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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Griechen.
bes, um denselben zu schließen; zu ihren Füßen stehet ein Greif, und auf
einer Base ein Gefäß. Gegen ihr über stehen die drey Töchter des Cecrops,
in Gebehrden und in Action von Rechtfertigung und Entschuldigung ihrer
That, welche die Göttinn ernsthaft ansieht. Die erste von den Töchtern
des Cecrops hat ein Diadema und Armbänder gegen die Knöchel der
Hand, welche dreymal herumgehen. Aus der Kleidung scheinet es, daß
es die ältesten von allen alten Gemälden seyn.

Der Besitzer derselben starb schleunig im Monate August 1761. ohne
jemanden von seinen Bekannten den Ort der Entdeckung eröffnet zu haben,
welcher noch itzo, da ich dieses schreibe, (im April 1762.) unbekannt ist,
aller Nachforschung ohngeachtet, die man angewandt. Nach dessen Tode
hat sich in einer Quittung von dreytausend fünfhundert Scudi gefunden,
daß derselbe aus eben dem Orte drey andere Gemälde, unter welchen zwey
von Figuren in Lebensgröße waren, weggeholet: das eine stellete Apollo
mit seinem geliebten Hiacynthus vor. Weiter ist nichts von denselben be-
kannt geworden, und die Gemälde sind vermuthlich nach Engeland gegan-
gen, nebst dem siebenten, wovon ich ebenfalls nur die Zeichnung gesehen,
welches vor viertausend Scudi verkauft worden: es ist dasselbe zu Anfang
des zweyten Theils vorgestellet. Die vornehmste Figur ist Neptunus, in
Lebensgröße, wie die andern Figuren, nackend bis auf das Mittel: vor
demselben stehet Juno mit Minen und Gebehrden einer bittenden Erzäh-
lung, mit einem kurzen Zepter in der Hand, in der Länge, wie ihn die
Juno anderswo 1), und eine Herculanische Figur hält 2). Neben dersel-
ben stehet Pallas, welche das Gesicht nach jener gewandt hat, und auf-
merksam zuhöret. Hinter dem Stuhle des Neptunus stehet eine andere
junge Weibliche Figur, welche in ihrem Mantel eingewickelt ist, und vol-
ler Betrachtung das Gesicht mit der rechten Hand gestützet hat, welche

durch
1) Beger Spicileg. Antiq. p. 136.
2) Pitt. Ercol. T. 1. tav. 24.

Von der Kunſt unter den Griechen.
bes, um denſelben zu ſchließen; zu ihren Fuͤßen ſtehet ein Greif, und auf
einer Baſe ein Gefaͤß. Gegen ihr uͤber ſtehen die drey Toͤchter des Cecrops,
in Gebehrden und in Action von Rechtfertigung und Entſchuldigung ihrer
That, welche die Goͤttinn ernſthaft anſieht. Die erſte von den Toͤchtern
des Cecrops hat ein Diadema und Armbaͤnder gegen die Knoͤchel der
Hand, welche dreymal herumgehen. Aus der Kleidung ſcheinet es, daß
es die aͤlteſten von allen alten Gemaͤlden ſeyn.

Der Beſitzer derſelben ſtarb ſchleunig im Monate Auguſt 1761. ohne
jemanden von ſeinen Bekannten den Ort der Entdeckung eroͤffnet zu haben,
welcher noch itzo, da ich dieſes ſchreibe, (im April 1762.) unbekannt iſt,
aller Nachforſchung ohngeachtet, die man angewandt. Nach deſſen Tode
hat ſich in einer Quittung von dreytauſend fuͤnfhundert Scudi gefunden,
daß derſelbe aus eben dem Orte drey andere Gemaͤlde, unter welchen zwey
von Figuren in Lebensgroͤße waren, weggeholet: das eine ſtellete Apollo
mit ſeinem geliebten Hiacynthus vor. Weiter iſt nichts von denſelben be-
kannt geworden, und die Gemaͤlde ſind vermuthlich nach Engeland gegan-
gen, nebſt dem ſiebenten, wovon ich ebenfalls nur die Zeichnung geſehen,
welches vor viertauſend Scudi verkauft worden: es iſt daſſelbe zu Anfang
des zweyten Theils vorgeſtellet. Die vornehmſte Figur iſt Neptunus, in
Lebensgroͤße, wie die andern Figuren, nackend bis auf das Mittel: vor
demſelben ſtehet Juno mit Minen und Gebehrden einer bittenden Erzaͤh-
lung, mit einem kurzen Zepter in der Hand, in der Laͤnge, wie ihn die
Juno anderswo 1), und eine Herculaniſche Figur haͤlt 2). Neben derſel-
ben ſtehet Pallas, welche das Geſicht nach jener gewandt hat, und auf-
merkſam zuhoͤret. Hinter dem Stuhle des Neptunus ſtehet eine andere
junge Weibliche Figur, welche in ihrem Mantel eingewickelt iſt, und vol-
ler Betrachtung das Geſicht mit der rechten Hand geſtuͤtzet hat, welche

durch
1) Beger Spicileg. Antiq. p. 136.
2) Pitt. Ercol. T. 1. tav. 24.
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[279/0329] Von der Kunſt unter den Griechen. bes, um denſelben zu ſchließen; zu ihren Fuͤßen ſtehet ein Greif, und auf einer Baſe ein Gefaͤß. Gegen ihr uͤber ſtehen die drey Toͤchter des Cecrops, in Gebehrden und in Action von Rechtfertigung und Entſchuldigung ihrer That, welche die Goͤttinn ernſthaft anſieht. Die erſte von den Toͤchtern des Cecrops hat ein Diadema und Armbaͤnder gegen die Knoͤchel der Hand, welche dreymal herumgehen. Aus der Kleidung ſcheinet es, daß es die aͤlteſten von allen alten Gemaͤlden ſeyn. Der Beſitzer derſelben ſtarb ſchleunig im Monate Auguſt 1761. ohne jemanden von ſeinen Bekannten den Ort der Entdeckung eroͤffnet zu haben, welcher noch itzo, da ich dieſes ſchreibe, (im April 1762.) unbekannt iſt, aller Nachforſchung ohngeachtet, die man angewandt. Nach deſſen Tode hat ſich in einer Quittung von dreytauſend fuͤnfhundert Scudi gefunden, daß derſelbe aus eben dem Orte drey andere Gemaͤlde, unter welchen zwey von Figuren in Lebensgroͤße waren, weggeholet: das eine ſtellete Apollo mit ſeinem geliebten Hiacynthus vor. Weiter iſt nichts von denſelben be- kannt geworden, und die Gemaͤlde ſind vermuthlich nach Engeland gegan- gen, nebſt dem ſiebenten, wovon ich ebenfalls nur die Zeichnung geſehen, welches vor viertauſend Scudi verkauft worden: es iſt daſſelbe zu Anfang des zweyten Theils vorgeſtellet. Die vornehmſte Figur iſt Neptunus, in Lebensgroͤße, wie die andern Figuren, nackend bis auf das Mittel: vor demſelben ſtehet Juno mit Minen und Gebehrden einer bittenden Erzaͤh- lung, mit einem kurzen Zepter in der Hand, in der Laͤnge, wie ihn die Juno anderswo 1), und eine Herculaniſche Figur haͤlt 2). Neben derſel- ben ſtehet Pallas, welche das Geſicht nach jener gewandt hat, und auf- merkſam zuhoͤret. Hinter dem Stuhle des Neptunus ſtehet eine andere junge Weibliche Figur, welche in ihrem Mantel eingewickelt iſt, und vol- ler Betrachtung das Geſicht mit der rechten Hand geſtuͤtzet hat, welche durch 1) Beger Spicileg. Antiq. p. 136. 2) Pitt. Ercol. T. 1. tav. 24.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/329>, abgerufen am 03.05.2024.