maler auf der Mauer gemalet habe, ſo dienet eben dieſes ungegruͤndete
Vorgeben deſſelben mit zum Beweis von der Vortrefflichkeit der beſten
Werke im Alterthume, da einige von denen, welche uͤbrig geblieben ſind,
und gegen ſo viel geruͤhmte Meiſterſtuͤcke geringe ſeyn wuͤrden, große Schoͤn-
heiten der Zeichnung und des Pinſels haben.

Die erſten Gemaͤlde wurden auf der Mauer gemalet, und ſchon bey
den Chaldaͤern wurden die Zimmer ausgemalet, wie wir bey dem Prophe-
ten leſen 2), welches nicht, wie jemand meynet, von aufgehaͤngten
Gemaͤlden zu verſtehen iſt 3). Polygnotus, Onatas, Pauſias, und andere
beruͤhmte Griechiſche Maler, zeigeten ſich in Auszierung verſchiedener Tem-
pel und oͤffentlicher Gebaͤude; Apelles ſelbſt ſoll zu Pergamus einen Tempel
ausgemalet haben 4). Es gereichete zur Befoͤrderung der Kunſt, daß,
weil ausgeſchlagene Zimmer mit Tapeten nicht uͤblich waren, die Zimmer
bemalet wurden: denn die Alten liebeten nicht die Waͤnde bloß anzuſehen,
und wo es zu koſtbar war, dieſelben mit Figuren anzufuͤllen, wurden ſie in
verſchiedene angeſtrichene Felder durch ihre Leiſten eingetheilet.

II.
Von den uͤbrig
gebliebenen
Gemaͤlden auf
d[e]r Mauer.

Die gegenwaͤrtigen alten Gemaͤlde in Rom ſind, die ſogenannte Ve-
nus und die Roma im Pallaſte Barberini, die Aldrovandiniſche Hochzeit,
der vermeynte Marcus Coriolanus, ſieben Stuͤcke in der Gallerie des Col-
A.
Die ehemals
in Rom entde-
cket worden.
legii S. Ignatii, und eins, welches der Herr Cardinal Alexander Albani
beſitzet.

Die
1) L. 34. c. 37.
2) Iſai. c. 23. v. 14.
3) Cuper. Lettr. p. 363.
4) Solin. Polyh. c. 27.
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[264/0314] I Theil. Viertes Capitel. in welcher dieſelben muthmaßlich gemacht ſind, nebſt einer Anzeige von Grie- chiſchen und Roͤmiſchen Gemaͤlden unter denſelben; und zum dritten die Art der Malerey ſelbſt unterſuchen. Alle dieſe Gemaͤlde ſind, außer vier auf Marmor gezeichneten Stuͤcken, auf der Mauer gemalet, und obgleich Plinius ſagt 1), daß kein beruͤhmter Maler auf der Mauer gemalet habe, ſo dienet eben dieſes ungegruͤndete Vorgeben deſſelben mit zum Beweis von der Vortrefflichkeit der beſten Werke im Alterthume, da einige von denen, welche uͤbrig geblieben ſind, und gegen ſo viel geruͤhmte Meiſterſtuͤcke geringe ſeyn wuͤrden, große Schoͤn- heiten der Zeichnung und des Pinſels haben. Die erſten Gemaͤlde wurden auf der Mauer gemalet, und ſchon bey den Chaldaͤern wurden die Zimmer ausgemalet, wie wir bey dem Prophe- ten leſen 2), welches nicht, wie jemand meynet, von aufgehaͤngten Gemaͤlden zu verſtehen iſt 3). Polygnotus, Onatas, Pauſias, und andere beruͤhmte Griechiſche Maler, zeigeten ſich in Auszierung verſchiedener Tem- pel und oͤffentlicher Gebaͤude; Apelles ſelbſt ſoll zu Pergamus einen Tempel ausgemalet haben 4). Es gereichete zur Befoͤrderung der Kunſt, daß, weil ausgeſchlagene Zimmer mit Tapeten nicht uͤblich waren, die Zimmer bemalet wurden: denn die Alten liebeten nicht die Waͤnde bloß anzuſehen, und wo es zu koſtbar war, dieſelben mit Figuren anzufuͤllen, wurden ſie in verſchiedene angeſtrichene Felder durch ihre Leiſten eingetheilet. Die gegenwaͤrtigen alten Gemaͤlde in Rom ſind, die ſogenannte Ve- nus und die Roma im Pallaſte Barberini, die Aldrovandiniſche Hochzeit, der vermeynte Marcus Coriolanus, ſieben Stuͤcke in der Gallerie des Col- legii S. Ignatii, und eins, welches der Herr Cardinal Alexander Albani beſitzet. A. Die ehemals in Rom entde- cket worden. Die 1) L. 34. c. 37. 2) Iſai. c. 23. v. 14. 3) Cuper. Lettr. p. 363. 4) Solin. Polyh. c. 27.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/314>, abgerufen am 26.04.2024.